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Assistierter Suizid in Vorarlberg: "Es nimmt einen emotional mit"

Mag. Pharm. Christina Nettinger im Gespräch mit VOL.AT.
Mag. Pharm. Christina Nettinger im Gespräch mit VOL.AT. ©VOL.AT/Meusburger
Mag. Pharm. Christina Nettinger arbeitet in der Apotheke im Messepark und setzt sich aktiv für die Aufklärung über den assistierten Suizid ein. Im VOL.AT-Interview spricht sie über ihre Erfahrungen, die ethischen Herausforderungen und die Verantwortung, die sie in ihrer Rolle trägt.

Seit Jänner 2022 ist es in Österreich gesetzlich erlaubt, eine Sterbeverfügung zu errichten. Den Weg des assistierten Suizids haben in Vorarlberg mit Stand August 2024 bisher 18 Menschen gewählt.

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Die Pharmazeutin engagiert sich in Vorarlberg intensiv für die Aufklärung über den assistierten Suizid. "Ich habe aufgrund meiner Berufserfahrung festgestellt, dass es viele Menschen gibt, die schwer oder unheilbar krank sind und vor allem mit starken Schmerzen leben. Diese Menschen leiden sehr", erklärt sie. Als die Möglichkeit des assistierten Suizids 2022 in Österreich legalisiert wurde, habe sie sich daher gefreut, dass eine neue Option für diese Betroffenen geschaffen wurde.

Patient muss Präparat selbstständig zuführen können

Bei dem Wirkstoff, der beim assistierten Suizid zum Einsatz kommt, handelt es sich um eine Natrium-Pentobarbitallösung. "In einer Dosis von einem Gramm ist dieses Medikament bereits tödlich. Es kann als Trinklösung oder per Infusion verabreicht werden", so die Apothekerin. Wichtig sei dabei, dass der Patient die Entscheidung und Handlung selbstständig trifft. "Der Patient muss noch in der Lage sein, das Präparat selbstständig zu trinken oder im Fall einer intravenösen Verabreichung das Rad selbstständig aufzudrehen", betont Nettinger.

©handout/privat

"Es ist wichtig für mich, die Beweggründe zu verstehen"

Die meisten Patienten können aufgrund ihrer schweren Krankheit das Präparat allerdings nicht mehr selbstständig in der Apotheke abholen. Stellvertretend kann eine hilfeleistende Person die Lösung für den Patienten abholen - das können Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn sein. "Ich bin unmittelbar an einem nahen Tod beteiligt und spreche gerne mit den hilfeleistenden Menschen, die zu mir kommen und das Präparat für einen Patienten abholen. Es ist wichtig für mich, die Beweggründe zu verstehen, damit ich den gesamten Prozess nachvollziehen kann." Nettinger betont, dass der Prozess für sie nicht leicht ist, aber sie könne damit abschließen, wenn sie wisse, dass der Wunsch des Patienten respektiert wurde. "Für mich passt es dann, aber es ist kein leichtes Thema und nimmt einen emotional mit."

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Besonders großen Respekt zeigt Nettinger für die hilfeleistenden Personen, die den sterbewilligen Patienten unterstützen. "Diese Personen leisten großartige Arbeit. Sie sind entweder vor Ort, wenn der Patient das Präparat einnimmt, oder warten im Nebenzimmer, bis der Tod eingetreten ist." Danach müssen sie sich um das gesamte Procedere mit Polizei, Spurensicherung und Staatsanwaltschaft kümmern, da es sich bei einem assistierten Suizid um einen nicht natürlichen Tod handelt.

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Die Rolle der Patientenanwaltschaft

Mag. Alexander Wolf, Patientenanwalt in Vorarlberg, betont im Interview die Herausforderungen und größten Schwierigkeiten bei der Errichtung einer Sterbeverfügung. Diese liegt laut Wolf in der Durchführung der notwendigen ärztlichen Aufklärungen. "In Vorarlberg stehen nur wenige Ärzte zur Verfügung, die diese Aufklärungen durchführen können. Insbesondere gibt es offiziell nur einen Palliativmediziner, was unter Umständen zu Problemen führen kann," erklärt er.

Patientenanwalt Mag. Alexander Wolf.
Patientenanwalt Mag. Alexander Wolf.
©VN/Paulitsch

Begleitung und Beratung durch die Patientenanwaltschaft

Die Patientenanwaltschaft begleitet nicht nur die sterbewilligen Personen, sondern auch die hilfeleistenden Personen durch den gesamten Prozess. Diese Beratung schließt auch die aufklärenden Ärzte mit ein, insbesondere wenn es um rechtliche Fragen oder die Abgabe des Medikaments geht. Auch nach dem Vollzug des assistierten Suizids bleibt die Patientenanwaltschaft an der Seite der hilfeleistenden Personen, um sie weiter zu unterstützen.

Kooperation mit der Polizei

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Zusammenarbeit mit der Polizei. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen wird bei einem assistierten Suizid von einer unnatürlichen Todesursache ausgegangen, was eine Verständigung der Sicherheitsbehörden erfordert. Um belastende Situationen für die hilfeleistenden Personen zu vermeiden, hat die Patientenanwaltschaft in Vorarlberg in Zusammenarbeit mit der Landespolizeidirektion ein Procedere entwickelt, das vorsieht, die Polizei bereits im Vorfeld zu informieren. Wolf betont, dass die Polizei in diesen Fällen kooperativ und verständnisvoll reagiert, was in Zukunft helfen soll, unangenehme Situationen zu verhindern.

(VOL.AT)

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