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Aufs Impfen vergessen

©APA/dpa/Julian Stratenschulte
Gastkommentar von Johannes Huber. Das Versagen der Coronapolitik rächt sich: Kaum noch jemand lässt sich impfen. Im Hinblick auf den Herbst wäre das jedoch nötig.

„Wir bereiten uns JETZT auf den Herbst vor“, schrieb Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) diese Woche in einem ziemlich emotionalen Beitrag auf Twitter, um in weiterer Folge festzustellen, dass er von den einen als „fahrlässiger Durchseucher“ und von den anderen als „Zwangsvollstrecker sinnloser Maßnahmen“ bezeichnet werde. Sprich: Er meint, es niemandem recht machen zu können, betont aber, die Verantwortung dafür zu tragen, was er tut. Immerhin.

Coronamäßig zeichnet sich ein übler Herbst ab. Und das liegt eher an den bisherigen Gesundheitsministern, weiteren Regierungsmitgliedern sowie den meisten Landeshauptleuten als an Johannes Rauch. Erstens: Der Umgang mit Beschränkungen hat längst dazu geführt, dass kaum noch jemand darauf achtet, was gilt. Es ist ja wirklich fast schon eine Zumutung, sich auf dem Laufenden zu halten. Zu oft wird die Maskenpflicht ausgeweitet und wieder zurückgenommen. Schlimmer: Es gibt Bereiche, wie die Schule, in denen nach eigenen Regeln vorgegangen wird. Dass Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) ganz schön kritisiert wird dafür, ist kein Trost. Eine Folge dieser unkoordinierten Hü-Hott-Politik ist, dass es schwer bis unmöglich wird, eine Masse im Falle des Falles dazu zu bringen, verschärfte Regeln zu beachten; geschweige denn Empfehlungen wie jene zu berücksichtigen, auf gesellige Runden zu verzichten.

Zweitens: Impfen ist in Vergessenheit geraten. Pro Tag lässt sich durchschnittlich nur noch 0,001 Prozent der Gesamtbevölkerung erstimpfen. Bis zum Ziel, auf zumindest 80 Prozent zu kommen, vergehen Jahre, wenn das so weitergeht. Dabei würde es jetzt darauf ankommen: Wer sich heute zum ersten Mal schützen lässt, ist nach zweiter und dritter Dosis bis zum Herbst bestmöglich immunisiert. Dann damit anzufangen, wäre zu spät.

Viel mehr als eine Wohlfühlkampagne zum Impfen hat die Bundesregierung jedoch nicht auf Lager. Das ist bemerkenswert: Schon aus der Vergangenheit müsste sie wissen, dass derlei vollkommen wirkungslos ist. Im Zuge des Beschlusses der kontraproduktiven Impfpflicht hat sie zudem selbst erkannt, dass motivierende Maßnahmen notwendig wären. Gut, die Lotterie war nicht die beste aller Ideen. Es würde jedoch weitere Möglichkeiten geben. Ein verpflichtendes Arztgespräch zur Impfung hätte vielleicht mehr gebracht. Wer weiß. Man hätte es zumindest versuchen können. Aber gar nichts unternehmen? Das ist schon ein bisschen heftig.

Gefordert wäre vor allem, aber bei weitem nicht nur, der Gesundheitsminister. Der Kanzler, hat sich aus der Coronapolitik verabschiedet. Die Landeshauptleute sind – mit Ausnahme von Michael Ludwig (ÖVP) – nur dann laut, wenn ihnen Beschränkungen zu weit gehen. Dabei hätten gerade sie etwas gutzumachen: Sie waren es, die für die Impfpflicht gesorgt haben, die sehr viele Menschen nur dazu gebracht hat, sich erst recht nicht impfen zu lassen; durch die also größerer Schaden angerichtet worden ist.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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