Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde zu Lebensmittelpreisen

Die Handelsspannen sind von der zweiten Jahreshälfte 2022 bis zur zweiten Jahreshälfte 2023 "nicht systematisch" gestiegen. "Insgesamt gibt es keine Hinweise dafür, dass vor dem Hintergrund steigender und hoher Inflation versucht worden wäre im Untersuchungszeitraum die Handelsspannen zu vergrößern", so die BWB.
Bundeswettbewerbsbehörde: Kein auffälliger Anstieg der Gewinnmargen
Auch in der Landwirtschaft und bei Unternehmen, die Lebensmittel herstellen, stellt die Wettbewerbsbehörde keinen auffälligen Anstieg der Gewinnmargen im Vergleich zu früheren Jahren fest. Bei der Vorstellung der 269-seitigen Untersuchung der Branche in Wien äußerte sich die Leiterin der BWB, Natalie Harsdorf-Borsch, am Freitag zur Analyse und nannte dabei mehrere Schwachstellen in Bezug auf die Wettbewerbssituation. Besonders besorgniserregend ist die hohe Anzahl an unfaireren Praktiken, die von Supermärkten gegenüber ihren Lieferanten gemeldet wurden. Zu diesen "schwarzen Praktiken" gehören unter anderem einseitige Vertragsänderungen, Zahlungen ohne Bezug zu Lieferungen und Zahlungen für Qualitätsverluste, die nicht verschuldet sind.

Die Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) gab bekannt, dass die Behörde bereits Untersuchungen gegen Supermarktketten eingeleitet hat, die gegen das Gesetz über faire Wettbewerbsbedingungen verstoßen haben. In diesem Jahr werden voraussichtlich erste Anträge beim Kartellgericht gestellt. Genauere Angaben zu den untersuchten Händlern wollte Harsdorf-Borsch nicht machen. "Das kann ich zu dem Zeitpunkt nicht beantworten." Die Behörde hat keine Preisabsprachen festgestellt.
Kein Zusammenhang zwischen Marktkonzentration und Supermarktpreisen
In der Untersuchung konnte die Wettbewerbsaufsicht zudem keinen Zusammenhang zwischen der hohen Marktkonzentration im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel und den Preisanstiegen feststellen. Die Unternehmen Spar, Rewe (u.a. Billa, Penny), Hofer und Lidl halten gemeinsam einen Marktanteil von 91 Prozent. Allerdings sind seit 2019 über 200 Nahversorger aus dem Markt ausgeschieden, während die großen Supermarktketten ihr Filialnetz weiter ausgebaut haben. Im Vergleich dazu haben die Top 4 (Edeka, Rewe, Schwarz und Aldi) in Deutschland einen Marktanteil von 76 Prozent.
"Österreich-Preisaufschlag" soll EU-Kommission beschäftigen
In ihrem Bericht weist die Bundeswettbewerbsbehörde speziell auf den sogenannten "Österreich-Preisaufschlag" hin. Insbesondere in der Lebensmittelindustrie, vor allem bei internationalen Konzernen, besteht der Anreiz, für gleiche Produkte unterschiedliche Preise je nach Länderstrategie zu verrechnen. Diese Strategien können ein entscheidender Faktor für unterschiedliche Lebensmittelpreise und somit höhere Preise in Österreich sein, wie es in der Branchenuntersuchung heißt. Berechnungen eines Lebensmittelhändlers zeigen, dass die tatsächlichen Nettoverkaufspreise in Österreich, nach Abzug von Umsatzsteuer und Promotionen, um 10 bis 15 Prozent höher sind als die in Deutschland. Die Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde beabsichtigt, dieses Thema schnellstmöglich bei der Europäischen Kommission einzubringen, da die Behörde nur für Österreich zuständig ist.
Gemäß einer Untersuchung der BWB konnten vor allem international tätige Hersteller ihre Gewinnmargen in bestimmten Produktgruppen von der zweiten Jahreshälfte 2022 bis zur zweiten Jahreshälfte 2023 "deutlich steigern" (z. B. Butter, Margarine, Mischfette + 7 Prozent). In anderen Produktgruppen kam es jedoch auch zu erheblichen Einbrüchen der Gewinnmargen (z. B. Naturjoghurt -11 Prozent). Die Entwicklung der Gewinnmargen hängt stark von der jeweiligen Produktgruppe in der Lebensmittelindustrie ab, wie in der Branchenuntersuchung festgestellt wurde.
