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An der Kunst kleben geblieben

Dornbirn - Gottfried Bechtolds Wahlplakate sind bis 12. Oktober bei der Alten Naturschau in Dornbirn zu sehen.

VN:

In der künstlerischen Wahlwerbung sind Sie kein Neuling. 1995 haben Sie mit einer ähnlichen Aktion den Bregenzer Leutbühel bespielt. Was gab nun den Impuls, wieder in die „Politik“ zu gehen?

Bechtold: Als Künstler beschäftige ich mich mit dem, was mich umgibt. Das war mit meinem Beton-Porsche beispielsweise ja ähnlich. Und die Politik zählt einfach auch zum ganz alltäglichen Leben und so lag es für mich auf der Hand, dass ich mich damit auseinandersetze.

VN:

Politikverdrossenheit ist da ein Stichwort, das im Zusammenhang mit den Wahlen immer wieder fällt.

Bechtold: Man kennt das ja auch von den Gesprächen an diversen Stammtischen. Da ist die Politik gut vertreten. Meistens aber nur zu dem Zweck, sein „Wütchen“ auf die Politik abzukühlen. Darum geht es mir gar nicht. Ich möchte mit dieser Plakat-Aktion auf ein politisches Grundprinzip verweisen. Es ist eine ernsthafte Kunstaktion, die auch – so wie die Kunst meistens – eine ironische Seite hat.

VN:

Das Prinzip der Wahlplakat-Kunstaktion scheint simpel. Ein adretter Herr, ein Slogan, ein Plakat und regelmäßig wechselnde Parteizugehörigkeiten. So ist das Plakat also die letzte Reduktion eines größeren Gedankengebäudes?

Bechtold: Die Parteienlogos wechseln, das Gesicht – also der beworbene und werbende Mensch – bleibt derselbe. Nur der ideologische Inhalt wechselt. Im Prinzip befinden wir uns mit der aktuellen Politik wieder im Mittelalter. Die Demokratie hat sich selbst erhängt, die Halbwertszeiten der amtierenden Politiker werden immer kürzer und trotzdem braucht man im Mittelalter wie auch in Zeiten des Internets ein Gesicht, das man zeigen kann.

VN:

Ihr Slogan besagt, dass Sie „Unser Mann“ sind. Wofür stehen Sie?

Bechtold: In der Politik werden Dinge sehr schnell versprochen, an die sich dann später niemand erinnert wissen will. Deshalb gehe ich mit diesen Plakaten auch auf eine ganz elementare Formel zurück: „Unser Mann“, steht da und sagt damit das, was ich als Staatsbürger von den Politikern erwarte und verlange. Nämlich, dass sie mich dorthin bringen, wo ich auch hin will.

VN:

Das Plakat irritiert, es spielt mit den Wahrnehmungsgrenzen und Erwartungen. Ein Spiel, das Ihnen – erinnert man sich beispielsweise an die Beton-Porsche – zusagt?

Bechtold: Ist man ganz genau, dann steht dieses Projekt in der Tradition eines Marcel Duchamp, der ein Pissoir ins Museum stellt. Er nimmt einen alltäglichen Gegenstand und verschiebt die Wahrnehmungsebenen. Duchamps Pissoir war ein Pissoir, nur konnte man es nicht mehr benutzen. Mein Wahlplakat ist auch ein Wahlplakat. Nur kann man mich nicht wählen. VN: Aber man wird stutzig und sieht noch einmal genauer hin.

Bechtold: Genau das soll damit erreicht werden. Dass man genauer hinsieht, dass man aufmerksam wird. Die Kunst sehe ich als ein Mittel, zur umgebenden Realität einen Kontrast aufzubauen, der genau diese Realität so schärfer nachzeichnet.

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