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Allergien: "Von einer Heilung weit entfernt"

Weltweit haben 700 Millionen Menschen Heuschnupfen (allergische Rhinitis) und/oder Asthma. Jeder vierte Österreicher hat ein "Allergieproblem", bis zu 20 Prozent zeigen Zeichen einer inhalativen Allergie - das ist Asthma.

Während in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten zur Kontrolle dieser Erkrankungen deutlich besser geworden sind, sind bisher alle Schritte zur endgültigen Bewältigung im Sand verlaufen.

“Von einer Heilung allergischer Erkrankungen – einschließlich Asthma bronchiale – sind wir nach wie vor weit entfernt”, erklärte Harald Renz, Chef der Abteilung für Klinische Chemie und Molekulardiagnostik an der Universitätsklinik Marburg, am Samstag anlässlich des Jahreskongresses der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) in Wien.

“Allergien und Asthma sind das Resultat komplexer Wechselwirkungen zwischen Gen-Umweltbeziehungen. Unbestritten spielt eine genetische Disposition als Basis für die Ausbildung der verschiedenen allergischen Erkrankungen eine zentrale Rolle”, sagte Renz.

Mittlerweile haben Wissenschafter praktisch quer durch das gesamte menschliche Erbgut zahlreiche Mutationen entdeckt, die mit allergischen Erkrankungen in Verbindung stehen. Der Experte: “Es wird auch zunehmend klar, dass das Risiko für die Entwicklung von Asthma in der Kindheit mit der Anzahl dieser Mutationen exponentiell steigt.”

Auf der Basis dieser Erbanlagen aber können dann Umweltbedingungen zur Ausbildung der einen oder anderen allergischen Erkrankung führen. Renz: “Hier spielen offensichtlich insbesondere Lebensverhältnisse, wie wir sie in den Industrienationen vorfinden, eine besondere Rolle als Risikofaktoren.” Seit mehr als zehn Jahren ist aus weltweit durchgeführten wissenschaftlichen Studien bekannt, dass die Allergie- und somit auch die Asthma-Häufigkeit in den entwickelten Ländern wesentlich höher als in den Staaten der Dritten und Vierten Welt ist – und sich in den Schwellenländern in Richtung Industrieländer verändert.

Was immer auch in der jüngeren Vergangenheit versucht wurde, eine echte Vorbeugung ist nicht möglich. Renz: “Die Lebensweise wäre potenziell veränderbar. Allerdings wäre die Voraussetzung für eine Vorbeugung, dass wir die Risikofaktoren im Detail kennen und verstehen. Davon sind wir weit entfernt.”

So gibt es keine Primärprävention für Allergien und Asthma. Eine kleine Chance könnte hier die “Hygienehypothese” sein, wonach Kinder, die schon ab dem Säuglingsalter mit banalen Keimen und Allergenen ausreichend in Kontakt kommen, seltener allergische Erkrankungen entwickeln. Könnte man hier die dafür verantwortlichen (bakteriellen) Komponenten identifizieren und sie als “Abhärtung” bei Babys verwenden, böte sich eventuell die Chance auf eine Vorbeugung.

Ein Traum bleibt auch derzeit die Heilung allergischer Erkrankungen. Renz: “Aufgrund eines besseren Verständnisses des immunologischen ‘Konzepts’ allergischer Erkrankungen wurden im vergangenen Jahrzehnt mehrere potenzielle Ziele für Therapien identifiziert. Leider sind im Prinzip aber fast alle dieser Ansätze ins Leere gelaufen.” Dazu gehörten zum Beispiel Biotech-Medikamente wie monoklonale Antikörper gegen Interleukin 4, Interleukin 5 und ähnliches. Nur ein monoklonaler Antikörper gegen das von Asthmapatienten im Körper vermehrt gebildete Immunglobulin E (IgE) fand den Weg in die Anwendung bei Patienten mit schwerem allergischen Asthma. Ernüchternd: Die Gründe für die Fehlschläge an sich plausibler Konzepte sind ebenfalls noch unbekannt.

Doch die Wissenschafter, die weltweit Asthma erforschen, haben noch ein zusätzliches Problem, das sie lösen sollten: Seit Jahren weiß man, dass es bei der Kontrolle der Erkrankung primär auf die antientzündliche Behandlung (vor allem mit Cortison zum Inhalieren) ankommt. “Aber den Langzeitverlauf der Erkrankung beeinflusst diese Behandlung wenig bis gar nicht.” Auch dieses Faktum wird noch kaum verstanden.

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