Wiener Künstlerhaus widmet sich Kunst und Religion

Gekreuzigter Frosch als Ausgangspunkt
Als gebürtiger Südtiroler habe ihn ein Skandal in seiner Heimat besonders aufgerüttelt, erzählte Künstlerhaus-Direktor Günther Oberhollenzer am Mittwoch im Rahmen der Presseführung aus dem Nähkästchen: Im Jahr 2008 hatte ein gekreuzigter Frosch von Martin Kippenberger im Kunstmuseum Bozen für Proteste und schließlich für die Entlassung der Museumsdirektorin gesorgt. Grund genug für den Kunsthistoriker, dem komplexen Aufeinandertreffen von Kunst und Religion eine eigene Ausstellung zu widmen.
Nun, 17 Jahre später, ist es soweit. In 42 Positionen von Marina Abramović - deren Werkschau einen Stock tiefer in der Albertina modern läuft - über VALIE EXPORT und Hermann Nitsch bis hin zu Deborah Sengl und Markus Wilfling bietet die Schau einen teils amüsanten, teils nachdenklich machenden Einblick in zeitgenössisches Kunstschaffen mit religiösen Motiven.
Plausch mit KI-Jesus im Beichtstuhl
Begrüßt werden die Besucherinnen und Besucher von Ursula Beilers in Tirol umstrittenem Neon-Straßenschild "Grüß Göttin", bevor Renate Bertlmanns "Zärtlicher Christus" einen weiteren feministischen Pflock einschlägt. Der erste Ausstellungsraum trägt den Titel "Ikone" und versammelt Arbeiten wie etwa Wilflings Würfel-Kreuz "Gott würfelt nicht" oder Aron Demetz' beeindruckende Holzskulptur eines nackten, glatzköpfigen Paares, die das tradierte Adam-und-Eva-Bild ästhetisch hinterfragt.
Einzeln können die Besucher in eine "Deus in Machina" betitelte Holzkiste eintreten, die sich in ihrem Inneren als Beichtstuhl entpuppt. Hat man einmal vor dem typischen Gitter Platz genommen, erscheint niemand anderer als Jesus selbst, der einem sogleich einmal die Datenschutzbestimmungen vorträgt. Mittels Mikrofon kann man dem KI-Heiland, der von Philipp Haslbauer, Marco Schmid und Aljosa Smolic zum Leben erweckt wurde, Fragen (in mehreren Sprachen) stellen, die Antwort wird mittels Sprachmodell generiert, das mit zahlreichen christlichen Texten gefüttert wurde. Warum Jesus auf die auf Deutsch gestellte Frage "Wer ist Gott?" auf Serbisch antwortet, bleibt beim Selbstversuch der APA jedoch ein Rätsel.
Zwischen "(Schein-)heiligkeit" und "Geburtenmadonna"
Weiter geht es mit dem Thema "(Schein-)heiligkeit", wo Oberhollenzer Kippenbergers umstrittenen gekreuzigten Frosch ebenso positioniert hat wie Deborah Sengls "Von Schafen und Wölfen": Die lebensgroße Skulptur zeigt einen Betenden im Priestergewand, unter den Schafsohren fletscht ein Wolf die Zähne. Das Kapitel "Kreuz" kommt natürlich nicht ohne Arbeiten von Arnulf Rainer und Hermann Nitsch aus, hält aber auch eine zum Kreuz umfunktionierte Flügeltür von Christian Eisenberger oder einen gekreuzigten Jesus mit Türklinken-Prothese von Manfred Erjautz bereit. Über die Räume "Auferstehung" und "Göttlichkeit" geht es weiter zu "Madonna", wo sich vor allem Arbeiten von weiblichen Künstlerinnen finden.
Von Abramović ist das ikonische Selbstporträt "Vladka" mit nacktem Baby zu sehen, von VALIE EXPORT zeigt man die beiden Fotoarbeiten "Die Putzmadonna/Die Putzfrau" und "Die Geburtenmadonna" aus dem Jahr 1976. Weitere feministische Madonna-Neuinterpretationen stammen von Ina Loitzl, Julia Krahn und Bettina Rheims, bevor sich etwa Timm Ulrichs und Irene Andessner dem letzten Abendmahl aus zeitgenössischer Perspektive nähern. Und so bekommt man auf diesem fein kuratierten Streifzug ein umfassendes Bild der vielfältigen Auseinandersetzung mit religiösen Topoi im Spiegel der Kunst.
(S E R V I C E - "Du sollst dir ein Bild machen. Kunst und Religion" im Künstlerhaus Wien, 23. Oktober bis 8. Februar 2026. Zur Ausstellung ist ein umfassender Katalog erschienen. )
(APA)