„Am schönsten ist es, wenn Kinder die Wohngruppe als ihr Daheim bezeichnen“

Bregenz. Mit der Umwandlung der letzten vier noch bestehenden Familien des Kinderdorfs Kronhalde in Familiäre Wohngruppen ist das Modell „Kinderdorffamilie“ in Vorarlberg Geschichte. Bis Mitte der 80er Jahre war die stationäre Betreuung von Kindern in Kinderdorffamilien das einzige Angebot des Vorarlberger Kinderdorfs, das die Identität der Einrichtung maßgeblich prägte. Heute ist das Kinderdorf Kronhalde einer von sieben Fachbereichen des Vorarlberger Kinderdorfs, das als größte Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Vorarlberg jährlich über 4000 Kinder und deren Familien mit vielfältigen Angeboten unterstützt.
Kulturwandel
Laut Fachbereichsleiter Jürgen Schwendinger geht diese Veränderung mit einem Kulturwandel einher. „Die Wurzel des Kinderdorfs – die Kinderdorffamilie mit ihrer gewachsenen Struktur rund um die Kinderdorfmutter – hat sich zu einem größeren, von mehreren Säulen getragenen System entwickelt“, erklärt Schwendinger. „Die heutigen familiären Wohngruppen sind gut funktionierende, multiprofessionell besetzte Teams. Die Kinder können sich auf mehrere Bezugspersonen verlassen, die ihnen Beziehung, Zeit und Nähe geben. Wir arbeiten bindungsorientiert, das heißt, dass die Mitarbeitenden für die Kinder als reale Personen und nicht nur in ihrer Rolle als Sozialpädagog:innen spürbar sind.“
Kinder annehmen, wie sie sind
Kinder, die nicht mehr in ihrer Herkunftsfamilie leben können, benötigen zuallererst Schutz, Halt und eine vertrauensstiftende Umgebung, denn für alle Kinder bedeute die Fremdunterbringung eine große Kränkung. „Es ist wichtig, mit den Kindern immer wieder zu thematisieren, warum sie nicht bei ihren Eltern leben können und welche Erklärungen sie selbst dafür haben. So lernen die Kinder, ihre Gefühle einzuordnen und besser zu verstehen.“
„Intensiver, aber schöner Prozess“
Mit den beiden familiären Wohngruppen in Wolfurt betritt das Kinderdorf Kronhalde nach identen Angeboten in Lochau und Bregenz bereits bekanntes Terrain. Wohngruppenleiterin Anna Wehinger bezeichnet den Umzug von der Bregenzer Kronhalde ins Zentrum von Wolfurt als „intensiven, aber auch schönen Prozess“. Das Leben mitten in der Gemeinde bringe viel Positives mit sich, freut sich Wehinger. „Die Vernetzung nach außen fällt leicht und es ist schön zu beobachten, wie motiviert die Kinder und Jugendlichen Dorffeste, Märkte und Schulveranstaltungen besuchen.“ Auch mit der Nachbarschaft und ortsansässigen Vereinen steht man in regem Austausch. „Unsere Kinder haben schon einige Freundschaften knüpfen können.“
Positive Beziehungserfahrungen
Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit sind zentrale Werte, die den kleinen und größeren Bewohner:innen der Wohngruppen vermittelt werden sollen. „Wir hoffen, dass unsere Kinder später auf die positiven Erfahrungen, die sie bei uns machen, zurückgreifen und dadurch auch Widrigkeiten bewältigen können“, betont Jürgen Schwendinger. „Am schönsten ist, wenn die Kinder die Wohngruppe als ihr ‚Daheim‘ bezeichnen. Dann wissen wir, dass sie angekommen sind.“