AA

Balkan-Schriftsteller: "Aufklärungsphase verpasst"

Kritisch mit ihren Ländern setzten sich Autoren des Balkan am Wochenende bei einer Diskussion auf der Leipziger Buchmesse auseinander: Der griechische Autor Nikos Themelis sagte, er habe das Gefühl, dass man auf dem Balkan eine Entwicklung wie im westlichen Europa im 18. und 19. Jahrhundert aus historischen Gründen verpasst habe.

“Die Mehrheit war noch bis vor wenigen Jahrzehnten Untertan des ottomanischen Reiches. Dieser Umstand hat uns vom Aufklärungselan abgeschnitten”, so Themelis.

Dies sei gleichzeitig das Alibi für die westliche Welt, “deren einziges Interesse es ist, dass wir sie nicht stören”, kritisierte der Schriftsteller. “Sie ist interessiert daran, dass wir Frieden auf dem Balkan haben, und sie interveniert, wenn dieser Frieden gefährdet ist.” Für Themelis bedeutet das größte Problem die “innere Verständigung” auf dem Balkan. “Wir sind in unserer Innenwelt nicht einig über die geeignetste Verhaltensweise, dass am Ende der verschiedenen Spannungsfelder ein Win-Win-Game herauskommt.”

Dem stimmte der serbische Autor Dragan Velikic zu und ergänzte, dass es viele Mystifikationen über den Balkan gebe, für die es wiederum starkes Interesse aus Europa gebe. Für die im serbisch-ungarischen Grenzort Subotica lebende Schriftstellerin Ildiko Lovas handle es sich bei der Balkan- um eine Alltagsfrage, denn: “Die Situation in der Vojvodina bedeutet Ausgeschlossensein von Ungarn und Mitteleuropa, sowie von Serbien und dem Balkan.” Als Schriftstellerin erlebe sie den Balkan als “ständige Injektion”, während sie sich intellektuell in Europa beheimatet fühle. “Die Injektion bedeutet, dass in der Region zu viel Emotion, zu viel Tod ist”, sagte Lovas.

Der aus Bulgarien stammende Georgi Gospodinov stellte sich die Frage: “Inwiefern bilden wir die Klischees über den Balkan, und inwiefern drückt diese uns Europa auf?” Seiner Ansicht liege die Wahrheit in der Mitte, niemand habe Schuld. “Es ist bequem für uns mit diesen Klischees zu leben”, sagte Gospodinov, “wir wollen leger wirken, lebensfroh, wie Machos”. Er fühle sich “ganz gut in meiner Haut”, aber er fühle sich auch als Europäer, denn: “Wir sind Europäer.”

Der heute in Frankreich lebende Bosnier Velibor Colic bemühte das Sartre-Zitat “Die Hölle, das sind die anderen”, indem er über die Länder Ex-Jugoslawiens sagte: “Der Balkan, das sind die anderen. Für die Albaner sind es die Mazedonier und umgekehrt, für die Kroaten die Serben und umgekehrt, und alle zusammen sind Balkan für die Slowenen.” Aber, so Colic: “Europa ist eins, und die Tragödie, die in Jugoslawien passiert ist, ist unsere gemeinsame Tragödie.”

  • VIENNA.AT
  • Moj Bec News
  • Balkan-Schriftsteller: "Aufklärungsphase verpasst"
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen