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Babler, Kickl, Nehammer & Co.: Das sagt ihre Körpersprache über die Spitzenkandidaten

Dr. Roman Braun analysiert die Körpersprache der Spitzenkandidaten zur Nationalratswahl 24.
Dr. Roman Braun analysiert die Körpersprache der Spitzenkandidaten zur Nationalratswahl 24. ©APA, trinergy.at
Wer die Nationalratswahlen 2024 für sich entscheiden wird, zeigt sich am 29. September. Wer von den Spitzenkandidaten kann überzeugen, wenn es um Rhetorik und Körpersprache geht?

Eine Analyse von NLP-Experte Dr. Roman Braun.

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Professionell analysiert: Dr. Roman Braun vom Trinergy Institut

Dr. Roman Braun ist offizieller Rhetorik-Coach von österreichischen Olympia-Sportlern, Mentalcoach von Weltcupsiegern, Spitzenpolitikern und Weltmeistern. Der NLP-Trainer und Doktor der Psychologie hat die Spitzenkandidaten der heimischen Parteien im Wahlkampf zur Nationalratswahl 2024 in Sachen Rhetorik und Körpersprache genauer unter die Lupe genommen. Er analysiert wie die Spitzenpolitiker in Wahlreden, Diskussionen und Interviews wahrgenommen werden und welche Wirkung für die Parteien dadurch zustande kommt.

In der Menge badend – Andreas Babler, SPÖ

SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Babler wisse am besten im Kontext der Wahlrede zu überzeugen. „Babler ist wie ein Arbeiterführer oder Gewerkschafter, der zu seinen Arbeitern redet. Er ‚badet‘ auch viel mehr in der Menge als seine Mitstreiter“, analysiert Dr. Roman Braun. Babler packe auch gern die rhetorische Kiste aus und wende z.B. die Anapher (aufeinanderfolgende Sätze werden immer mit dem gleichen Wort begonnen, Anm. der Red.) an. „Besonders effektiv wird er, wenn er diese mit dem sogenannten Crescendo kombiniert – hier wird er dann von Satz zu Satz noch einmal lauter“, so Braun. Wesentlich schwächer agiere Babler hingegen in Diskussionen, etwa den Elefantenrunden, da wirke er etwas eingeengt. Beim Sommergespräch, also einer Interviewsituation, hätte er nur wenig natürlich Gestik mit seinen Händen gehabt und sich somit in der schwächsten Position dargestellt. „Babler ist sehr dynamisch mit seinem Körper im Stehen und tanzt richtig, das kann er im Sitzen nicht machen. Hier bleibt ihm nur seine Mimik“, sagt der NLP-Profi. „Und in der Mimik spielt er nur die Moll-Hälfte der Emotionen – also eher die traurigen Seite, da holt ihn ein rhetorisches Crescendo auch nicht raus“. Das asymmetrische Heben der einen Seite seiner Oberlippe sei außerdem eine abschätzige Geste, die Herr Babler viel zu oft mache, das wirke nicht gut. Auch das Sakko hätte er beim Sommergespräch mal lieber weggelassen, rät der NLP-Experte.

Andreas Babler ©APA

Außerdem mache Babler wenig Meta-Kommunikation, also über die Frage zu reden, statt diese zu beantworten. „Das macht fast jeder Politiker. Vor 40 Jahren wäre Babler damit gut angekommen aber es heute nicht zu machen ist fast antiquiert. Denn wer die Meta-Kommunikationshoheit hat, der dominiert“, führt Braun weiter aus.

Zusammengefasst: Babler überzeugt am meisten bei der Wahlrede. Hier gibt er sich publikumsnah und scheut auch den Kontakt mit der Menge nicht. Er verwendet aktiv rhetorische Figuren und weiß mit diesen zu überzeugen. In Diskussionen wirkt er teils eingeengt und somit schwächer. Bei Interviews im Sitzen kann er nicht so dynamisch seinen ganzen Körper bewegen, wie er es sonst gerne im Stehen macht. Eine unnatürliche Gestik mit den Händen und die eher traurige Mimik ergeben keine gute Wirkung im Interview.

