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Alte Räume, neues Leben

Offen, herrlich unkompliziert und doch genaueste Arbeit
Offen, herrlich unkompliziert und doch genaueste Arbeit ©Darko Todorovic
Dornbirn. Einst Brauerei, dann Nahversorger, heute Wohnhaus. Das Haus in der Oberdorfer Kirchgasse in Dornbirn hat eine lange Geschichte. Mit wenigen Eingriffen hat Bernd Riegger den Bestand neu adaptiert und einen zeitgemäßen Wohnraum mit warmer Atmosphäre geschaffen.
Bilder: Interieure K5

Unweit der Oberdorfer Pfarrkirche zum heiligen Sebastian führt die Kirchgasse hinunter zu einer kleinen Kreuzung, die wohl zu den schönsten Flecken Dornbirns gehört. Hier grenzen Bauten unterschiedlichsten Alters aneinander. Was sie gemeinsam haben, ist ein Sinn für Proportion und angenehme Zurückhaltung. Das Gebäude mit der Nummer 5 steht markant an diesem Fleck. Seine Geschichte reicht ins 19. Jahrhundert zurück. Die seiner Nebengebäude steht in direkter Verbindung zur Entwicklung der Vorarlberger Textilindustrie mit dem Stammhaus der Firma F.M Hämmerle. Die Ästhetik des Oberdorfes mit seinen Unternehmervillen und stattlichen Häusern wurde in den letzten Jahren durch Wohnbauten unter anderem aus der gestalterischen Hand von Baumschlager Eberle wie Christian Lenz und Roland Gnaiger ergänzt. Es ist ein loses Stadtgefüge daraus entstanden – hochwertiger, auch verdichteter Wohnraum in dörflicher Atmosphäre.

Vor etwa zwei Jahren standen die Wohnungen im Haus in der Kirchgasse zum Verkauf. Vor allem die Erdgeschoßwohnung war einen zweiten Blick wert – für Käufer wie Verkäufer, denn die Gewölbe aus dem einstigen Brauhaus waren nicht leicht mit zeitgemäßen Wohnvorstellungen zu vereinbaren. „Für uns war klar, dass wir einen ansprechenden Wohnraum mit Charakter haben wollten, ausreichend Raum, zwei Kinderzimmer, ein bisschen Grünfläche, eine Garage.“ Auf den ersten Blick entsprach das Profil des Raumes diesen Wünschen nur bedingt. Was daraus geworden ist, ist mehr als sich mancher bei der ersten Besichtigung vermutlich hätte vorstellen können.

„Dabei haben wir so wenig wie möglich gemacht. Reizvoll an diesem Raum ist seine Geschichte, die Tatsache, dass jede Wand mindestens zehn Farbschichten trägt, die Wölbungen sich fast irrational im Licht zu ganz eigenen Formen verschieben. Das hat uns gefallen.“ Die Planungen für den Innenausbau wie auch die Bauleitung hat Bernd Riegger als Architekt selbst übernommen. „Für die Begutachtung haben wir uns jedoch Hilfe von einem Baumeister geholt.“ Alte Bausubstanz hat nicht nur Charme, sondern auch ihre Tücken. „Generell finde ich es schwierig, als Architekt für mich selbst und die eigene Familie zu planen. Man kennt so viel, hat so viele Ideen, die man ausprobieren könnte. Der gegebene Rahmen durch die gewachsene Struktur war eine angenehme Einschränkung. Die wichtigste Frage war eigentlich: Wie passt unser Leben da rein? Gleichzeitig sind wir in Vielem einem bewussten Pragmatismus gefolgt. Die Trennung eines Raumes in zwei Kinderzimmer und der Bau eines neues Fensters waren die gröbsten Eingriffe.“ Hier zeigte sich die Mauer widerständig. Grobe Flusssteine kamen zum Vorschein – ein kostenintensives Vorhaben. Ansonsten wurde nur der Boden erneuert. „Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Der Wert der Arbeit anderer und der Wert von Material ist uns wichtig. Wir haben den fast neuwertigen Boden daher sorgsam entfernt und einer weiteren Nutzung durch günstigen Verkauf zugeführt.“ Den Bauherren war vor allem Alltagstauglichkeit wichtig. „Man darf aber natürlich schon sehen, dass man über manche Sachen nachgedacht hat“, so Architekt Bernd Riegger. Dass Funktionalität durch sorgsame Materialwahl Atmosphäre erzeugen kann, davon zeugt diese Wohnung in jedem Detail. Der sägeraue Fußboden lädt zum Sitzen und Barfußgehen ein. Ein warmes Licht verirrt sich auch in kleinste Winkel, wobei die Wölbungen von Wand und Decke das Licht fein modulieren.

