Alanis Morissette konzertierte in Wien

Aber so durchwachsen wie eben jene, letztendlich überambitionierte CD erwies sich das Konzert der Singer-Songwriterin am Mittwochabend im gut gefüllten Wiener Gasometer. Die alten Stücke aus “Jagged Little Pill” stellten die einzigen wirklichen Höhepunkte dar.

Ein Kritiker der britischen Zeitung “Independent” hat nach einem Auftritt Morissettes in der Londoner Brixton Academy vor einigen Tagen geraten, sich das Geld für den Eintritt zu sparen und stattdessen den 1996 mit dem Grammy ausgezeichneten Klassiker zu kaufen. Und er hat nicht ganz unrecht. Mit “Uninvited” eröffnete eine schwerfällige Interpretation des Songs aus dem Film “City Of Angels” das Programm, das noch weitere sperrige und langatmige Stücke aus der jüngeren Schaffensperiode der 34-Jährigen enthalten sollte.

Zerfahren und nicht als Einheit wirkte das Gebotene, zusammengehalten bloß von Morissettes toller Stimme, die bei den lauteren Stücken allerdings gegen den Gitarren-Sound hart ankämpfte. Fabriziert wurde dieser von einer guten Gruppe, deren Mitglieder jedoch unpassend über die Bühne hüpften, als wurden sie bei einer Audition für eine Glam-Metal-Poser-Band antreten. Mit “Head Over Feet”, dem ersten Beitrag von “Jagged Little Pill” erfüllten sich endlich erstmals die Erwartungen.

“Underneath” von “Flavors Of Entaglement” mag ein ordentlicher Rocksong sein, andere, in der Produktion von Guy Sigsworth (Björk) mit Elektronik angereicherte aktuelle Nummern tun sich da live – auch ohne Samples und auf “echte” Instrumente reduziert – schwerer. Es fehlt jener Biss, den das Material von “Jagged Little Pill” hatte. Nichts kommt annähernd an “All I Really Want”, “You Oughta Know”, “Hand In My Pocket”, “You Learn” oder “Ironic” heran. Das wurde beim Konzert offensichtlich: Auch wenn das überaus gnädige Publikum immer wieder klatschte, kam richtige Stimmung erst bei diesen Stücken auf.

“Jagged” war und ist der Soundtrack zu einem Lebensabschnitt vieler (vor allem weiblicher) Fans. An diesem Über-Album muss sich Morissette wohl für alle Ewigkeiten messen lassen, zumal es bis dato kein zweites Alanis-Werk dieses Kalibers gibt. In zehn Jahren werden vermutlich wieder die meisten Leute nur wegen “Ironic” und Co. kommen, falls das einstige Jungtalent nicht doch noch zum Puls der Zeit zurückfindet.