Bereit für den Ring – Karl Nehammer, ÖVP

Mit festgezurrtem Kopf und Körperspannung sei er dagesessen, der österreichische Bundeskanzler, Karl Nehammer, beim Sommergespräch. „So geht man in einen Boxkampf, das ist ein Aggressivitätszeichen. Auch die Überspannung von Nehammers Unterkiefer zeugt von Kampfbereitschaft“, weiß Dr. Braun. „Nehammer vermittelt Emotionskontinenz (Anm. der Red.: das Fehlen von Emotionen), das ist eine Alpha-Qualität. Auch entweicht ihm kaum ein Lacher und wenn doch, dann wirkt dieses nicht authentisch. Hier fehlt ihm definitiv ein Charismafaktor und ein tiefergehendes Coaching wäre nötig“, sagt Braun. Dennoch sei Nehammer bei Interviews am Tisch sitzend extrem stark.

Karl Nehammer ©APA

Der Spitzenkandidat der ÖVP wisse auch in Diskussionen zu punkten, hier könne er in einer starken, erhobenen Alphahaltung dastehen und seine Punkte durchbringen. „Da er nur schlecht emotionalisieren kann, ist er am schwächsten in der Wahlrede“, erklärt Braun. „Wenn er sich ärgert, fängt Nehammer außerdem an, diese symmetrischen Handbewegungen zu machen, damit geht er in die Defensive. Und wenn ihm eine Frage unangenehm wird, macht er Meta-Kommunikation, zeigt Gefährlichkeit und Dominanz.“

Zusammengefasst: Nehammer punktet bei Interviews als auch bei Diskussionen. Durch seine starke Alphahaltung und seine Körperspannung hat er eine dominante Wirkung. Das Fehlen von Emotionen senkt allerdings seinen Charismafaktor. Das schlechte Emotionalisieren schwächt ihn auch in seinen
Wahlreden.

Auf der Lauer – Herbert Kickl, FPÖ

“Kickl wartet, nein er lauert nur auf die Gelegenheit im Gespräch auf die Meta-Ebene zu gehen“, analysiert der Experte. Denn der FPÖ-Spitzenkandidat habe zum Beispiel nicht die Körpermasse von Nehammer, aber er arbeite auch viel mehr mit seiner Mimik. Das leichte Nach-oben-Ziehen der Unterlider sei eine der aggressivsten Mimiken, die man haben könne. „Im Gegensatz zu Nehammer wartet Kickl in Interviews nur darauf, aggressiv auf die Meta-Ebene zu gehen, also das ganze Setting in Frage zu stellen. Nehammer reagiert hier eher reaktiv“.

Herbert Kickl ©APA

Der FPÖ-Politiker ist gleichermaßen sehr gut in allen drei Kontexten, denn er kann im Bierzelt am Podium lange reden und die Leute mitreißen. Kickl ist auch in Interviews sehr gut und ebenso in Diskussionen bewährt er sich, auch wenn ihn beispielsweise alle anderen anfeinden, wie in der Elefantenrunde zuletzt“, sagt Braun.

Zusammengefasst: Kickl bewährt sich sowohl bei Wahlreden, Interviews als auch Disskussionsrunden mit anderen Politikern, auch wenn diese gegen ihn reden. Er wartet darauf, in Gesprächen auf die Meta-Ebene gehen zu können und weist eine aggressive Mimik auf.

Süß wie ein Teddybär - Werner Kogler, Die Grünen

Beim Spitzenkandidaten der Grünen verortet Dr. Braun ungefähr die gleiche Performance in allen drei Bereichen. „Bei Interviews merkt man am stärksten, dass Herr Kogler keine Meta-Kommunikation macht. Wenn ihm eine Frage nicht passt, macht er etwas anderes: Er fängt mit seinen unendlichen Schachtelsätzen an, bis wirklich alle vergessen haben, worum es eigentlich gegangen ist. Das macht sein Statement nur noch länger und nimmt wohl jedem Interviewer die Hoffnung, eine Antwort auf die eigentliche Frage zu bekommen“, lacht Braun. Das mache allerdings auch einen intellektuellen Eindruck, was bei seiner Wählerschaft gut ankomme.

Werner Kogler ©APA

Bei Diskussionen sei er etwas schwächer, habe aber zuletzt in der Elefantenrunde sehr erfolgreich ein Crescendo gemacht und daraufhin viel Applaus geerntet. „Kogler hat viel Erfahrung und ein gutes Niveau bei den Wahlkampfreden, hier präsentiert er sich als netter Teddybär“, hält Braun fest. Fraglich sei nur, ob das so mit den Grünen zusammenpasse, die ja oft sehr scharf und aversiv auftreten würden.

