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"Auf Gewalt und Hass darf nie Gewalt folgen"

In den Herzen seiner Familie und Freunde lebt Michael Perauer weiter – hier in seiner geliebten Werkstatt, einem Ort der Begegnung.
In den Herzen seiner Familie und Freunde lebt Michael Perauer weiter – hier in seiner geliebten Werkstatt, einem Ort der Begegnung. ©Sams
"Zeichen für Zusammenhalt": Kurz vor seinem zweiten Todestag sammelt Familie Perauer aus Bregenz Spenden für eine Skulptur in Gedenken an ihren Sohn Michael, der in Innsbruck Opfer eines schrecklichen Gewaltverbrechens wurde.

Von Joachim Mangard (WANN & WO)

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Michael „Perry“ Perauer muss ein einzigartiger Mensch gewesen sein. Das wird einem spätestens dann klar, wenn man die kleine Hütte, unweit seines Elternhauses in der Bregenzer Weidachstraße betritt. In diesem Raum traf sich der damals 21­-Jährige gerne mit Freunden. Und auch heute ist der auf unzähligen Fotos sympathisch lächelnde junge Mann immer noch präsent. Zahlreiche Details erinnern an den lebensfrohen und gutmütigen Jungen, der viel zu früh sein Leben lassen musste. Seine Freunde kommen immer noch gerne hierher, um gemeinsam über ihren Alltag zu sprechen. Die kleine Werkstatt war und ist jetzt vielleicht noch mehr zum echten Ort der Begegnung und des gelebten Miteinanders geworden.

Hier trifft WANN & WO Familie Perauer, die knapp zwei Jahre nach der schrecklichen Gewalttat an ihrem Sohn und Bruder nun ein weiteres Zeichen für Zusamhalt und Solidarität setzen will. Und zwar genau unweit jenes Ortes, an dem das Lebenslicht von „Perry“, wie ihn seine Freunde nannten, in Innsbruck am 25. November 2018 erlosch. Ein 25­-jähriger Afghane, der im Anschluss aufgrund schwerer Schizophrenie für schuldunfähig erklärt wurde, tötete den jungen Bregenzer, der gemeinsam mit Freunden einen Geburtstag in der Bogenmeile feierte mit einem Halsstich.

Trotz dieses größtmöglichen und schwer verkraftbaren Verlustes haben sich Vater Wolfgang, Mutter Theresia und Schwester Lisa entschieden, ihrer Zorn und Schmerz in etwas Positives zu verwandeln. „Natürlich war es für uns am Anfang schwierig. Im ersten Moment ist da nur Leere und das Gefühl unendlicher Hilflosigkeit. Darauf folgte blanker Hass auf den Täter, und später auf die haltlosen Anschuldigen von Seiten einiger Medien, die den tragischen Tod unseres Jungen ins Licht eines gescheiterten Drogengeschäfts rücken wollten. Jeder, der den Michl gekannt hat, weiß, dass unser Sohn keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Ganz im Gegenteil, er war für sein großes Herz und seine Liebe zu seinen Freunden und Mitmenschen bekannt, unabhängig welcher Herkunft“, erzählt der Vater. Dem beipflichten kann auch Lisa, die inzwischen 20­jährige Schwester: „Michael hatte einen sehr ruhigen und besonnenen Charakter. Mehr noch, wenn es mal zu Reibereien kam, ging mein Bruder dazwischen und schlichtete. Das war einfach seine Art.“ Auf die Frage, ob sich gerade in Bezug auf Ängste, auch im Nachtleben, etwas für sie geändert hat, folgt die Antwort: „Ich gehe nicht mit Vorurteilen oder voreingenommen aus dem Haus. Das liegt aber auch am enormen Zuspruch, den wir aus unserem Freundeskreis erfahren haben. Das war vorher schon so und hat sich mit dem Tod meines Bruders nur weiter verstärkt. Umso wichtiger ist es, dass sein Verlust nicht umsonst war. Auf Gewalt und Hass darf nie Gewalt folgen. Genau nach diesem Grundsatz hat auch Michael gelebt und gehandelt.“

Welle der Solidarität

Auf „Perrys“ Tod folgte vielleicht auch gerade deswegen eine riesige Welle der Solidarität, der schließlich in einem Trauermarsch mit rund 800 Teilnehmern am Bregenzer Hafen mündete. „Die positive Energie, die wir damals erlebt haben, zeigten uns einen weg mit dem schrecklichen Verlust umzugehen. Und dass Michael nicht umsonst gestorben war, nein, nicht umsonst sterben durfte. Die 800 Umarmungen von damals, in heutigen Corona­Zeiten undenkbar, und das menschliche Mitgefühl, das uns dort zuteil wurde, haben den Hass in Liebe verwandelt“, führt der Familienvater fort. Diese Liebe soll sich nun in Form einer Skulptur vor der Dreiheiligenkirche manifestieren, einen Steinwurf vom für Familie Perauer schicksalsträchtigen Ort entfernt.

"Wut und Trauer in Mitgefühl verwandeln"

„Wir haben uns von Anfang an von der Hetze und der Instrumentaliserung des Todes unseres Kindes klar distanziert. Es war schockierend, wie sich Menschen aufgrund der schrecklichen Tat erneut auf Flüchtlinge eingeschossen haben. Wenn es Menschen wie uns, die den größtmöglichen Verlust zu verkraften haben, gelingt, unsere anfängliche Wut und Trauer in Liebe und Mitgefühl zu verwandeln, soll dies all jenen zu denken geben, die blinden und unreflektierten Hass in die Welt hinaus lassen“, gewährt Michaels Mama Theresia einen Einblick in ihre Gedanken. Nun gilt es, dieser Idee in Form einer Skulptur in Gedenken an Michael Ausdruck zu verleihen. Der Lustenauer Künstler Udo Rabensteiner kam auf die Perauers zu und arbeitete gemeinsam einen Entwurf aus, der diesen Zusammenhalt künstlerisch umsetzt. „Wir wollen ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt setzen, in Gedenken an all die Opfer und deren trauernden Familien – speziell für unseren Sohn und an den Jugendlichen aus Lustenau, der in Imst sein Leben lassen musste. Eine Hand kann Liebe weiterreichen, aber auch Gewalt ausüben“, erklärt Theresia den Antrieb für die Ausarbeitung. Sowohl von der Stadt Innsbruck als auch der Diozöse folgten positive Signale, einzig an der Finanzierung hapert es. Deshalb wendet sich Familie Perauer auch in dieser Form an alle WANN & WO­Leser, dieses Symbol des gemeinsamen Miteinanders in Gedenken an ihren Sohn auch finanziell zu unterstützen (Spendenaufruf unten).

Spendenaufruf für die Gedenkstätte in Innsbruck
Für das Mahnmal gegen Gewalt in Gedenken an ihren Sohn sammelt Familie Perauer Spenden, um die Produktion der Skulptur zu finanzieren. Das von Künstler Udo Rabensteiner realisierte Werk wird unweit des Ortes realisiert, an dem der junge Bregenzer sein Leben lassen musste.

Spendeninfo: Theresia Perauer, Gedenkstätte Michael Perauer, IBAN: AT38 5800 0102 9585 9127, BIC: HYPVAT2B.

(WANN & WO)

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