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Arbeitslose FPÖ

©APA/HERBERT NEUBAUER
Gastkommentar von Johannes Huber. Die ÖVP beackert von Integrations- bis Europapolitik alle wesentlichen Themen. Kickl, Nepp und Co. könnten heimgehen.

Es ist nicht so, dass alles rund läuft in der türkisen Maschinerie. Sebastian Kurz, Gernot Blümel und Co haben schon auch Probleme. So haben sie zuletzt einen größeren Vertrauensverlust erlitten. Sie stehen jetzt weniger gut da bei der Bevölkerung. Das ist jedoch relativ, weit abgeschlagen auf den beiden letzten Plätzen des sogenannten Vertrauensindex, den das Meinungsforschungsinstitut OGM für die Nachrichtenagentur APA führt, liegen zwei Freiheitliche; und zwar noch hinter der glücklosen Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), wohlgemerkt – es sind dies FPÖ-Chef Norbert Hofer und Klubobmann Herbert Kickl.

Für den freiheitlichen Spitzenkandidaten bei der Wiener Gemeinderatswahl am 11. Oktober, Dominik Nepp, sind zuletzt keine Werte erhoben worden. Doch das dürfte zu seinem Vorteil sein: Was Hofer und Kickl zu schaffen macht, macht ihm noch viel mehr zu schaffen. Die Folgen der Ibiza-Affäre nämlich, die die beiden Ex-Landesparteichefs Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus zu verantworten haben. Sie hat die Partei führungslos gemacht; Nepp ist nach wie vor nur ein weithin unbekannter Träger von Funktionsbezeichnungen.

Andererseits: Ihm, aber auch Hofer und Kickl, kann es nicht gelingen, durchzustarten. Sie sind de facto arbeitslos: Ihre Themen werden von der neuen Volkspartei beackert. ÖVP-Wien-Wahl-Spitzenkandidat, Finanzminister Gernot Blümel hat fleißige Helfer, von Bundeskanzler Sebastian Kurz über Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bis Integrationsministerin Susanne Raab.

Beispiel 1: Das, was man in Österreich als „EU-kritische“ Politik bezeichnet, haben früher de facto allein die Freiheitlichen betrieben. Heute kümmern sich die Türkisen darum. Nepp mag nach dem jüngsten EU-Budgetpoker gewettert haben, dass Kurz und Blümel „zusätzliche Milliarden nach Brüssel verschachern würden“. Das wird jedoch überstrahlt von Zeitungstiteln, wonach sie in Wirklichkeit einen „Rabattsieg“ erzielt hätten. Und überhaupt: Kurz hat wochenlang getrommelt, dass man den Südeuropäern, die von der Coronakrise besonders betroffen sind, nicht zu viel Geld überweisen dürfe; sie seien in ihren Systemen kaputt. These: Gerade im Lager ehemaliger und noch vorhandener FPÖ-Anhänger hat er sich damit sehr viel Zustimmung verschafft.

Beispiel 2: Wien hat ein Integrationsproblem. Susanne Raab beschränkt sich aber darauf, so zu tun, als würde das ausschließlich mit einem Migrationshintergrund zusammenhängen. Oder Nationalratspräsident Sobotka, der von Muslimen ein Bekenntnis zur Verfassung verlangt. Raab täuscht bewusst darüber hinweg, dass Integration vor allem eine sozioökonomische Geschichte ist, die durchaus auch „Altösterreicher“ betreffen kann. Oder radikale Christen etc. Aber es geht Raab und Sobotka eben nicht um die Sache, sondern um FPÖ-Wähler: Sie sollen hier so sehr angesprochen werden, dass die Freiheitlichen zu ihrem einstigen Leibthema nicht mehr wahrgenommen werden. Was zumindest bisher sehr gut aufgeht aus türkiser Perspektive.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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