Stadttunnel Feldkirch: 8 Fakten zum 367-Millionen-Projekt
Nach langwierigen Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und gerichtlichen Auseinandersetzungen befindet sich das 3,95 km lange Haupttunnel-Baulos inzwischen im Bau, die Fertigstellung ist für 2030 vorgesehen.
Zentrale Themen sind die stark gestiegenen Kosten (von rund 260 Mio. € auf aktuell etwa 367 Mio. €), Verzögerungen im Bauablauf (u. a. durch einen Teil-Baustopp 2025) sowie Debatten über die tatsächliche Verkehrsentlastung, Umweltauflagen und anhaltenden Widerstand von Bürgerinitiativen.
Die 8 wichtigsten Fakten zum Stadttunnel
1. Tunnelspinne als Bestvariante fixiert
Datum: Dienstag, 10. März 2009
Die Stadtvertretung Feldkirch beschließt nach einem Dialogverfahren einstimmig, das Land Vorarlberg um Umsetzung der "Tunnelspinne" (Variante 5.3) zu ersuchen. Dieses Konzept umfasst vier Tunneläste und einen 70-m-Untergrund-Kreisverkehr als Südumfahrung – es soll den vorherigen "Letzetunnel"-Plan ablösen. Auch die Nachbargemeinde Frastanz und das Land stimmen dem Ergebnis zu.
Damit wurde das über Jahrzehnte diskutierte Straßenprojekt neu aufgestellt. Die Verantwortlichen erhofften sich spürbare Entlastungen des Stadtverkehrs – vor allem an der hochbelasteten Bärenkreuzung sowie im Grenzstadtteil Tisis. Zugleich verband man mit der "Tunnelspinne" Lösungsansätze für Feldkirchs Luft- und Lärmprobleme (Feinstaub-Sanierungsgebiet) und eine Aufwertung der Innenstadt.
Kennzahlen: 4 Tunneläste, ca. 3,9 km Gesamtlänge, unterirdischer Kreisverkehr 70 m Durchmesser; prognostizierte Verkehrsentlastung an der Bärenkreuzung ~30–40 %, im Stadtteil Tisis ~60–70 %; voraussichtliche Baukosten ~160 Mio. € (2009)
2. UVP-Bescheid gibt grünes Licht
Datum: Dienstag, 21. Juli 2015
Die Vorarlberger Landesregierung als UVP-Behörde stellt nach rund zweijähriger Prüfung einen positiven UVP-Bescheid für den Stadttunnel Feldkirch aus. Das Projekt (damals mit ~227 Mio. € veranschlagt) wird darin als umweltverträglich eingestuft; gleichzeitig werden 300 Auflagen und ~60 Empfehlungen festgeschrieben, die beim Bau und Betrieb einzuhalten sind. Innerhalb von 4 Wochen können Verfahrensparteien Beschwerde einlegen (mehrere Bürgerinitiativen kündigen umgehend Einsprüche an).
Damit war die entscheidende Genehmigungshürde genommen – das Millionenprojekt galt nun rechtlich bewilligt und "UVP-geprüft", die zuständigen Politiker verwiesen auf die erwartete Lebensqualitäts-Verbesserung für viele Anwohner. Allerdings verzögerten die unmittelbar folgenden Beschwerden der Tunnelgegner den tatsächlichen Baustart weiter: Anstatt 2018 (wie ursprünglich geplant) konnte nicht mit dem Bau begonnen werden.
Kennzahlen: Über 300 Auflagen im UVP-Bescheid (u. a. Baustellen-Abwasserentsorgung, Rodung nur Aug.–Feb., schwefelarmer Diesel); Projektumfang: 4 Tunneläste (mit zentralem Kreisverkehr), gesamt 3,95 km Länge; Kostenprognose 2015 ca. 230 Mio. €; laut Bescheid muss der Tunnel bis spätestens 2030 fertiggestellt sein.
3. Gerichte bestätigen Tunnelprojekt
Datum: Montag, 24. Juni 2019 – Dienstag, 1. März 2022
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) weist am 24. Juni 2019 sämtliche Beschwerden gegen den UVP-Bescheid als unbegründet bzw. unzulässig ab. Damit ist die Genehmigung rechtskräftig; auch der Verwaltungsgerichtshof lehnt in letzter Instanz (März 2022) eine Revision der Tunnelgegner ab. Parallel dazu verwarf der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gegen die Parteistellung der Bürgerinitiativen.
