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Benimmschule für Handy-Nutzer

"Die meisten Leute sind sich gar nicht bewusst, dass sie sich mit dem Handy daneben benehmen", sagt sie Jacqueline Whitmore, die in Florida eine Handy-Benimmschule betreibt.

Martha Castro ist Sprechstundenhilfe in einer Urologiepraxis in Washington und von Patienten allerlei gewohnt. Die Frau, die bei einer Blasenspiegelung in die Jackentasche griff, um einen Anruf auf ihrem klingelnden Handy zu beantworten, war ihr dann aber doch zu viel. Seitdem prangen große Schilder in der Praxis, die ein rot durchgestrichenes Mobiltelefon zeigen. „Verbieten können wir es natürlich nicht, aber so mancher stellt das Ding nun doch aus, bevor er ins Behandlungszimmer geht“, sagt Castro. „Handys haben das menschliche Verhalten in der Öffentlichkeit verändert“, sagt Jacqueline Whitmore, die in Palm Beach im US-Bundesstaat Florida eine Benimmschule betreibt. „Der Handy-Missbrauch wird zwar nicht schlimmer, aber weil inzwischen praktisch jeder ein Gerät hat, fällt es mehr auf.“ Sie schult vor allem Geschäftsleute im diskreten Umgang mit den Telefonen, die aus dem Leben nicht mehr wegzudenken sind. „Die meisten Leute sind sich gar nicht bewusst, dass sie sich mit dem Handy daneben benehmen“, sagt sie.

Es gebe erstaunlich viele Menschen, die sich nichts dabei dächten, im öffentlichen Bus den jüngsten Arztbesuch in allen Einzelheiten durchzusprechen, die Heldentaten der vergangenen Nacht oder den jüngsten Ehestreit. „Am Handy sollte man nicht in der Öffentlichkeit dreckige Wäsche waschen oder Intimes bereden“, sagt Whitmore.

Eine Umfrage des amerikanischen Online-Handyverkäufers „Lets Talk.com“ zeigte jüngst, dass die Handybesitzer selbst intoleranter werden. Telefonieren in öffentlichen Verkehrsmitteln finden in diesem Jahr demzufolge nur noch 45 Prozent in Ordnung, vor drei Jahren waren es noch 53 Prozent von mehr als 2.000 Befragten. Im Restaurant zu telefonieren, war 2003 noch für jeden Dritten kein Problem, heute mögen das nur noch 21 Prozent.

„Die Leute finden langsam selbst die Grenzen und entwickeln soziale Normen“, sagt Lets Talk-Chef Delly Tamer. Whitmore hilft dabei ein bisschen nach. Sie hat den Monat Juli vor ein paar Jahren zum „Handy-Höflichkeitsmonat“ erklärt und damit in der Presse einige Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Die am meisten verbreiteten Sünden sind nach ihrer Ansicht:©zu laut zu reden, zu Persönliches in der Öffentlichkeit auszubreiten und Anrufe während einer Verabredung entgegenzunehmen.

Die Benimm-Expertin ist auch selbst schon einmal Opfer von Handy-Missbrauch gewesen. „Ich lag auf der Massagecouch und wunderte mich, dass die Masseurin meine Schulter nur mit einer Hand bearbeitete. Und dann hörte ich sie plötzlich am Handy quatschen“, erzählt sie. Die unmöglichste Handy-Panne erzählte ihr aber ein befreundeter Priester. Bei ihm klingelte es im Beichtstuhl. Die Sünderin sagte kurz:©„Ein Moment, bitte“, und beantwortete den Anruf dann.

Im Stil der Knigge-Ratgeberinnen in Zeitungen berät Carol Page Handy-Opfer auf ihrer Internetseite CellManners.com: „Bei der Beerdigung der Mutter meiner besten Freundin klingelte es hinter mir und eine Frau fing an zu telefonieren. Was tut man da?“ fragt Angela. „Werfen Sie dem Redner in solchen Fällen den ’vorwurfsvollen Handy-Anstarr-Blick zu’, rät Page. „Sehe ich das falsch oder ist es eklig, ungezogen und abstoßend, wenn jemand auf dem Klo sitzt und telefoniert?“, will eine Frau wissen, die in der öffentlichen Toilette die Gespräche von zwei Frauen mitbekam. „Niemals auf dem stillen Örtchen telefonieren“, beschwört Page ihre Leser.

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