Experten: Mercosur bietet Chancen für Austro-Industrie
Bei einem von der EU-Kommission und gewichtigen Unionsmitgliedsstaaten vorangetriebenen Pakt mit Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Bolivien (seit 2024 dabei) würde das weltweit größte Handelsabkommen entstehen. Der neue Wirtschaftsraum hätte 770 Millionen Einwohner. Zu den Kritikern zählen vor allem Agrarier, Arbeitnehmervertreter und Umweltschützer, zu den Befürwortern die Industrie und Wirtschaftsvertreter.
"Das Mercosur-Abkommen ist eine wichtige Ergänzung zu bestehenden Handelsbeziehungen, ersetzt diese aber nicht", so UniCredit-Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. "Die Wirtschaftskraft der Mercosur-Staaten beträgt nur rund zehn Prozent jener der USA."
Österreich exportierte voriges Jahr Waren im Wert von 1,3 Mrd. Euro in die Mercosur-Staaten. Das seien zwar nur 0,7 Prozent aller Ausfuhren gewesen, aber: "Der Wegfall von Zöllen von bis zu 35 Prozent auf Fahrzeuge und 20 Prozent auf Maschinen würde der gegenwärtig unter Druck stehenden Industrie etwas Entlastung verschaffen", sagt UniCredit-Bank Austria Ökonom Robert Schwarz. Die Industrieregionen Oberösterreich und Steiermark stehen für fast die Hälfte der österreichischen Mercosur-Exporte. Salzburg punktet dank der Getränkeindustrie, Wien vor allem durch Pharmaprodukte.
"Abkommen bringt neue Exportchancen"
"Das Abkommen eröffnet Österreichs Industrie neue Exportchancen und stärkt ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit", so Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. "Der durchschnittliche Zollsatz für österreichische Exporte in die Mercosur-Länder lag 2024 bei rund 10 Prozent und verursachte Kosten von etwa 130 Mio. Euro", rechnet Schwarz vor. Mit Inkrafttreten des Abkommens würden über 90 Prozent der Zölle entfallen. Besonders ausgeprägt wäre die Entlastung durch den Zollabbau in den Sektoren Fahrzeugbau, Getränkeindustrie und Maschinenbau, da diese derzeit den höchsten durchschnittlichen Zollbelastungen unterliegen.
2024 generierte die Nachfrage der Mercosur-Staaten nach Gütern - direkt oder über Zulieferketten - eine Wertschöpfung in Österreich von rund 700 Millionen Euro, so die Experten. Daran hingen rund 5.000 Arbeitsplätze in der Industrie. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission könnte das Abkommen die EU-Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen nach Südamerika um rund 40 Prozent steigern.
Übertragen auf Österreich entspräche das laut Bank Austria einem zusätzlichen Wertschöpfungseffekt in der hiesigen Industrie von rund 300 Millionen Euro. Dazu komme ein Beschäftigungseffekt von rund 2.000 zusätzlichen Industriearbeitsplätzen. Am meisten würden die Regionen Oberösterreich und die Steiermark vom Handelsabkommen mit Mercosur profitieren. Die oberösterreichische Industrie kann mit zusätzlich 80 Millionen Euro Wertschöpfung und 550 Arbeitsplätzen rechnen und die Steiermark mit zusätzlich 50 Millionen Euro Wertschöpfung und 350 Beschäftigten.
Ein positiver Vertragsabschluss würde die industrielle Wertschöpfung in Salzburg, Wien und Niederösterreich um knapp 40 Millionen Euro erhöhen und etwa 300 neue Industriearbeitsplätze schaffen. In Tirol wäre der Effekt mit zusätzlicher Wertschöpfung von 25 Millionen Euro und 150 Arbeitsplätzen etwas geringer. In Vorarlberg, Kärnten und im Burgenland läge der Wertschöpfungseffekt bei unter 10 Millionen Euro und weniger als 100 Arbeitsplätzen.
"Druck" auf Landwirtschaft
Gleichzeitig wachse aber der Druck auf die heimische Landwirtschaft, die mit billigeren Fleischimporten aus Südamerika konkurrieren müsse, so die Bank-Ökonomen. Wifo-Ökonom Harald Oberhofer beruhigte kürzlich im APA-Interview rund um Sorgen im Agrarbereich: Zollfrei in die gesamte EU eingeführt werden könnten beim Rindfleisch etwa 99.000 Tonnen. Das entspricht 1,5 Prozent des EU-Rindfleischmarktes. Zudem verwies Oberhofer auf die Schutzklauseln, den seitens der EU-Kommission angekündigten Ausgleichsfonds und darauf, dass über die Quoten hinaus die bisher gültigen Zollsätze bestehen bleiben.
Es könnten sich mittelfristig sogar Chancen für österreichische Bauern ergeben, meinte der Wifo-Forscher - wenn nämlich im Mercosur-Raum ein Markenschutz wie in der EU umgesetzt werde. Dann wären geschützte heimische Produkte wie beispielsweise Gailtaler Almkäse, Steirisches Kürbiskernöl oder Tiroler Speck auch in den Mercosur-Staaten nach Ursprung oder geografischer Angabe geschützt.
(APA)