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Anne Franks Tagebuch als Ballett

Bruna Andrade als Anne Frank begeisterte mit ihrer Performanz
Bruna Andrade als Anne Frank begeisterte mit ihrer Performanz
Die Erwartungen, aber auch die Befürchtungen waren groß vor der Premiere des Balletts "Anne Frank": Kann man "Das Tagebuch der Anne Frank", die berühmten Aufzeichnungen des jüdischen Mädchens im Amsterdamer Versteck, tanzen? Das Badische Staatstheater stellte dies am Samstagabend im Rahmen der Europäischen Kulturtage in Karlsruhe unter Beweis.


Das Thema könnte zu sentimentalen Szenen verleiten, und das Grauen der Konzentrationslager am Ende vermag man sich nur schwer als Ballett vorzustellen. Doch der junge brasilianische Tänzer und Choreograph Reginaldo Oliveira zeigt, wie man ein so schwieriges Thema überzeugend und anrührend angeht – mit Gefühl, aber ohne Kitsch. Sogar für die Hölle der Vernichtungslager findet er getanzte Bilder, die unter die Haut gehen.

Die Tochter eines jüdischen Bankiers schildert in dem Buch das Leben in einem Amsterdamer Hinterhaus, in dem sich ihre Familie und einige Freunde von 1942 bis 1944 vor dem Naziterror versteckten. Das Tagebuch in Form von Briefen an eine imaginäre Freundin Kitty ist eines der weltweit am meisten gelesenen Bücher. Viele Jugendliche sind durch das Buch wohl zum ersten Mal mit den Verbrechen der Nationalsozialisten konfrontiert worden. Es wurde millionenfach in Dutzenden Sprachen verlegt, verfilmt und für die Bühne aufbereitet.

Als Musik für das Ballett wählt Oliveira Stücke von Dmitri Schostakowitsch, Alfred Schnittke, Lera Auerbach und Max Richter. Alles großartige Kompositionen: Klavierstücke, Orchestermusik, Filmmusiken. Das reicht von sentimentalen Melodien über schmissige Tänze bis zu makabren musikalischen Wutausbrüchen.

Die Szenenfolge schildert die Emigration der Familie Frank in die scheinbar sicheren Niederlande, das zunächst unbeschwerte Leben im Exil, inklusive heiterem Strandleben. Dann folgt das beengte Dasein zu acht in einem winzigen Versteck in einem Amsterdamer Hinterhaus. Am Ende stehen der Verrat und der Tod im KZ. Auf einer zweiten Ebene erlebt das Publikum Anne Franks persönliche Entwicklung, Tagebuch schreiben als Überlebensstrategie, das Erwachsenwerden, die Pubertät.

Sebastian Hannak hat dazu ein Bühnenbild geschaffen, das das beengte Leben des Mädchens zeigt und gleichzeitig genug Platz für die immer wieder überraschenden choreografischen Einfälle Oliveiras lässt. Das Karlsruher Staatsballett von Direktorin Birgit Keil setzt das alles mit beeindruckender tänzerischer Perfektion und spürbarem emotionalen Engagement um.

Bruna Andrade als Anne Frank gelingt ein großer Abend – mit dem ebenfalls umjubelten Kammertänzer Flavio Salamanka als Kitty, der imaginären Adressatin von Anne Franks Tagebuch. Am Schluss: tosender Beifall.

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