Urzeit-Bergsturz verwüstete das Rheintal – bis zum Bodensee

Einer der gewaltigsten Bergstürze der Erdgeschichte ereignete sich laut einem SRF-Bericht vor fast 9500 Jahren im heutigen Kanton Graubünden.
Ein Berg zerfällt – mit weitreichenden Folgen
Damals stürzte ein erheblicher Teil des Flimsersteins ins Tal – mit einer Wucht, die das Gelände auf 50 Quadratkilometern veränderte. "Ein ganzer Berg ist damals zerfallen und hat sich im Tal über ein Gebiet von 50 Quadratkilometern ausgebreitet. Er hat auch Überschwemmungen verursacht und die Landschaft bis hin zum Bodensee verwüstet", sagte der emeritierte Geologieprofessor Adrian Pfiffner gegenüber dem SRF.
Rheinschlucht entstand durch den Bergsturz
Die Geröllmassen schufen die heutige Ruinaulta – eine spektakuläre Schlucht des Vorderrheins zwischen Reichenau und Ilanz. Diese landschaftliche Besonderheit, die heute dicht bewaldet ist, zeugt noch immer vom Ausmaß des Bergsturzes, der laut Pfiffner rund tausendmal größer war als jener von Blatten im Mai 2025.
Was die Rheinschlucht (Ruinaulta) so besonders macht
Heute gilt die Ruinaulta als eines der eindrucksvollsten Geotope Europas – auch bekannt als "Grand Canyon der Schweiz". Seit 1977 steht sie unter nationalem Landschaftsschutz. Neben ihrer geologischen Bedeutung bietet sie eine enorme biologische Vielfalt mit seltenen Pflanzenarten wie Orchideen und geschützten Tierarten, darunter Vögel, Schmetterlinge und Fledermäuse.
Die Schlucht lässt sich vielfältig erleben: Ob zu Fuß auf aussichtsreichen Wanderwegen, mit dem Rad oder Mountainbike, per Rafting oder Kajak auf dem Vorderrhein oder ganz bequem mit der Rhätischen Bahn – Besucherinnen und Besucher können das Gebiet aus unterschiedlichsten Perspektiven entdecken.
Weitere Informationen: chur.graubuenden.ch – Rheinschlucht entdecken
Wissenschaftliche Rekonstruktion durch seismische Messungen
Wie konnte das Ausmaß eines so alten Ereignisses festgestellt werden? Die Forscher analysierten laut SRF die Oberfläche der Trümmerhalde und kombinierten diese Ergebnisse mit seismischen Messdaten. Organische Überreste – insbesondere Holzstücke, die zwischen den Gesteinsmassen gefunden wurden – ermöglichten eine präzise Datierung: Alle stammten aus der gleichen Zeit, was auf ein einziges Ereignis innerhalb weniger Minuten hinweist.
Wiederholungsgefahr? Expertenmeinungen gehen auseinander
Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, hält gegenüber dem SRF ein Ereignis dieser Größenordnung heute für "sehr unwahrscheinlich". Die damalige Instabilität sei vor allem durch das Abschmelzen der Gletscher am Ende der letzten Eiszeit verursacht worden, was heutzutage in diesem Ausmaß nicht mehr gegeben sei. Dennoch betont Huss, dass größere Bergstürze – wie jener am Aletschgletscher vor neun Jahren – weiterhin möglich sind.
Adrian Pfiffner hingegen warnt vor voreiligen Schlüssen. Viele große Bergstürze der Vergangenheit ereigneten sich während Erwärmungsphasen. Angesichts der aktuellen, durch den Menschen verursachten Klimaerwärmung, deren Dynamik weitaus schneller sei als jene in der Urzeit, könne ein erneutes Großereignis nicht ausgeschlossen werden.
Klimawandel destabilisiert das Gebirge
Einigkeit besteht jedoch in einem Punkt: Die Alpen werden mit jedem Grad Erderwärmung instabiler. Verantwortlich dafür sei vor allem der schmelzende Permafrost sowie zunehmende Starkregenereignisse. Sicher sei nur, dass die Prognosemöglichkeiten begrenzt bleiben.
Fakten im Überblick
- Ort des Ereignisses: Flimserstein, 20 Kilometer westlich von Chur (Graubünden)
- Zeitpunkt: Vor etwa 9500 Jahren
- Größe: 50 Quadratkilometer betroffene Fläche, etwa 11 Milliarden Kubikmeter Geröll
- Folgen: Bildung der Rheinschlucht, Verwüstung bis zum Bodensee
- Gefahr heute: Sehr große Bergstürze möglich, Ausmaß wie Flims jedoch laut Experten „sehr unwahrscheinlich“
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