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Blindes Vertrauen in Musik

©VN/Jurmann
Die Chor- und Orgeltage sind für Edwin Wallmann zum Lebenswerk geworden.

Korbflechter, Bürstenbinder oder Musiker – diese drei Alternativen der Berufswahl ergaben sich für den von Geburt an fast blinden Hohenemser Edwin Wallmann. Er wählte Letzteres und wurde mit der Musik glücklich, die ihn durch ein trotz seiner Behinderung erfülltes Leben begleitet hat. Heute freut sich der 88-Jährige am Jubiläum seines Lebenswerks, der 20. Chor- und Orgeltage, die am 8. Oktober beginnen. Der Weg zum Musiker war ein sehr steiniger. Noch bevor er herkömmliche Noten mit Hilfe einer Lupe oder eines Vergrößerungs-Bildschirms so wie heute die Tageszeitung lesen konnte, kannte Wallmann sie aus Brailles Blinden-Notenschrift: „Mit einer Hand habe ich die Schrift abgetastet, mit der anderen die Töne am Klavier zusammengesucht.“ Ohne intensives Gedächtnistraining, ohne Fleiß und Durchhaltevermögen ging da gar nichts. Doch Edwin beherrschte mit der Zeit alles am Klavier: „An der Akademie in Wien hat man mich einmal erwischt, als ich einen Schlager gespielt habe.“ Und zeigt dabei sein verschmitztes Lächeln, das ihm neben einer gesunden Portion Gottvertrauen wohl über so manche Hindernisse hinweggeholfen hat. Mit der ihm eigenen Zähigkeit studierte Wallmann auch Geschichte und Musikwissenschaft. Mit eisernem Willen promovierte er 1953 zum Doktor der Philosophie, wurde Pädagoge und unterrichtete Generationen von Studenten. Mit diesem Brotberuf hatte er ab 1962 auch eine Familie zu ernähren, seine Frau Annemarie aber wurde ihm zur liebevollen Stütze. Daneben aber schlug die Musik immer wieder durch. 38 Jahre lang leitete er den Kirchenchor von St. Karl, vermochte die Sänger mit neuen Ideen zu begeistern, verwirklichte zu Zeiten der Schubertiade in Hohenems aber auch die beiden größten Schubert-Messen, später Bruckner, Puccini, Palestrina – alles auswendig. Und spielt bis heute dort bei der 10-Uhr-Messe ohne jede Assistenz die Gollini-Orgel: „Ich muss nicht nur die Lieder, sondern auch deren Reihenfolge in der Messe im Kopf haben. Da brauche ich mitunter ein Stoßgebet.“

Schlüsselerlebnis

Dieses Instrument gab Edwin Wallmann 1991 auch die Initialzündung zur Gründung der Chor- und Orgeltage: „Ich wollte zeigen, dass man die Orgel auch konzertant verwenden kann. Und dazu gute Chöre einladen.“ Und immer wieder träumte er von jenem Werk, das ihm als 17-Jähriger zu einem Schlüsselerlebnis verholfen hatte: „Ich habe 1938 in Wien die Uraufführung des Oratoriums ‚Das Buch mit sieben Siegeln‘ von Franz Schmidt miterleben dürfen, und dieses großartige Werk hat mich seither nicht mehr losgelassen.“ Nach Überwindung unglaublicher Hürden setzte er im Jahre 2000 eine denkwürdige Aufführung in Hohenems durch. Es mag wohl einer der schönsten Tage im Leben von Edwin Wallmann gewesen sein.

zur Person

Edwin Wallmann Geboren: 1921 in Hohenems Ausbildung: Studium in Philosophie, Geschichte und Musikwssenschaft Laufbahn: Lehrdienst, Organist in Innsbruck und Hohenems, Chorleiter Familie: verheiratet, zwei Kinder, zwei Enkelkinder

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