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Tschernobyl: Dieser radioaktive Pilz frisst Strahlung – und schützt Leben

©APA/AFP/DIMITAR DILKOFF; Canva
Ein virales Video zeigt einen angeblichen Pilz aus Reaktor 4 – das Bild ist KI-generiert, doch den Pilz gibt es wirklich. Cladosporium sphaerospermum nutzt radioaktive Strahlung als Energiequelle – und könnte sogar Astronauten schützen.

Ein TikTok-Video sorgt derzeit für Furore: Es zeigt angeblich einen schwarzen Pilz im Inneren von Reaktor 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl. Das gezeigte Bild ist jedoch eindeutig KI-generiert. Trotzdem steckt hinter der Geschichte ein reales, wissenschaftlich belegtes Phänomen.

Der Pilz, der Strahlung liebt

Der Pilz Cladosporium sphaerospermum wurde nach der Reaktorkatastrophe 1986 in der Sperrzone entdeckt. Auffällig war, dass er bevorzugt in besonders stark verstrahlten Bereichen wuchs – vor allem an den Wänden von Reaktorblock 4.

Der Pilz gehört zur Gruppe der sogenannten radiotrophen Pilze: Er nutzt ionisierende Strahlung, um seinen Stoffwechsel anzutreiben.

Melanin als Energiequelle

Das Geheimnis liegt im hohen Melaningehalt des Pilzes. Während das Pigment beim Menschen vor UV-Strahlung schützt, wandelt es bei Cladosporium sphaerospermum Gammastrahlung in chemische Energie um.

Forschende bezeichnen diesen Prozess als Radiosynthese – ein Strahlungs-Pendant zur Photosynthese bei Pflanzen.

Anwendungsmöglichkeiten in Forschung und Raumfahrt

In einem Fachartikel der Zeitschrift "PLOS ONE" wurde bereits 2007 belegt, dass radiotrophe Pilze in verstrahlter Umgebung schneller wachsen. Auch andere Arten wie Wangiella dermatitidis und Cryptococcus neoformans zeigen ähnliche Eigenschaften.

Der Pilz wurde sogar zur Internationalen Raumstation (ISS) geschickt. Dort untersuchen Wissenschafter, ob er sich als natürlicher Schutz gegen kosmische Strahlung eignet. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Pilz tatsächlich einen Teil der Strahlung abschirmen kann.

Hoffnungsträger für Bioremediation

Laut einem Bericht in "FEMS Microbiology Letters" könnten radiotrophe Pilze künftig bei der Reinigung radioaktiv belasteter Orte helfen. Dieses Verfahren nennt sich Bioremediation: Schadstoffe werden mithilfe lebender Organismen gebunden oder abgebaut.

Der US-Biologe Scott Travers betont in einem Artikel bei "Forbes", dass der Pilz sich an Strahlungsniveaus angepasst habe, die für andere Lebensformen tödlich seien. Die Erkenntnisse aus der Forschung könnten später auch in Medizin, Landwirtschaft oder Raumfahrt Anwendung finden.

Häufig gestellte Fragen

Gibt es wirklich Pilze, die Strahlung nutzen?
Ja, radiotrophe Pilze wie Cladosporium sphaerospermum wandeln Strahlung in chemische Energie um.

Wo wurde der Pilz entdeckt?
Nach der Reaktorkatastrophe 1986 wurde er in Tschernobyls Sperrzone, speziell in Reaktorblock 4, gefunden.

Wie funktioniert Radiosynthese?
Melanin im Pilz absorbiert Gammastrahlung und wandelt sie in chemische Energie um, ähnlich der Photosynthese.

Könnte der Pilz in der Raumfahrt eingesetzt werden?
Ja, erste Versuche auf der ISS zeigen, dass der Pilz kosmische Strahlung teilweise abschirmen kann.

Was bedeutet Bioremediation im Zusammenhang mit dem Pilz?
Dabei werden Pilze zur Reinigung kontaminierter Orte eingesetzt – etwa nach Atomunfällen.

(VOL.AT)

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