AA

Aufarbeitung der Corona-Pandemie: Regierung räumt Fehler ein

Die Regierung schließt Aufarbeitung der Corona-Pandemie ab.
Die Regierung schließt Aufarbeitung der Corona-Pandemie ab. ©APA/EVA MANHART
Die Regierung hat ihre Untersuchung der Corona-Pandemie abgeschlossen. Am Donnerstag gab Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) vor Journalisten zu, dass Fehler gemacht wurden.
Personalengpässe an Schulen durch Coronawelle
Rauch mahnt zur Vorsicht um Weihnachten

Das Projekt zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie, das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) geleitet wurde und sowohl Studien als auch einen Dialogprozess mit der Bevölkerung umfasste, hat zu verschiedenen Maßnahmen geführt. Eine davon ist die strukturierte Einführung von Krisenkommunikation. Es wurden auch Empfehlungen für Wissenschaft, Medien und Bevölkerung abgeleitet.

Nehammer zu Corona-Pandemie: Würden heute vieles anders machen

Bei einer Pressekonferenz erklärte Nehammer, dass in der Studie festgestellt wurde, was gut gelaufen ist und wo Fehler gemacht wurden. Jetzt sei es wichtig, diese Fehler zu analysieren und zukünftig zu vermeiden. "Mit dem Wissen von heute würden wir vieles anders machen", betonte der Kanzler. Zu Beginn der Pandemie habe man nicht über das Wissen verfügt, das heute vorhanden ist - "Wir hatten damals keine Glaskugel." Zudem seien Regierungsbeschlüsse schnell veraltet gewesen, da das Virus "einen Schritt voraus" war.

Es war richtig, alles zu tun, um Menschenleben zu retten und zu verhindern, dass Krankenhäuser und Intensivstationen überlastet werden, erklärte Nehammer. Politikerinnen und Politiker hätten jedoch ihre Worte sorgfältiger wählen müssen, wenn sie sich an die Öffentlichkeit wenden. Es ist wichtig, dass die Maßnahmen transparent und nachvollziehbar begründet werden. Es wurde jedoch nicht ausreichend erklärt, warum eine Impfpflicht notwendig ist, obwohl zuvor gesagt wurde, dass es keine solche geben würde.

Nach Aufarbeitung der Corona-Pandemie: Empfehlungen auch für Wissenschaft, Medien und Bevölkerung

Auch der Soziologe Alexander Bogner von der ÖAW betonte, dass politische Zielkonflikte offen ausgetragen werden sollten, wenn es um die Impfpflicht geht. Eine Rhetorik, die behauptet, es gäbe keine Alternative, hätte zu einer Verhärtung der Fronten beigetragen. In einer akuten Krise könne ein gesellschaftlicher Konsens nicht dauerhaft aufrechterhalten werden, so Bogner. Ab Herbst 202 entwickelte sich die Pandemie zu einer chronischen Krise, in der die Solidarität nachließ und Skepsis gegenüber der Wissenschaft sowie Polarisierung zunahmen. Bogner empfahl, die Krise aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und nicht nur die virologische Perspektive einzunehmen, um politische Handlungsmöglichkeiten nicht einzuschränken. Darüber hinaus sei es wichtig, klare Grenzen zwischen Politik, Wissenschaft und Medien zu ziehen, um das Vertrauen nicht zu verlieren.

Die Regierung hat aufgrund der Studie den Schluss gezogen, dass die Resilienz in Krisenzeiten gesteigert werden muss. In diesem Zusammenhang wies Nehammer auf das bereits im Sommer verabschiedete Bundeskrisensicherheitsgesetz hin, das die Einrichtung eines Bundes-Krisensicherheitskabinetts vorsieht. Es soll zudem ein Konzept für die Krisenkommunikation entwickelt werden, das regelmäßig und unabhängig von Krisen durchgeführt wird. Darüber hinaus plant die Regierung Maßnahmen gegen Wissenschaftsskepsis zu ergreifen. Diese ist in allen Bevölkerungsschichten verbreitet und es sollen nun Initiativen gestartet werden, um vor allem junge Menschen anzusprechen, erklärte Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP).

Um den Bereich Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe attraktiver zu machen, wurden bereits Maßnahmen ergriffen. Das bestehende Dokumentations- und Informationssystem für Analysen im Gesundheitswesen wird zu einer umfassenden behördlichen Datenauswertungsplattform weiterentwickelt, um die Entscheidungsfindung zu stärken. Sowohl der Bund, die Länder, die Sozialversicherungsträger als auch die Forschung sollen Zugang zu den Gesundheitsdaten erhalten. Der Ministerrat hat die Schlussfolgerungen aus der Studie heute beschlossen. Das neue Epidemiegesetz befindet sich ebenfalls in den letzten Phasen der Fertigstellung, wie Katharina Reich, die Generaldirektorin für Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, erklärte.

