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Aids-Hilfe: "Es ist noch sehr viel zu tun"

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AidsHilfeHaus wien ©Vienna Online
Christa Wallner betreut HIV-positive Menschen im Aids Hilfe Haus Wien. Sie wünscht sich für Betroffene, dass es für sie keinerlei Benachteiligungen mehr gibt. Ein Interview der Wiener Bezirkszeitung.
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Seit fünfeinhalb Jahren arbeitet Christa Wallner (37) im Tages- und Aktivzentrum des Aids Hilfe Hauses am Mariahilfer Gürtel, ein Treffpunkt für HIV-positive Menschen. Im Interview spricht sie über die immer noch vorhandene Benachteiligung von infizierten Personen in allen Lebensbereichen und erzählt über ihre Arbeit im Aids Hilfe Haus.

bz: Ist HIV/Aids immer noch ein Tabuthema in Österreich?
Christa Wallner: Von Betroffenen wissen wir, dass das leider immer noch der Fall ist und dass sie zum Teil nach wie vor mit Vorurteilen und auch Diskriminierung zu leben haben, auch wenn es heute sicher besser ist als noch vor 25 Jahren. Aber es gibt nach wie vor Fälle von Stigmatisierung.

bz: Wo sind Betroffene denn starken Diskriminierungen ausgesetzt?
C.W.: In den verschiedensten Lebensbereichen, von der Arbeitswelt bis zum öffentlichen Leben. Sogar im medizinischen Bereich berichten uns viele Betroffene, dass sie benachteiligt werden.

bz: Was müsste denn passieren, um diese Vorurteile in der Gesellschaft auszuschalten?
C.W.: Es bräuchte wohl mehr Vorbildwirkung in der Öffentlichkeit und auch eine stärkere Präsenz des Themas. Da hat sich zwar viel getan, aber gerade die angesprochene Befragung zeigt, dass hier noch sehr viel zu tun ist.

bz: Die Folge dieser immer noch vorhandenen Stigmatisierung ist, dass viele Betroffene ihre Infizierung geheim halten. Ist das empfehlenswert?
C.W.: Von uns aus gibt es da keine Richtlinie. Das muss jeder für sich selbst sorgfältig überlegen. Das hängt auch mit der jeweiligen Lebenssituation ab. Beispiel Arbeitsbereich: Hier kann es sogar zu Kündigungen kommen, wenn man seine Infizierung offen anspricht.

bz: Zu Ihrer Arbeit: Was bieten Sie im Tageszentrum des Aids Hilfe Hauses an?
C.W.: Das Zentrum ist ein Raum der Begegnung von Menschen mit, aber auch ohne HIV, wie Angehörige oder Freunde, aber natürlich richten sich unsere Angebote vor allem an betroffene Personen. Bei uns können sich Menschen treffen, die sich über die Infektion und das Leben mit HIV/Aids austauschen können. Wir bieten aber beispielsweise auch gesunde und kostengünstige Menüs an, von einem Koch, der sich sehr intensiv mit der Frage „HIV und Ernährung“ auseinandersetzt. Das ist übrigens ein sehr wichtiges Thema, gerade jetzt, da durch die Medikamente oft starke Nebenwirkungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Wir veranstalten auch regelmäßig Workshops über gutes und – was auch sehr wichtig ist – preisgünstiges Kochen.

bz: Viele HIV-Infizierte leben ja unter der Armutsgrenze.
C.W.: Richtig, vor allem jene, die schon seit sehr langer Zeit betroffen und sehr lange aus der Arbeitswelt draußen sind. Viele müssen von der Berufsunfähigkeitspension oder der Notstandshilfe leben, also wirklich an der Armutsgrenze. Für diese Personen ist auch ein anderer Bereich unseres Tageszentrums sehr wichtig: Wir bieten sehr kostengünstig Freizeitaktivitäten an. Das geht von Workshops im Kreativbereich über Sprachkurse bis zu Positivwochenenden.

bz: Versuchen Sie so auch eine drohende soziale Isolation zu verhindern?
C.W: Das ist natürlich immer ein Hintergedanke. Ich selber biete zum Beispiel auch viel aus dem Bewegungsbereich an. Vor kurzem hatten wir einen Karatekurs, aber auch Shiatsu, Pilates oder Ähnliches, und das alles zu einem geringen Unkostenbeitrag. Wenn Sie die soziale Isolierung ansprechen: Wenn ich so lange aus dem gesellschaftlichen Leben draußen bin, dann ist das natürlich ein sehr wichtiger Treffpunkt ohne Konsumzwang, wo ich auch Freundschaften knüpfen und auch vieles in Eigenregie machen kann. Und vor allem auch, um sich mit anderen Betroffenen austauschen zu können.

bz: Es gibt auch ein eigenes Frauencafé. Warum so eine spezielle Einrichtung?
C.W.: In den vergangenen Jahren fällt auf, dass sich immer mehr Frauen infizieren. Das Tageszentrum wird aber wesentlich stärker von Männern genutzt. 2005 haben wir dieses Frauencafé gegründet, weil sich herausgestellt hat, dass Frauen lieber einen geschützten kleinen Rahmen haben, um sich mit anderen Frauen auszutauschen, weil die Problemlagen ja oft andere sind als bei Männern. Das Frauencafé findet immer ein Mal pro Woche statt.

bz: Was halten Sie eigentlich vom Lifeball?
Der Lifeball ist unser größter Geldgeber. Er ist jetzt zwar etwas negativ in die Medien gekommen, aber jeder Betroffene, der zu uns kommt, profitiert von den Spendengeldern, die am Lifeball lukriert werden. Ein Großteil der Freizeitaktivitäten wären ohne diese Gelder nicht möglich.
Interview: Michael Riedmüller

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