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Antisemitismus als Motiv soll in Anzeige verpflichtend erfasst werden

Deutsch fordert Erfassung bereits bei der Anzeige.
Deutsch fordert Erfassung bereits bei der Anzeige. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) reagiert mit einem Vorschlag auf die über die Jahre gestiegene Anzahl an judenfeindlichen Übergriffen.

Antisemitismus als Motiv für eine strafbare Handlung solle bereits bei der Aufnahme einer Anzeige durch die Polizei verpflichtend erfasst werden, regte Präsident Oskar Deutsch am Donnerstag in einer Aussendung an. Gelten solle dies auch für andere Beweggründe wie etwa Rassismus und Homophobie.

Deutsch: Polizisten zeigen sich kooperativ und empathisch

Deutsch ortet bezüglich seines Vorschlags bereits "große Bereitschaft im Innenministerium". Menschen, die wegen ihres Religionsbekenntnisses, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft angegriffen werden, müssten sich von allen staatlichen Instanzen ernst genommen und geschützt fühlen, bekräftigte er. Bei der überwiegenden Zahl der Anzeigeerstattungen zeigen sich Polizistinnen und Polizisten kooperativ und oft auch empathisch.

Indes veröffentlichte die Antisemitismus-Meldestelle einen Halbjahresbericht. Von 1. Jänner bis 30. Juni 2020 wurden insgesamt 257 antisemitische Vorfälle registriert und verifiziert. IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer nicht gemeldeter Vorfälle aus. Zudem, so Nägele, beleuchte die Statistik nur unmittelbare Erscheinungsformen von Judenfeindlichkeit, nicht aber den latenten Antisemitismus.

Schwankungen bei den gemeldeten Fällen

Lag der Monatsdurchschnitt im Jahr 2019 bei 45,8 Vorfällen, betrug er in der ersten Hälfte dieses Jahres 42,8. Festzustellen war ein Rückgang von 60 Meldungen im Jänner auf 23 im April und ein erneuter Anstieg auf 51 antisemitische Meldevorfälle im Juni. Für die Kultusgemeinde liegt ein Zusammenhang der Schwankungen mit dem Beginn der Corona-Pandemie nahe. Der Bericht ist auf www.antisemitismus-meldestelle.at aufrufbar.

Als "vielversprechend" bezeichnete IKG-Präsident Deutsch das neue digitale Meldeformular auf der Website: "Damit wollen wir dazu beitragen, Antisemitismus besser zu erfassen und sichtbar zu machen. Es ist die Grundlage, um in der Folge Strategien gegen Antisemitismus zu formulieren." Für Generalsekretär Nägele ist der Vertrauensschutz besonders wichtig. Jede Meldeperson werde kostenlos beraten und entscheidet selbst darüber, welche weiteren Schritte gesetzt werden.

Nehammer: Alle Anzeigen werden statistisch erfasst

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat nach dem Vorschlag der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Antisemitismus als Motiv für eine strafbare Handlung bereits bei der Anzeigen-Aufnahme verpflichtend zu erfassen, auf die "enge Kooperation" mit der IKG verwiesen. Bereits seit 1. November würden "alle Anzeigen von 'Hate Crime' unmittelbar bei Anzeigeerstattung statistisch erfasst", so der Minister. Zur Zahl der antisemitischen Vorfälle sagte er, es sei "noch viel zu tun".

Durch die statistische Erfassung der Anzeigen würde sich "ein permanent aktuelles Lagebild zu 'Hate Crime'-Delikten, wie etwa bei antisemitischen Handlungen" ergeben. "Jede Polizistin und jeder Polizist ist daher auf Antisemitismus entsprechend sensibilisiert", so Nehammer in einer Aussendung. "Dadurch werden strukturierte Ermittlungen - vor allem auch gegen Antisemitismus - und daran anknüpfend auch polizeiliche Maßnahmen ermöglicht."

Österreich habe im Kampf gegen Antisemitismus eine ganz besondere historische Verantwortung, "die vor allem durch die österreichische Polizei getragen wird", sagte Nehammer. Er verwies darauf, dass er bereits im Frühjahr den Auftrag erteilt habe, diesem Thema auch bei der Polizei-Grundausbildung "entsprechend Raum zu geben". Bildungsexperte Daniel Landau erarbeite derzeit ein Konzept, "um diese wichtige Aufgabe auch in der Polizeiausbildung nachhaltig zu verankern", sagte der Innenminister.

Die insgesamt 257 von der Antisemitismus-Meldestelle der IKG im ersten Halbjahr 2020 gemeldeten antisemitischen Vorfälle würden zeigen, "dass hier gesellschaftspolitisch noch viel zu tun ist". "Es muss jeder und jedem in Österreich klar sein, dass in unserer Gesellschaft keinen Platz für Antisemitismus ist und Österreich eine gewachsene und starke Demokratie ist", so Nehammer.

Vorfälle vermutlich wegen Lockdowns rückläufig

Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erklärte via Aussendung, die im Schnitt 43 Vorfälle pro Monat seien im Vergleich zum Vorjahr vermutlich aufgrund des Lockdowns im Frühjahr rückläufig. Dies sei aber absolut kein Grund zum "Zurücklehnen". "Im Gegenteil: Diese Zahl ist eine Handlungsaufforderung an uns alle. Denn 43 antisemitische Vorfälle pro Monat sind 43 zu viel", sagte sie.

Auch verwies sie auf ein am gestrigen Mittwoch im Ministerrat behandeltes Gesetzesvorhaben, mit dem die Israelitische Religionsgesellschaft in Österreich mit rund vier Millionen Euro jährlich unterstützt werden soll. Darüber hinaus werde die Regierung noch heuer eine nationale Strategie gegen Antisemitismus und für die Förderung jüdischen Lebens präsentieren.

(APA/Red)

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