Durch die höchstgerichtlichen Entscheidungen erhielt der Stadttunnel endgültig grünes Licht für die Umsetzung – es dürfen nun alle Bautätigkeiten begonnen werden. Gleichzeitig endete ein 7-jähriger Rechtsstreit, der zwar Klarheit schuf, aber zu massiven Verzögerungen führte. Befürworter betrachten die lange Verfahrensdauer als notwendigen Schritt zur Rechtssicherheit; Kritiker verweisen auf geänderte Rahmenbedingungen und forderten erneut eine unabhängige Evaluierung des Projekts.
Kennzahlen: Verfahrensdauer: knapp 4 Jahre vom erstinstanzlichen UVP-Bescheid (07/2015) bis zum BVwG-Erkenntnis (06/2019); weitere ~3 Jahre bis Abschluss der Höchstgerichte (Revision zurückgewiesen 03/2022). Am BVwG-Verfahren waren 13 Beschwerdeführer (Bürgerinitiativen, Anrainer) beteiligt; ordentliche Revisionen wurden als unzulässig erklärt. Gemäß Bescheid ist die Inbetriebnahme bis 2030 verpflichtend (sonst verfällt die Genehmigung).
4. Kostenschub und Finanzierungsbeschluss
Datum: Dienstag, 19. Juli 2022
Die Vorarlberger Landesregierung fasst am 19. Juli 2022 den formalen Baubeschluss für den Stadttunnel (zunächst ohne Tunnelast Tosters). Zugleich wird bekannt, dass die zu erwartenden Kosten nun mit rund 300 Mio. € beziffert werden – deutlich mehr als die ursprünglich veranschlagten ~260 Mio. €. Die Ausschreibung der Hauptbauarbeiten wird eingeleitet, Baustart für Ende 2023/Anfang 2024 in Aussicht gestellt.
Damit war die Finanzierung des Projekts trotz Kostenerhöhung weitgehend gesichert. Den Löwenanteil der Investition trägt das Land Vorarlberg selbst (ca. 248 Mio. €), der Bund steuert 40 Mio. € aus dem Finanzausgleich bei, die Stadt Feldkirch 12 Mio. €.
Kennzahlen: Aktualisierte Kosten (2022): ~300 Mio. € (inkl. Vorarbeiten); Kostenbeteiligung: Land ~83 %, Bund ~13 %, Stadt ~4 %. Erste Bauetappe umfasst ca. 3 km Tunnel (Ring + Äste Felsenau, Altstadt, Tisis); zweiter Bauabschnitt (Ast Tosters, ~0,9 km) wurde im Dez. 2024 freigegeben. Fertigstellung weiterhin bis 2030 geplant.
5. Baustart des Haupttunnels
Datum: Freitag, 28. Februar 2025
Nach Abschluss aller Vorarbeiten (u. a. Erkundungsstollen Tisis, Portalumbauten) erfolgt am 28. Februar 2025 der offizielle "Startschuss" für den Bau des Haupttunnels. Die Tunnelbau-Arbeitsgemeinschaft (Jäger Bau, Strabag, Hilti & Jehle) hat die Baustelleneinrichtung im Bereich Felsenau fertiggestellt; ab Frühjahr 2025 beginnen erste Sprengungen für den Voreinschnitt. Der eigentliche Vortrieb des rund 2,8 km langen Hauptloses (Ring + 3 Äste) soll im Herbst 2025 anlaufen und bis Sommer 2028 dauern.
Am 17. Dezember 2024 hatte die Vorarlberger Landesregierung bereits den Beschluss für die zweite Bauetappe, den Tunnelast Tosters, und damit für die Umsetzung des Gesamtprojekts gefasst.
Damit tritt das Generationenprojekt Stadttunnel nach jahrzehntelanger Planung sichtbar in die Bauphase. Die verkehrsgeplagte Bevölkerung Feldkirchs darf auf spürbare Entlastung hoffen – Prognosen sehen z. B. an der Bärenkreuzung ca. 25 % weniger Gesamtverkehr (–60 % Lkw). Durch einen behördlichen Baustopp verzögert sich der erste Tunnelanschlag allerdings auf Anfang 2026, wodurch kaum zeitlicher Puffer bis zum Endtermin 2030 bleibt.
Kennzahlen: Haupttunnel ≈ 2,8 km Länge (3 Tunneläste + unterird. Kreisverkehr); geplanter Vortriebszeitraum Herbst 2025 – Sommer 2028; anschl. Innenausbau und Ausrüstung (Lüftung, Beleuchtung, Sicherheitssysteme) bis 2030. Erwartete Verkehrsentlastung im Vollausbau: gesamt –25 %, Lkw –60 % an der Knoten Bärenkreuzung.
