Die Neupräsentation der Kunstkammer zeigt sich tatsächlich als “in jeder Hinsicht state of the art” (KHM-Generaldirektorin Sabine Haag) und rückt die Schätze des Hauses ins rechte Licht. Dass das Ganze fantastisch aussieht, dafür sind zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen natürlich die hauseigene Museumssammlung an Kleinskulpturen, Gobelins und Objekten, für die erst seit 1991 wieder der historische Begriff der Kunstkammer verwendet wird. 2.162 Objekte werden in 20 Räumen auf 2.717 Quadratmetern gezeigt, und immer wieder wird man von so viel Prunk und Opulenz, Raffinesse und Delikatesse überwältigt. Zum anderen ist es die moderne und zurückhaltend wirkende Präsentationsweise, die den Fokus hervorragend auf die Objekte lenkt.
Werbung für die Kunstkammer
Als “Ort des Staunens und des lustvollen Lernens” bezeichnete Haag die Kunstkammer und erinnerte daran, dass fast eine ganze Besuchergeneration ohne Bewusstsein um diese einzigartige Kollektion aufgewachsen sei. Deshalb habe man sie mit entsprechender Vorauswerbung erst wieder in den Köpfen der Menschen verankern müssen. Dass nahezu drei Viertel der rund 8.000 inventarisierten Objekte in den Depots bleiben, muss einem nicht leidtun: “50 Bergkristall-Pokale bereiten Ihnen nicht mehr Freude als die fünf besten”, versicherte Kurator Franz Kirchweger – und man glaubt ihm.
Überwältigung und Überforderung der Besucher
Nur bei zwei zentralen Räumen setzt man auch auf Überwältigung der Besucher durch Überforderung: Im Kaiser Rudolf II. gewidmeten Saal (die Neuaufstellung orientiert sich an den Sammler-Persönlichkeiten des Hauses Habsburg, was Kirchweger “eine Auseinandersetzung mit einem Teil unserer Geschichte und keine Form von Habsburger-Adoration” nannte) vermitteln die kreisförmig rund um eine bronzene Kaiser-Büste aufgestellten Vitrinen einen Eindruck von den vielfältigen künstlerischen und wissenschaftlichen Interessen des legendären Regenten. Und zwei Säle weiter gibt es durch die dicht gestellten Vitrinen mit Exotica kaum ein Durchkommen. Zwischen märchenhaften Objekten wie einem Bergkristall-Elefanten mit Salzfässchen, einer Prunkkanne mit Seychellennuss, einem Globuspokal oder einem mit Gold und Edelsteinen verzierten Bezoar (einem tierischen Magenstein) sind künftige Staus vorprogrammiert. Da sollte sich das Besuchermanagement mittels Zeitfenster-Tickets bewähren.
Besucher können ab 1. März staunen
Manche Vitrinen geben erst per Knopfdruck konservatorisch besonders prekäre Objekte frei und bedienen ebenso den Spieltrieb des heutigen Besuchers wie die 33 Sitzbänke mit je zwei integrierten Ipads für Zusatz-Infos. Die Beschriftungen sind zurückhaltend, die “Saalregenten” genannten zentralen Objekte jedes Raums könnten jedoch noch eine gesonderte Hervorhebung vertragen. Und die Saliera? Die gibt es natürlich auch, edel präsentiert wie die anderen Prunkstücke. Dass sie sich beim Rundgang durch die “Wiege des Museums”, wie das KHM die Kunstkammer bewirbt, aber gar nicht sonderlich ins Gedächtnis brennt, zeigt vielleicht am besten, was bei dieser 18,56 Mio. Euro teuren Neupräsentation gelungen ist. Da kann man nur KHM-Testimonial Maximilian Schell zitieren: “Das muss man gesehen haben.” Das Publikum hat ab 1. März die Chance dazu. (APA)