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Die Heilung für Diabetes? Stammzellen machen Amanda insulinfrei

Neuer Hoffnungsschimmer für Diabetespatienten - Durchbruch in der Forschung.
Neuer Hoffnungsschimmer für Diabetespatienten - Durchbruch in der Forschung. ©AFP, APA
Eine neuartige Zelltherapie könnte das Leben von Menschen mit Typ-1-Diabetes grundlegend verändern.

In einer klinischen Studie waren zehn von zwölf Patientinnen und Patienten nach einer einmaligen Stammzellen-Infusion über ein Jahr lang insulinfrei. Die Therapie gilt als Meilenstein – birgt aber auch Risiken, wie CablePulse24, ein kanadischer Nachrichtensender, berichtet.

Erste Ergebnisse wecken Erwartungen

Die heute 36-jährige Amanda Smith erinnert sich noch genau an den 1. August – den Tag, an dem sie vor zwei Jahren zum letzten Mal Insulin spritzte. "Ich erinnere mich, dass ich Angst und gleichzeitig Aufregung gespürt habe – und jetzt ist das Geschichte", sagt die Krankenschwester aus London, Ontario. Seither lebt sie ohne Insulin – dank einer experimentellen Zelltherapie im Rahmen einer klinischen Studie.

Veröffentlicht wurde die Untersuchung im renommierten Fachjournal New England Journal of Medicine. Zwölf Probanden mit Typ-1-Diabetes erhielten eine Infusion stammzellabgeleiteter Zellen, die sich in der Leber zu insulinproduzierenden Einheiten entwickelten. Zehn der Teilnehmer benötigten danach über mindestens ein Jahr kein Insulin mehr. Schwere Unterzuckerungen traten nicht auf.

Reaktion wie natürliche Inselzellen

"Es ist das erste Mal, dass wir eine derartige Reaktion auf implantierte stammzellabgeleitete Inselzellen sehen", erklärt Dr. Trevor Reichman, chirurgischer Leiter des Transplantationsprogramms am University Health Network in Toronto und Hauptautor der Studie. Die Zellen wurden vom US-Biotechnologieunternehmen Vertex entwickelt und aus embryonalem Gewebe gewonnen.

Innerhalb weniger Monate bildeten sich in der Leber funktionale Insulinproduzenten. "Die Zellen erkennen Blutzuckerschwankungen in Millisekunden – wie natürliche Inselzellen", so Reichman.

Internationale Kooperation und externe Bestätigung

Neben Einrichtungen in den USA waren auch Kliniken in Toronto, Vancouver und Edmonton beteiligt. Auch außerhalb der Studiengruppe stößt die Therapie auf Interesse. "Die Daten sind unglaublich vielversprechend", sagt Dr. Peter Senior von der University of Alberta. "Zehn von zwölf Patientinnen und Patienten konnten Insulin komplett absetzen – das gab es bisher nicht."

Dr. David Thompson vom Vancouver General Diabetes Centre ergänzt: "Das hat es so noch nie gegeben."

Nebenwirkungen und offene Fragen

Die Behandlung erfordert jedoch eine lebenslange Immunsuppression, um eine Abstoßung der implantierten Zellen zu verhindern. Das erhöht das Risiko für Infektionen, Bluthochdruck und Krebserkrankungen. Zwei Todesfälle im Rahmen der Studie – vermutlich infolge der Immunsuppression – unterstreichen die Bedeutung engmaschiger medizinischer Betreuung.

Für Amanda Smith überwiegt dennoch der Nutzen: "Dreimal am Tag ein paar Tabletten zu nehmen, ist nichts – das ist einfach. Kein Vergleich zu früher."

Neue Perspektiven für die Therapie

Die eingesetzten Zellen – unter dem Namen Zimislecel – könnten eine Alternative zu Spenderorganen darstellen. Bereits vor 25 Jahren hatte das sogenannte Edmonton-Protokoll die Transplantation von Spenderzellen etabliert, jedoch ist die Zahl geeigneter Spender begrenzt. Nun sollen künstlich gezüchtete Zellen Abhilfe schaffen – mit potenziell unbegrenzter Verfügbarkeit.

Ziel der Forschung ist es, Zellen zu entwickeln, die keine Immunsuppression mehr benötigen. Erste Studien mit genetischer Modifikation oder Kapseltechnologien laufen bereits.

Langfristige Wirkung noch unklar

In einer nächsten Phase sollen weitere 50 Personen behandelt werden. Ob die Wirkung dauerhaft anhält und ob Spätfolgen wie Herzprobleme oder Nierenschäden verhindert werden können, ist noch nicht erwiesen. Frühere Studien mit Spenderzellen deuten auf eine Risikosenkung hin – abschließende Daten fehlen jedoch.

Auch Kosten und Langzeiteffekte werden entscheidend sein. "Das wird man abwarten müssen", so Reichman.

Ein Alltag ohne Spritzen

Amanda Smith beschreibt ihr Leben heute als befreit. "Ich nehme kein Insulin mehr. Ich nehme keine Medikamente gegen Diabetes. Ich fühle mich wieder wie ein ganz normaler Mensch – ohne Diabetes."

Die wichtigsten Fakten

Worum geht es?

Zwölf Personen erhielten eine Zellinfusion gegen Typ-1-Diabetes. Zehn blieben über ein Jahr insulinfrei.

Wer ist betroffen?

Bisher wurden zwölf erwachsene Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes behandelt.

Weitere Informationen?

Studie veröffentlicht im "New England Journal of Medicine"; weitere Studien geplant.

(VOL.AT)

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