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Beginn des Karadzic-Prozess verschoben

Der Völkermord-Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten der bosnischen Republika Srpska Radovan Karadzic beginnt später als vom UNO- Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) vorgesehen.

Und es werden voraussichtlich mehrere Jahre vergehen, ehe ein endgültiges Urteil über den mutmaßlichen Drahtzieher des schwersten Kriegsverbrechens in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gefällt wird. Das räumte der Vorsitzende Richter des Vorverfahrens, der Südkoreaner O-Gon Kwon, am Dienstag bei einer weiteren Anhörung des Falls in Den Haag ein.

Wegen Verfahrensproblemen könne die Hauptverhandlung auf keinen Fall vor dem 21. Oktober eröffnet werden, teilte er mit. Möglicherweise muss sie noch weiter hinausgeschoben werden. Anfang September hatte der Richter den 19. Oktober als Wunschtermin für den Beginn des seit langem erwarteten Prozesses genannt. Hauptgrund der Verschiebung ist, dass die ICTY-Berufungskammer bisher nicht über einen Antrag Karadzics entscheiden konnte, die Prozesseröffnung sogar um zehn Monate hinauszuzögern.

Der Richter hatte dies Ende September zurückgewiesen. Karadzic legte aber Berufung ein. Der 64-Jährige, der sich mit Hilfe von Beratern selbst verteidigt, erklärte, er benötige mehr Zeit, um Akten studieren zu können. Die Staatsanwaltschaft habe 55.000 Dokumente aufgelistet, wobei noch nicht einmal klar sei, welche sie tatsächlich in dem Prozess verwenden will. Auch für seine Vorbereitung auf Zeugenbefragungen brauche er mehr Zeit.

Karadzic ist als mutmaßlicher Hauptverantwortlicher für das Massaker an mehr als 8.000 bosnischen Muslimen (Bosniaken) 1995 in der damaligen UNO-Schutzzone Srebrenica angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in elf Fällen vor, darunter zwei Fälle von Völkermord. Als weiterer Hauptverantwortlicher für das Srebrenica-Massaker ist der bosnisch-serbische General Ratko Mladic angeklagt, der sich jedoch immer noch versteckt hält.

Bei der Anhörung äußerte sich O-Gon Kwon erstaunt, dass die Staatsanwaltschaft entgegen einer Anweisung von ihm die geplante Beweisführung vor dem UNO-Tribunal in Den Haag nicht ausreichend gestrafft habe. Das Gericht sei “ernsthaft besorgt” über den Umfang des zu verhandelnden Beweismaterials. Der Richter begrenzte die Zeit, die der Staatsanwaltschaft in dem Prozess für die Befragung von Zeugen zur Verfügung stehen wird, auf 300 Stunden. Unter Berücksichtigung der Verfahrensregeln und der für die einzelnen Sitzungen vorgesehenen Zeit bedeutet dies, dass sich allein die Zeugenvernehmung durch die Anklage über fast ein Jahr erstrecken könnte.

Chefankläger Serge Brammertz hatte Anfang Juni im UNO-Sicherheitsrat erklärt, der Prozess könne mit der zu erwartenden Berufung nach dem Urteil in erster Instanz insgesamt bis 2013 abgeschlossen sein. Karadzic war im Juli 2008 in Belgrad festgenommen und dem Tribunal in Den Haag übergeben worden. Seitdem zieht sich die Vorbereitung des Prozesses mit der Klärung von Verfahrensfragen hin.

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