Zusammengefasst: Koglers Perfomance ist auf einem hohen Niveau sowohl bei Wahlreden, Interviews als auch Diskussionsrunden, er ist erfahren und wirkt intellektuell in seiner Rhetorik. Bei Diskussionen ist er etwas schwächer als bei Wahlreden, kann aber auch hier immer wieder punkten, zuletzt etwa rhetorisch bei der Elefantenrunde.

Von liebevoll bis ernst - Beate Meinl-Reisinger, NEOS

Bei der NEOS-Chefin verortet Dr. Braun den höchsten Wert der Emodiversity von allen Spitzenkandidaten – sprich, sie zeigt sich innerhalb kürzester Zeit beispielsweise sehr lustig, liebevoll, freundlich und empathisch, kann aber in Sekundenschnelle das Lächeln aus dem Gesicht verschwinden lassen und ernst oder gar böse wirken. „Frau Meinl-Reisinger hat von allen die meiste körperliche Dynamik, sie macht ganz natürlich asymmetrische Handbewegungen, was gut ist, und bewegt auch den ganzen Körper“. Sie könne situationsbezogen ganz rasch reagieren, das sei echt und stark und mache sie interessant.

Beate Meinl-Reisinger ©APA

Sie wolle konkret rüberkommen, etwas ändern und verwende daher auch oft Zahlen. Hier müsste sie allerdings mehr den Nutzen für die Wähler hervorheben. In der Rhetorik greife sie schließlich ebenfalls auf die gute alte Meta-Kommunikation zurück. Beim Sprechen sei sie meist sehr laut und schnell unterwegs. „Hier könnte Frau Meinl-Reisinger dramaturgisch mit der Lautstärke spielen und eine größere Bandbreite abdecken“, rät Braun ihr als Tipp.

Zusammengefasst: Meinl-Reisinger schafft es, sich auf die Situation einzustellen und dabei echt und authentisch zu wirken, das hat eine starke Wirkung. Sie weist die größte körperliche Dynamik und die meiste Emodiversity unter allen Spitzenkandidaten auf. Sie verwendet ebenfalls sehr gut Meta-Kommunikation, könnte aber in ihrer Lautstärke mehr variieren und den konkreten Nutzen für ihre Wähler besser hervorheben.

Lampenfieber abseits der Bühne – Dominik Wlazny, Bierpartei

„Das Besondere an dieser Wahl ist ein Populismusruck. Und die Bierpartei, denn bei Wlazny ist nichts da und das macht er auch zum Inhalt. Das ist neu“, klärt Braun auf. Wlazny meide mittlerweile auch Interview- und Diskussionssituationen, weil er, ähnlich wie Babler, bei diesen verliere. Der Chef der Bierpartei betreibe keine Meta-Kommunikation, stocke und mache lange Pausen. Auch seine Körpersprache, etwa seine Hände, sind hier in einer defensiven Haltung.

Dominik Wlazny ©APA

„Er ist eben ein Rockmusiker und die Bühnensituation gewohnt – hier muss er sich nicht anstrengen, ein paar eingelernte Sätze sagen, könne sich bürgernah geben und Bier verteilen. Das ist in mehrfacher Hinsicht sehr geschickt und ökonomisch im Umgang mit seiner Energie“, beobachtet Braun weiter. „Interviews und Diskussionen zu meiden ist der zweitbeste Weg. Ich würde ihm empfehlen, einen anderen Weg zu finden, um auch in Interviews und Diskussionen authentisch zu sein und beginnen die Meta-Kommunikation für sich zu nutzen“, empfiehlt Braun als Tipp dem Bierpartei-Gründer.

Zusammengefasst: Wlazny punktet vor allem bei der Wahlrede, da er diese Situation bereits von der Bühne als Musiker kennt. Bei Interviews und Diskussionen hingegen verliert er, weshalb er diese mittlerweile auch meidet. Rhetorisch stockt er immer wieder und macht lange Pausen, was ihm nicht guttut. Seine Hände schwitzen und auch in der Haltung sind diese hier in der Defensive.

Über Dr. Braun & Politik

Dr. Roman Braun – Gründer und Trainer bei Trinergy-NLP – arbeitet mit Spitzenpolitiker:innen zusammen. Mit seiner langjährigen Expertise in den Bereichen der verbalen und nonverbalen Kommunikation bereitet er diese als Rhetorik-Trainer, Mental-Coach und Berater auf die vielfältigen
Aufgaben der Politik vor.

(VOL.AT)

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