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Blauzungenkrankheit: Hoffen auf tiefe Temperaturen

Der aktuelle Seuchenzug begann im Jahr 2006. Wahrscheinlich war der Erreger mit einem Tiertransport aus Afrika nach Belgien eingeschleppt worden.

Mittlerweile hat sich die bei Wiederkäuern vorkommende Blauzungenkrankheit auch bis nach Deutschland ausgeweitet, Fälle sind auch in der Schweiz aufgetreten. „Die Tierschäden sind eher gering. Der große Schaden entsteht durch die Behinderung des Agrarhandels in Folge der Krankheit“, sagte jetzt der Chef der österreichischen Veterinärverwaltung, Ulrich Herzog, gegenüber der APA.

Irgendwie tappen die Fachleute aber im Dunkeln, was sich in den vergangenen Jahren abspielte, dass die seit praktisch ewigen Zeiten in südlichen Regionen der Welt vorkommende Viruserkrankung der Wiederkäuer auch West- und Nordeuropa erfasste. Der Experte: „Das Blue-Tongue-Virus wird über Culicoides-Stechmücken („Gnitzen“, Anm.) als Vektor von Tier zu Tier übertragen. C. imicola gab es immer schon in Südeuropa.“

Doch die Verbreitung über Belgien in Richtung Frankreich, Deutschland und Österreich fand durch Übertragung der BT-Viren durch die dort heimischen C. obsoletus-Mücken statt, die bis dahin mit der Weitergabe der Viren nicht in Verbindung gebracht worden waren. Herzog: „Hinzu kommt, dass es sich bei ihnen um BT-Erreger vom Stamm 8 handelt – und der ist aggressiver geworden.“

Die Tierkrankheit tritt vor allem in der warmen Jahreszeit wellenartig auf, wobei die Häufigkeit zumeist von August bis in den Herbst hinein am größten ist. Es kann aber auch daneben noch Perioden vermehrter Erkrankungen geben. Am gefährlichsten ist die Seuche für Schafe, Rinder erkranken zwar, die Mortalität ist bei ihnen aber geringer. Der Veterinärexperte: „Leider hat sich mit den ersten Fällen in der Schweiz in der jüngsten Vergangenheit gezeigt, dass auch die Alpen keine Barriere bilden.“ Es hatte Hoffnungen gegeben, dass die Bergkette ein Überqueren der infizierten Mücken verhindern könnte.

Österreich hat jedenfalls seine Überwachungsaktivitäten schon vor einiger Zeit hinaufgeschraubt. Eine neue EU-Verordnung stellt die Abwehrmaßnahmen aller Mitgliedsländer auf eine gemeinsame Basis. Herzog: „Wir ziehen regelmäßig im ganzen Land Blutproben von Tieren.“ Das Blut wird auf Antikörper der Tiere gegen die Viren untersucht, die im Rahmen einer durchgestandenen Infektion durch das Immunsystem gebildet werden. Der Experte weiter: „Ab November wollen wir in Vorarlberg 150 Rinder – also in rund 15 Betrieben wiederum je zehn Tiere – als ’Sentinel’-Tiere („Wächter“-Tiere, Anm.) haben, die in regelmäßigen Abständen über einen längeren Zeitraum hinweg überwacht werden.“

Dazu kommen noch in Vorarlberg aufgestellte Mückenfallen an 50 Standorten. Die zunehmend kälteren Temperaturen zeigten schon ihre Auswirkung. Ulrich: „Die Fangzahlen sind von 100.000 auf jetzt vielleicht noch jeweils um die hundert zurückgegangen.“ Nach einigen durchgehenden Tagen bei Minusgraden könnte die Gnitzen-Verbreitung zumindest für dieses Jahr vorbei sein. Doch ein „blaues Auge“ im Jahr 2007 bedeutet nicht, dass Österreich kommenden Jahr der Erkrankung neuerlich entgeht.


Blauzungenkrankheit würde Österreichs Tierzüchter hart treffen
Sollte die Blauzungenkrankheit auf Österreich übergreifen, würde dies die Schaf- und Rinderzüchter hart treffen. Die befallenen Tiere würden dann für ein bis zwei Wochen ihre Nahrungsaufnahme drastisch reduzieren, was sich auf die Gewichtszunahme und die Milchproduktion auswirkt. Lämmern droht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tod. Das zumindest zeigen Erfahrungen aus Deutschland, wo rund 80 Prozent der von der Tierseuche befallenen jungen Schafe verendeten, so Adolf Marksteiner von der Landwirtschaftskammer Österreich im Gespräch mit der APA.

Noch bestehe aber die Hoffnung, dass Österreich von der Blauzungenkrankheit verschont werde – nämlich dann, wenn es kühl bleibe und dadurch das Virus abgetötet wird, so der Experte. Die Krankheit war bisher nur in wärmeren Gegenden aufgetreten, mittlerweile hat sie die Grenzen von Österreich erreicht.

Käme es zu einem Seuchenausbruch in Österreich, wären nicht nur die direkt betroffenen Landwirte die Leidtragenden, sagte Marksteiner zur APA. Denn im Umkreis von 150 Kilometern rund um den verseuchten Betrieb würde eine Schutzzone eingerichtet und alle darin befindlichen Bauern dürften dann ihr Vieh nicht exportieren. Selbst wenn das Verbot später aufgehoben wird, trete nicht sofort eine Entspannung ein. Denn vor dem Verkauf der Tiere müsste noch eine Untersuchung durchgeführt werden, die pro Tier 50 bis 70 Euro kostet. Für diese Kosten und auch alle anderen Schäden müssten – im Gegensatz zu den in Österreich “üblichen“ Seuchen – aufgrund der derzeitigen gesetzlichen Regelung die Bauern zur Gänze selbst aufkommen.

In Österreich gibt es derzeit rund zwei Millionen Rinder, mehr als 312.000 Schafe und 53.000 Ziegen.

Mit 244.000 Stück Vieh erreichte der Export von Rindfleisch 2006 das wert- und mengenmäßig höchste Niveau des vergangenen Jahrzehnts. Die Ausfuhr von Zucht- und Nutzrindern aus Österreich erreichte mit 57.000 Stück – was einem Plus von 16 Prozent entspricht – ebenfalls ein neues Hoch.

Österreichs Rinderzucht genießt aus seinen traditionellen Absatzmärkten – insbesondere in Italien, der GUS, Deutschland und in den neuen EU-Ländern – züchterisch einen sehr guten Ruf.

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