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Aufs Volk wird gepfiffen

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. Als Anhänger der direkten Demokratie machen sich Kurz und Strache gerade unglaubwürdig. Was ein Stück weit schon sehr überraschend ist.

Allmählich wird klar, was Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) unter „Ausbau der direkten Demokratie“ verstehen: Das Volk soll dann gefragt werden, wenn’s den beiden passt. Beim Rauchverbot ist das nicht der Fall gewesen; die Aufhebung ist auch so beschlossen worden. Bei CETA ist es auch nicht dazu gekommen; das Handelsabkommen mit Kanada ist ohne Volksabstimmung fixiert worden, obwohl Strache im Wahlkampf ausdrücklich eine „verbindliche“ dazu angekündigt hatte. Doch was tut man nicht alles, um den kleinen Mann, die kleine Frau zu gewinnen? Zuerst etwas versprechen und dann darauf vergessen, beispielsweise.

Die Regierungsspitze bringt damit ein fragwürdiges Demokratieverständnis zum Ausdruck: Sie will nur in Ausnahmefällen mitreden lassen. Kontrolliert also. Wie weit das geht, hat man dieser Tage bei der Arbeitszeitflexibilisierung gesehen.

Größere Reformvorhaben werden üblicherweise einer Begutachtung unterzogen. Wer sich auskennt und daran interessiert ist, bekommt so die Möglichkeit, einen Kommentar abzugeben und allenfalls auch Änderungsvorschläge einzubringen. Die zuständigen Minister können, müssen sie aber nicht berücksichtigen. Genauso, wie sich die entscheidenden Abgeordneten nicht daran halten müssen. Es ist nur Ausdruck gelebter Demokratie, viele Menschen zu Wort kommen zu lassen und zumindest so zu tun, als gebe es einen Meinungsbildungsprozess.

Bei der Arbeitszeit wurde nicht einmal dieser Anschein gewahrt. ÖVP und FPÖ haben ihre Reform eilig beschlossen, ohne Begutachtungsverfahren, ohne Debatte. Was das ist, muss man klar und deutlich sagen: Eine Vorgangsweise, die gegen das Volk gerichtet ist.

Wobei das ein Stück weit schon sehr überraschend ist: Auch rot-schwarze Koalitionen haben in der Vergangenheit keine Demokratiepflege betrieben und das eine oder andere Vorhaben möglichst schnell fixiert. SPÖ und ÖVP sind aber so unterschiedlich (gewesen), dass das zwar nicht besser, aber ein Stück weit nachvollziehbar war: Auf der einen oder anderen Seite gab es immer irgendwelche Kritiker, die so vor vollendete Tatsachen gestellt werden konnten.

Bei Schwarz-Blau wäre das anders: ÖVP und FPÖ sind einander viel ähnlicher. Ihre Wirtschaftsprogramme sind beispielsweise weitestgehend deckungsleich. Zudem verfügen die beiden über eine sichere Mehrheit auf parlamentarischer Ebene. Vor diesem Hintergrund könnten sie sich locker ein bisschen Debatte leisten und ein offenes Ohr gegenüber der ganzen Breite des Volkes haben: Einander können sie kaum wehtun; und gemeinsam können sie letzten Endes ohnehin immer beschließen, was sie wollen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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