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Als die große Flut kam

Chronologie der Hochwasser-Katastrophe. Seit Anfang August dominierte in vielen Teilen Österreichs das Schlechtwetter. Anfangs allerdings im üblichen Ausmaß.

1. August: Im Tiroler Außerfern , dem Pitztal und dem Bezirk Innsbruck-Land kommt es an diesem und dem folgenden Tag durch Dauerregen zu ersten Unwetterschäden mit Murenabgängen. In Wien stehen nach heftigen Regenfällen Unterführungen – insbesondere der Praterstern – bis zu einem halben Meter unter Wasser.

4. August: Unwetter in der Steiermark mit schweren Gewittern. In Unterpremstätten beendet ein Blitzschlag das Konzert der „Paldauer“ vorzeitig.

5. August: Eine Unwetterfront über Kärnten richtet vor allem im Bezirk St. Veit/Glan Schäden an.

6. August: Starke Regenfälle in der Stadt Salzburg und Umgebung lassen Bäche über die Ufer treten und überfluten Keller und Tiefgaragen – erst später wird gewiss, dass diese in Salzburg nicht außergewöhnliche Situation der Auftakt für das Jahrhunderthochwasser ist: Am Abend wird im Flachgau Katastrophenalarm ausgerufen, auch im Tennengau kommt es zu ersten Überschwemmungen.

7. August: In der Nacht führen starke Regenfälle zu ersten Überflutungen im Raum St. Pölten (NÖ). Der Landhaustunnel steht einen halben Meter unter Wasser. Betroffen sind auch Lilienfeld und der Raum Krems. Auf die Kremstal-, die Langenloiser- und die Limbergstraße gehen erste Muren ab. Aber auch in anderen Teilen des Bundeslandes steigen die Pegel, etwa jene der Schwechat und der Triesting. Am Abend verschärft sich die Lage im Kamptal dramatisch:
Die EVN muss erstmals die Wehrklappe beim Stausee Ottenstein öffnen. In die drei Kamp-Stauseen fließen ohne Unterlass 400 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zu. Im Bezirk Horn wird Katastrophenalarm ausgerufen.

Auf Grund von Rekord-Regenmengen kommt es auch in Oberösterreich zu den ersten Überflutungen: In Schärding tritt der Inn über die Ufer. Die Enns ist vorerst nicht betroffen. In Salzburg, Ober- und Niederösterreich werden zahlreiche Straßenverbindungen unterbrochen bzw. sicherheitshalber gesperrt, zahlreiche Brücken werden von den Wassermassen weggerissen.

8. August: Die Lage in Oberösterreich wird immer prekärer: Im Mühlviertel gibt es Katastrophenalarm, ganze Ortschaften sind von den Wassermassen eingeschlossen. Viele Menschen flüchten in die oberen Stockwerke ihrer Häuser – um später, von der Umwelt abgeschnitten, von der Feuerwehr zum Teil mit Hubschraubern gerettet zu werden. Hauptbetroffen ist die 5.000-Einwohner-Gemeinde Schwertberg im Bezirk Perg: Der Ort ist großflächig von den Wassermassen der Aist überflutet, „ein einziger See“, so ein Gendarmerie-Sprecher. Alle Straßenzufahrten sind unpassierbar. Bei der Auto-Logistikfirma Hödlmayr stehen tausende Pkw im Wasser, der Schaden geht in die Millionen Euro.

Auch in Niederösterreich arbeiten Feuerwehren und Bundesheer sowie freiwillige Helfer auf Hochtouren: Allein 5.000 „Florianijünger“ stehen im Einsatz. Zwettl ist verkehrsmäßig nicht mehr erreichbar, in der Nacht werden Gas und Strom abgeschaltet. In Zöbing flüchten sich Bewohner auf die Hausdächer. Am Kamp brechen Dämme, so u.a. in Grunddorf nahe Hadersdorf. In weiten Teilen des Katastrophengebietes brechen Telefonleitungen und die Handy-Netze zusammen. Landeshauptmann Erwin Pröll zeigt sich bei einem Lokalaugenschein in der Nacht tief betroffen von der Katastrophe und kündigt rasche Hilfe an.

In Salzburg entspannt sich die Situation unterdessen – eine trügerische Hoffnung, wie sich bald zeigt.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel verspricht rasche und unbürokratische Hilfe für die Hochwasseropfer. Seine spätere Idee, für die Unterstützungen Steuererhöhungen in Form eines „Solidaritätsopfers“ durchzuführen, fällt allerdings auf wenig Gegenliebe.

9. August: Die Hochwasser-Lage entspannt sich: Die Aufräumarbeiten werden in Angriff genommen, Keller ausgepumpt, zerstörter Hausrat zur Entsorgung gesammelt. Schwertberg ist wieder erreichbar. In Thurnberg am Kamp in NÖ bauen Pioniere einen Ersatz für eine vom Hochwasser weggerissene Brücke.