6. Teil-Baustopp wegen Planabweichung
Datum: ca. Freitag, 30. Mai 2025 – Dienstag, 11. November 2025
Die UVP-Behörde ordnet Ende Mai 2025 einen Teilbaustopp auf der Baustelle Felsenau an. Grund: Bei der Baustelleneinrichtung (Aufstellung von Baukran und Containern) wurde vom genehmigten Einreichplan abgewichen. Trotz rascher Planoptimierungen und Nachmeldungen bleibt der Bereich über 5 Monate gesperrt. Erst mit Bescheid vom 11. November 2025 werden die Bauarbeiten im Portal Felsenau offiziell wieder freigegeben.
Durch den mehrmonatigen Stillstand verschiebt sich der geplante Tunnelanschlag von Ende 2025 ins 1. Quartal 2026. Laut Land Vorarlberg verursachte der Baustopp zwar Mehrkosten, die genaue Höhe lässt sich aber erst am Projektende beziffern (anfangs war von "einigen Zehntausend Euro" die Rede). Der Vorfall zeigte, wie strikt die unabhängige UVP-Behörde die Auflagen überwacht – aus Sicht der Initiativen ein wichtiger Schritt zur Einhaltung von Umwelt- und Anrainerrechten.
Kennzahlen: Dauer Teilbaustopp: ~5½ Monate (von Juni bis 11. Nov. 2025); Zeitplanänderung: Tunnelanschlag verschoben von Nov. 2025 auf ~Feb. 2026; Kostenfolgen: ursprünglich auf "höchstens einige 10.000 €" geschätzt, wie der ORF Vorarlberg in einem Artikel vom 26. September 2025 eine nicht genannte Quelle des Landes zitiert; Abweichung: Kranstandort und Containerfläche außerhalb genehmigter Projektpläne.
7. Zwischenfall: Steinschlag bei Sprengung
Datum: Freitag, 21. November 2025
Bei kontrollierten Sprengarbeiten auf der Stadttunnel-Baustelle Felsenau lösen sich am 21. Nov. 2025 mehrere größere Felsbrocken (bis ca. 30 cm) und werden auf die L190 geschleudert. Die Durchzugsstraße war zum Zeitpunkt der Sprengung nicht gesperrt – mindestens fünf Pkw wurden von herabfallenden Steinen getroffen und beschädigt. Verletzt wurde niemand; die Bauleitung entfernte die Steine umgehend, die Polizei nahm Ermittlungen auf.
Obwohl glimpflich verlaufen (nur Sachschaden), rückte der Vorfall die Sicherheitsrisiken des Tunnelvortriebs in den Fokus der Öffentlichkeit. Insbesondere die fehlende Absperrung der vielbefahrenen L190 wurde kritisch hinterfragt. Tunnelgegner fühlten sich bestätigt – in Anspielung auf die unvorhersehbaren geologischen Effekte war von "der Berg wehrt sich" die Rede.
Kennzahlen: Zeitpunkt: Sprengung am 21.11.2025, ca. 10.45 Uhr; Größe der Gesteinsbrocken: bis zu 30 cm; Schadensbilanz: mindestens 5 Fahrzeuge beschädigt, 0 Verletzte; Verkehrssicherung: nur die lokale Gemeindestraße Felsenau war gesperrt, nicht aber die L190; Folgen: Polizei Frastanz ermittelt wegen fahrlässiger Gemeingefährdung, Anzeige an die Staatsanwaltschaft.
8. Bürgerinitiativen kämpfen seit 1996
Datum: Mittwoch, 1. Mai 1996 – Donnerstag, 18. Dezember 2014
Schon lange vor Baubeginn regte sich Widerstand gegen das Tunnelprojekt. Im Mai 1996 gründet sich die "Plattform gegen den Letzetunnel" für verkehrspolitische Alternativen; 1997 werden 1566 Unterschriften gegen den geplanten Tunnel gesammelt und der Gemeinde Frastanz übergeben. In den folgenden Jahren organisiert die Initiative zahlreiche Info-Abende, Podiumsdiskussionen und Petitionen. 2014 entstehen die neuen Bürgerinitiativen "stattTunnel" und "mobil ohne Stadttunnel" (juristisch gegründet zur UVP-Parteistellung). Diese Initiativen begleiten das UVP-Verfahren kritisch (Mahnwachen, Stellungnahmen) und bringen sich als offizielle Beschwerdeführer ein (öffentliche Verhandlung am 16.–18. Dez. 2014).