Gemischte Reaktionen zu Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde zu Preisen in Supermärkten
Die Ergebnisse des BWB-Berichts wurden von Bauernvertretern und Händlern positiv aufgenommen, während die FPÖ Kritik übte. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) betonte in einer Aussendung, dass die Untersuchung wichtige Erkenntnisse zu unlauteren Handelspraktiken und dem hohen Anteil an Eigenmarken im Handel ans Tageslicht gebracht habe. In Österreich stehen über 110.000 Bäuerinnen und Bauern sowie eine Vielzahl von Lieferanten vier großen Handelskonzernen gegenüber. Bauernbund-Präsident und ÖVP-Agrarsprecher Georg Strasser begrüßte die Empfehlungen der BWB, den Handel genauer zu überprüfen.
Aufgrund von Preiserhöhungen sah sich der Lebensmittelhandel in Österreich teilweise heftiger Kritik seitens der Politik ausgesetzt. Nun wird diese Kritik durch eine Branchenuntersuchung bestätigt. Der Endbericht der Bundeswettbewerbsbehörde widerlegt eindeutig die unsachlichen Anschuldigungen, die von Teilen der Bundesregierung und einigen Oppositionsparteien während des Gipfels im Mai 2023 gegen den Lebensmittelhandel erhoben wurden. Diese Anschuldigungen wurden populistisch als Grund für die Lebensmittelinflation in Österreich dargestellt. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, betonte, dass der Bericht maßgeblich zur sachlichen Diskussion über die Lebensmittelpreise in Österreich beiträgt und die unberechtigten Vorwürfe gegen den Lebensmitteleinzelhandel entkräftet. Christian Prauchner, Obmann des WKÖ-Bundesgremiums Lebensmittelhandel, hob ebenfalls hervor, dass die Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde dabei hilft, Klarheit zu schaffen. Für Wettbewerbsökonom Michael Böheim vom Wifo rückt die BWB-Untersuchung nun viele Dinge gerade. In der Vergangenheit habe man unreflektiert nach Sündenböcken für die Preissteigerungen gesucht, so Böheim in einem Interview mit dem Ö1-"Mittagsjournal" am Freitag.
Die FPÖ kritisiert das Fehlen eindeutiger Antworten im Untersuchungsbericht. Peter Wurm, der freiheitliche Konsumentenschutzsprecher, wirft den Verantwortlichen vor, die Realität zu ignorieren, indem sie 269 Seiten mit dem Ergebnis füllen, dass "nichts passiert ist" und dass letztendlich die EU für das Desaster verantwortlich ist, während die Kunden in Österreich mehr zahlen müssen. Die Arbeiterkammer sieht dringenden Handlungsbedarf im Bereich des Preisrechts. Darüber hinaus hat die Branchenuntersuchung gezeigt, dass die derzeitigen wettbewerblichen Instrumente zur Bekämpfung der Preiserhöhungen "nicht ausreichend" sind, wie AK-Präsidentin Renate Anderl feststellt.
Empfehlungen der Bundeswettbewerbsbehörde für Lebensmittelmarkt
Auf der Pressekonferenz präsentierte die Leiterin der BWB eine Vielzahl von Empfehlungen, um den Wettbewerb im Lebensmittelmarkt anzukurbeln: Die Vorschläge umfassen Maßnahmen zur Erhöhung der Preistransparenz, zur Stärkung des EU-Binnenmarkts, zur Verbesserung der Transparenz bei Lebensmitteln, zum Schutz der Verbraucher vor Irreführung bei Preisnachlässen sowie zur Gewährleistung von Rechtssicherheit für Lieferanten durch Schriftform. Harsdorf-Borsch wünscht sich außerdem eine verbesserte gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen aufgrund von Branchenuntersuchungen für ihre eigene Behörde.
Im Oktober 2022 hat die Bundeswettbewerbsbehörde eine umfassende Untersuchung der Lebensmittelbranche aufgrund der deutlich gestiegenen Lebensmittelpreise eingeleitet. Innerhalb eines Jahres wurden in zehn Runden rund 700 Handelsunternehmen und über 1.500 Lieferanten befragt, und die Daten des Marktforschungsunternehmens GfK wurden analysiert. Darüber hinaus hat die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) tägliche Preisdaten aus einer Auswahl von Online-Shops im österreichischen Lebensmittelhandel für die Wettbewerbshüter analysiert. Es wurde auch eine Konsumentenbefragung mit etwa 1.000 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren durchgeführt. Die Untersuchung der BWB konzentrierte sich dabei auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.
(APA/Red)