11. August: Während die Aufräumarbeiten fieberhaft weitergehen, lassen die Regenfälle nicht wirklich nach. So gibt es jetzt auch im Bezirk Schwechat Hochwasser. Im Bereich Handelskai rutscht ein Hang der Wiener Südosttangente ab, eine Fahrspur wird sicherheitshalber gesperrt. Die Donauuferautobahn wird streckenweise überflutet. Auf Grund der neuen Wassermengen, die von den ohnedies teilweise noch im Wasser stehenden Böden und (über)vollen Flüssen nicht aufgenommen werden können, kommt es neuerlich zu Überschwemmungen, so u.a. wiederum in Zwettl. Praktisch im gesamten schon zuvor von den Fluten betroffenen Gebiet in Ober- und Niederösterreich, wo noch nicht einmal die „alten“ Schäden der Tage zuvor beseitigt sind, steigen die Pegel.

12. August: Und auch in Salzburg wird die Lage wieder dramatisch. Dort gibt es auch den ersten Hochwasser-Toten: einen Feuerwehrmann, der beim Einsatz in einen Fluss stürzt und mitgerissen wird. Eine weitere Person wird im Tennengau von einer Mure mitgerissen und schwer verletzt. Später am Tag finden die Einsatzkräfte in einem überfluteten Keller in Hallein einen Ertrunkenen. Die Salzach im Salzburger Stadtgebiet schwillt an, alle Brücken werden sicherheitshalber gesperrt. Die große Katastrophe bleibt der Mozartstadt nach bangen Stunden des Wartens aber erspart: Die historische Innenstadt wird nicht überflutet. Allerdings sinkt das Ausflugschiff „Amadeus“. Und in Hallein steht die Altstadt unter Wasser.

Gleichzeitig eröffnen sich die Fluten eine neue „Front“: die Donau. Von Bayern her, wo es ebenfalls flächige Überschwemmungen gibt, kommen große Wassermengen nach Österreich. Die Donauschifffahrt wird eingestellt. In Oberösterreich wird „Alarmstufe 2“ – die höchstmögliche – ausgerufen. In OÖ gibt es auch den dritten und vierten Toten: ein 48-Jähriger, der in Kirchheim im Innkreis (Bezirk Ried) von einem Erdrutsch erdrückt wird, sowie ein 61-jähriger Feuerwehrmann außer Dienst, der in Hartkirchen (Bezirk Eferding) mit seinem Pkw in den Wassermassen versinkt. Am Abend müssen 15 Kilometer der Westautobahn im Raum Linz wegen Überflutung gesperrt werden, auch die A7 bei Linz ist überschwemmt. In allen Hochwassergebieten sind in Summe 80 Kilometer Schienenstrecken der ÖBB überflutet und gesperrt. Erste Schadensschätzungen belaufen sich auf bis zu 50 Millionen Euro.

In Niederösterreich wird die Lage am Kamp und auch an der Donau wieder bedrohlicher. Der NÖ Landesfeuerwehrkommandant gibt die Parole „Durchhalten“ aus. LH Pröll schätzt die bisherigen Schäden auf „ein bis zwei Milliarden Euro“. In allen NÖ-Hochwassergebieten steigen die Pegel wieder. Bei Grafenwörth laufen Evakuierungen an. Im Raum Krems kommt es zu ersten Plünderungen, die Gendarmerie intensiviert ihren Streifeneinsatz. Mittlerweile bereitet sich Wien auf das Hochwasser vor.

Erstmals ist auch die Steiermark betroffen: Der Raum Liezen samt der Stadt Schladming werden nach Dauerregen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die kleine Ortschaft Radmer am Gesäuseeingang ist weitgehend von der Umwelt abgeschnitten. Tirol, seit Tagen ebenfalls mit Hochwasser konfrontiert, kommt mit einem „blauen Auge“ davon:
Verwüstungen werden aus Reutte und dem Raum St. Johann (Bezirk Kitzbühel) gemeldet. Auch im Burgenland kommt es zu Überschwemmungen, hauptbetroffen ist der Bezirk Oberpullendorf. Kärnten bleibt dagegen weitgehend verschont.

13. August: Kein Ende der großen Flut in Sicht: Ybbs in NÖ wird von der Donau überflutet. In Niederösterreich tritt auch noch die Traisen – nunmehr ein „reißender Fluss“ – über die Ufer. Bei Neulengbach-Markersdorf sorgte die Große Tulln für Überschwemmungen. In Oberösterreich ist noch vor allem der Bezirk Perg betroffen. In Wien gibt es trotz Hochwasserschutzmaßnahmen Überflutungen, allerdings nur in geringem Ausmaß, so etwa beim Donaukanal im Bereich Urania und der A4-Unterführung. Die „Copa Cagrana“ am Entlastungsgerinne der Neuen Donau steht unter Wasser. Obwohl auch der Wienfluss Hochwasser führt, ist der U-Bahn-Betrieb vorerst nicht betroffen. Lediglich in Salzburg entspannt sich die Lage.

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