Der anhaltende Bürgerprotest hat das Projekt über die Jahre deutlich beeinflusst. Frühere Varianten (z. B. "Amtsvariante S 17" - eine in den 1970er-Jahren geplante Anbindung Liechtensteins an das österreichische Autobahnnetz über eine Liechtensteiner Schnellstraße) wurden u. a. aufgrund rechtlicher Unwägbarkeiten und öffentlichen Widerstands fallengelassen. Zugleich bemühten sich Projektträger um Dialog: Das UVP-Verfahren 2013/14 war das bislang größte Bürgerbeteiligungsverfahren bei einem Vorarlberger Verkehrsprojekt – mit grenzüberschreitender Einbindung Liechtensteins und etlichen Kompromissen (z. B. Naturschutzgebiet Frastanzer Ried bleibt unberührt). Trotzdem blieben die Initiativen skeptisch und nutzten alle Rechtsmittel, um aus ihrer Sicht "überholte" Tunnelpläne zu stoppen.
Kennzahlen: Gründungsjahr der ersten Plattform: 1996; Protest-Unterschriften 1566 (1997); Dauer UVP-Verhandlung: 3 Tage (16.–18.12.2014); Zahl der Bürgerinitiativen mit Parteistatus: 2 (stattTunnel & mobil ohne Stadttunnel); erste BI-Großveranstaltung bereits 1996 (Podiumsdiskussion).
Widersprüche und Unsicherheiten im Projekt
- Kosten: Die ursprünglich genannten 260 Mio. € (Landesregierung, 2015) stiegen zuerst auf ~300 Mio. € (2022) und zuletzt auf ~367 Mio. € (Stand 2025, inflationsbereinigt). Unklar bleibt, ob die Teuerung damit endgültig abgedeckt ist oder weitere Mehrkosten (Nachträge, Betrieb) anfallen.
- Zeitplan: Früher geplante Teileröffnungen (Tunneläste ab 2022) wurden obsolet – inzwischen gilt 2030 (Vollbetrieb im Endausbau) als fixes Enddatum. Verzögerungen (UVP-Verfahren, Baustopp) haben den Puffer bis dahin nahezu aufgebraucht; eine Terminüberschreitung würde eine neue Genehmigung erfordern.
- Verkehrswirkung: Prognosen versprechen ~20–25 % weniger Verkehr auf innerstädtischen Hauptachsen (z. B. Bärenkreuzung). Kritiker bezweifeln dies und warnen vor Verlagerung bzw. Mehrverkehr in der Region (Transit ins FL/CH). Ob die erwünschte Entlastung eintritt, muss durch Nachher-Messungen belegt werden (per Bescheid 6 Monate vor Inbetriebnahme vorzulegen)
Die nächsten Projektschritte
- Tunnelanschlag 2026: Im 1. Quartal 2026 soll der eigentliche Vortrieb des Stadttunnels beginnen (verschoben durch UVP-Baustopp). Die erste Sprengung und feierliche Anschlagfeier stehen unmittelbar bevor.
- Baufortschritt & Durchbrüche: Bis 2028 sind mehrere Tunneldurchschläge geplant (Verbindung der von beiden Seiten getriebenen Röhren). Dies gilt als wichtiger Gradmesser für die Einhaltung des Terminplans.
- Ausstattung & Inbetriebnahme: Nach Rohbauende folgt die Installation von Sicherheitstechnik (Lüftung, Notausgänge, Leitstellen). Eine Teil-Inbetriebnahme in Etappen ist nicht vorgesehen – die Freigabe aller Tunneläste soll spätestens 2030 erfolgen.
- Flankierende Maßnahmen: Parallel zur Tunnelerrichtung sind weitere Begleitprojekte umzusetzen (z. B. Öffi-Ausbau, Radinfrastruktur, Stadtgestaltung an der entlasteten Bärenkreuzung). Deren Fortschritt und Finanzierung werden die öffentliche Diskussion weiter begleiten.
- Erfolgskontrolle: Gemäß Bescheid muss nach 1, 2 und 5 Jahren Betrieb geprüft werden, ob die Entlastungsziele erreicht wurden. Ggf. müssten zusätzliche Verkehrsbeschränkungen oder Lärmschutz-Maßnahmen nachträglich umgesetzt werden.
(VOL.AT)