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"Für viele geht's um Ehre": Forscher erklärt Fan-Gewalt im Fußball

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Die Bilder aus Lustenau gingen viral: Rund 150 Fans von 1860 München, dem FC Augsburg und Austria Lustenau prügelten sich am Samstag im Rheinvorland. Warum es solche Gewalt fast nur im Fußball gibt? VOL.AT hat bei einem Experten nachgefragt.
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Während in der neuen Sun Minimeal Arena in Lustenau Tausende feierten, eskalierte es hinter dem Stadion: Rund 150 gewaltbereite Fans lieferten sich eine brutale Auseinandersetzung. Ausgerechnet zur Eröffnung eines Fußballfestes.

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Wenn der Fußball zur Bühne für Gewalt wird

Ein Bild, das sich in Köpfe brennt: Dutzende Menschen prügeln sich im Grünen, Flaschen fliegen, die Polizei muss eingreifen. Schauplatz: das Lustenauer Rheinvorland. Anlass: ein Freundschaftsspiel mit Festcharakter.

Die feierliche Eröffnung der Sun Minimeal Arena wurde von einem Vorfall überschattet, der weit über die Gemeindegrenzen hinaus für Diskussionen sorgt. Rund 150 Anhänger von Austria Lustenau, 1860 München und dem FC Augsburg gingen laut Polizei aufeinander los.

Gewalt unter Fußballfans: Ein exklusives Phänomen

Warum kommt es ausgerechnet beim Fußball immer wieder zu solchen Szenen, bei einem Sport, der Millionen verbindet?

Assistenzprofessor Dr. Johannes Müller, Leiter der Abteilung soziologische Aspekte von Sport, Bewegung und Gesundheit des Instituts für Sport- und Bewegungswissenschaft an der Universität Wien, beschäftigt sich unter anderem mit den soziologischen Aspekten von Sport. Er meint: "Die Frage ist komplex, es gibt aber Erklärungsansätze."

Fußball ist ein Ort, an dem Männlichkeit ausgehandelt wird

Fußball sei trotz gesellschaftlicher Veränderungen weiterhin ein männlich geprägtes Handlungsfeld, beim Spielen wie beim Zusehen. Für viele Männer sei der Verein Teil der eigenen Identität. Der Experte spricht in diesem Zusammenhang auch von Lokalpatriotismus.

Dr. Johannes Müller ist der Leiter der Abteilung soziologische Aspekte von Sport, Bewegung und Gesundheit des Instituts für Sport- und Bewegungswissenschaft an der Universität Wien. ©Privat

Müller erklärt: "Fußball und sein Konsum sind Möglichkeiten, Männlichkeit zu konstruieren. Es geht um Ehre und Respekt." Ein Angriff auf das eigene Fanlager wird schnell als Angriff auf die eigene Person verstanden – eine gefährliche Dynamik.

Kollektives Wir-Gefühl als Brandbeschleuniger

Zur Emotionalität kommt laut Müller ein weiteres Element hinzu: Kameraderie. Die Loyalität zur eigenen Gruppe kann dazu führen, dass aus eigentlich harmlosen Situationen schnell Aggression wird. "Man ist bereit, für die Gruppe einzustehen, um ihre Ehre zu retten", sagt Müller.

Außerdem ist körperliche Gewalt laut Forschung nach wie vor ein "männlich konnotiertes Ausdrucksmittel", was die Eskalationsbereitschaft zusätzlich befeuert.

Hooligans: Ein historisch gewachsenes Phänomen

Die Gewaltbereitschaft im Fußball sei auch deshalb einzigartig, weil die Fankultur historisch eine andere ist als bei anderen Sportarten. "Es gibt eine gewachsene Hooligan-Kultur im Fußball, die es etwa im Handball oder Eishockey in dieser Form nicht gibt", so Müller.

In anderen Sportarten sei auch eine gewisse Distanzierungsfähigkeit eher gegeben als im Fußball. Das bedeutet, dass die Fans anderer Sportarten nicht jede Emotion oder jedes Ereignis persönlich nehmen. Im Fußball dagegen identifizieren sich viele über das Fan-Dasein selbst.

Gewalt kennt keine Liga-Grenzen

Bemerkenswert: Solche Eskalationen treten unabhängig vom Leistungsniveau auf – von der Bundesliga bis zur 5. Landesklasse. "Es sind aber Einzelfälle, gemessen an der Gesamtanzahl an Spielen, die Woche für Woche stattfinden", betont Müller.

Die Gewalt von Lustenau ist kein Einzelfall, aber sie ist auch kein flächendeckendes Abbild des Fußballs. Das macht sie nicht weniger beunruhigend. Die Hoffnung bleibt, dass der Fußball wieder zum verbindenden Ereignis wird und nicht zur Bühne für Gewalt.

(VOL.AT)

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