Empfehlungen zielen darauf ab, dass Politik ihre Entscheidungen nachvollziehbar begründet, verständlich kommuniziert und ihre Entscheidungs- und Beratungsgremien fachlich vielfältig besetzt. Wissenschaft, Medien und Bevölkerung werden ebenfalls angesprochen. Das Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit und Grenzen wissenschaftlicher Forschung und Lehre zu kommunizieren und das Verständnis dafür bereits in Schulen zu fördern. Von den Medien wird erwartet, dass sie Vertrauen schaffen, positiv denken und den Dialog als Prinzip fördern. Darüber hinaus sollen Transparenz und Glaubwürdigkeit gesteigert werden. Konstruktiver Journalismus sollte "handlungs- und lösungsorientiert sein und nicht nur Extreme darstellen und Ängste schüren", so eine Mitteilung. Die Bevölkerung sollte schließlich offen und respektvoll miteinander umgehen und miteinander statt übereinander sprechen.

Auswertungen Umfragen und Interviews zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie

Laut Bogner wurde in einem Projekt, das in zwei Teile untergliedert war, der gesellschaftliche Umgang mit der Pandemie untersucht. Die Gesamtkosten betrugen 934.000 Euro. Der erste Teil beinhaltete eine sozialwissenschaftliche Untersuchung der Kernaspekte, während der zweite Teil aus einem österreichweiten Dialogprozess bestand. Im Rahmen dieses Prozesses wurden vom Bundeskanzleramt eine Reihe von eintägigen Veranstaltungen in allen Bundesländern durchgeführt, an denen insgesamt 319 Personen teilnahmen. Die sozialwissenschaftliche Studie verwendete qualitative und quantitative Methoden, wie Bogner in einem Gespräch mit Journalisten erklärte. Dabei wurden statistische Auswertungen, repräsentative Umfragen und strukturierte Interviews durchgeführt. Der Soziologe betonte, dass die Samplingstrategie des Projekts originell war, da er vor einigen Monaten viele Zuschriften erhalten hatte, von denen viele kritisch waren und sogar Hassbotschaften enthielten.

Bogner reagierte auf die Absender und bat um ein Treffen. Er berichtete, dass eine Vielzahl von Personen die Einladung angenommen hätten. Die Treffen fanden in den Räumlichkeiten der ÖAW statt. Bogner bemerkte jedoch keine Veränderung in der Haltung der betreffenden Personen. Viele waren jedoch zufrieden damit, dass sie ernst genommen wurden. Die Studie ergab, dass das gemeinsame Auftreten von Wissenschaft und Politik oft kritisch betrachtet wurde. Einige hatten offenbar den Eindruck, dass die Politik von Experten "kontrolliert" wurde. Der Sozialwissenschaftler schließt daraus, dass in der Pandemie möglicherweise Aspekte übersehen wurden - zum Beispiel der Umstand, dass es sich nicht nur um eine gesundheitliche Krise, sondern um eine Krise der gesamten Gesellschaft handelt. Es wäre auch möglich gewesen, Historiker, die sich mit der Spanischen Grippe beschäftigt haben, verstärkt einzubeziehen. Laut Bogner war die Impfpflicht der Auslöser für eine stark polarisierende Debatte. Diese lässt sich mit drei Schlagworten zusammenfassen: Geheimabsprachen, Abgrenzung und moralische Überlegenheit. Die Entscheidung wurde ohne ausgiebige vorherige Diskussion verkündet und mit sachlichen Zwängen begründet. Kritische Personen wurden zudem mit moralischen Argumenten konfrontiert.

Reaktionen auf Aufarbeitung der Corona-Pandemie der Regierung

Wenig angetan von der Präsentation zeigte sich naturgemäß FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der diese als "inszenierte Weißwaschung" sowie als Ergebnis eines "Verhöhnungsprozesses" der Bundesregierung bezeichnete. Diese habe den "Corona-Wahnsinn" - etwa Lockdowns, Impf- und Maskenpflicht - selbst verursacht. Er forderte Aufarbeitung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung und führte den Corona-Fonds in Niederösterreich, wo die FPÖ mitregiert, als Positivbeispiel an.

Die Volkshilfe wies in einer Reaktion darauf hin, dass die negativen Folgen der Pandemie für armutsbetroffene Kinder noch andauern. Eine Umfrage im Sommer hätte dramatische Ergebnisse zutage gefördert: "Wenn 56 Prozent unserer Befragten im heurigen Sommer sagten, sie hätten eine 'bessere finanzielle Absicherung der Kinder' gebraucht, um besser durch die Pandemie zu kommen, dann spricht das eine sehr deutliche Sprache", meinte Volkshilfe-Präsident Ewald Sacher, der für armutsfeste soziale Sicherheitsnetze plädierte.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • Aufarbeitung der Corona-Pandemie: Regierung räumt Fehler ein
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.