Der Grundriss der Wohnung wurde nur durch die Teilung eines Raumes verändert. „Wir haben uns genau überlegt, war wir als Familie brauchen, wie wir leben wollen.“ Das Kinderzimmer wurde mit einem Bettmöbel so gestaltet, dass Raum gespart wurde. Die Betten sind platzsparend übereinandergestapelt wie bei einem klassischen Stockbett – jedoch mit dem Zusatz einer „schalltechnischen“ Raumtrennung. Der Stauraum beider Zimmer ist ebenso im Trennmöbel integriert.

Zentral ist neben dem Wohnzimmer die offene Küche als meist genützter Raum. „Wir kochen viel und gern und möchten dabei weiter im Gespräch bleiben können.“ Der Einbau der Küche in die vorhandene Gewölbestruktur ist nicht nur ästhetisch gelungen, sondern erforderte auch eine pragmatische Haltung. „Wir haben z. B. den Kühlschrank am Boden stehen, er wäre sonst zu dominant im Gesamtgefüge geworden. Man soll die Dinge nicht wichtiger machen, als sie sind.“ Viel Zeit hat Bernd Riegger dann jedoch mit der Detaiplanung der neuen Möbel verbracht. Wir haben ältere Kästen zerstückelt, verbaut und neu verkleidet, andere völlig neu gemacht. Das geht nicht mit jedem Handwerker. Mit unserem hatten wir eine sehr feine Zusammenarbeit, bei der man Dinge auch unkonventionell angehen und mehrfach überdenken konnte. Küche, Bett und Schränke stammen von Thomas Geser aus Alberschwende, das Buchmöbel vom Bruder des Architekten.

Was den Bauherren sonst noch wichtig war? „Gelebte Nachbarschaft“, kommt es unisono von beiden. „Das ist ein Glück, das weiß man vorher nicht“, so die Bauherrin. „Wir erreichen fast alles fußläufig oder per Rad, die Schule ist nicht weit, die Nachbarn, auch aus den Nebenhäusern, kommen gern mal zum Kaffee oder zu Festen und schauen liebevoll auf die Kinder und lassen die Katze ins Haus. Das ist schon ein gutes Gefühl.“

Daten und Fakten

Objekt: Interieure K5, Wohnung, Dornbirn
Architektur/ Innenarchitektur: Arch. Bernd Riegger , Dornbirn
Planung: 5/2013–8/2013
Ausführung: 7/2013–9/2013
Wohnnutzfläche: 125 m²
Garten: 126 m²
Bauweise: Natursteinmauerwerk aus Bruchsteinen, 70–90 cm; Innenwände neu: Trockenbau Holz
Besonderheiten: Möbelbau: Weißtanne-Schälfurnier-Sperrholz, Riemenböden: Weißtanne, sägerau und unbehandelt
Ausführung: Baumeister, Trockenbau, Fenster, Innentüren: Formart, Lauterach; Elektro: Kiechel & Hagleitner, Bregenz; Sanitär: Engel Installationen, Dornbirn; Küche und Einbaumöbel: Tischlerei Thomas Geser, Alberschwende; Riemenboden: Eigenleistung, Material: Erhart Holz, Sonntag; Garten: Rosenrot & Allerlei, Dornbirn
Energiekennwert: 120 kWh/m² im Jahr

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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