Schweiz erhöht Mehrwertsteuer und "Lohnprozente" - So trifft das die Grenzgänger

Mit knapper Mehrheit hat der Ständerat am Mittwoch die Finanzierung der 13. AHV-Rente beschlossen. Die jährlichen Zusatzkosten von bis zu fünf Milliarden Franken sollen künftig durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und sogenannter „Lohnprozente“ getragen werden – also durch höhere Beitragssätze zur Sozialversicherung. Ein Vorschlag, der nicht nur innenpolitisch zu Diskussionen führt, sondern auch volkswirtschaftlich brisant ist.
Ab 2026 gibt es die "Dreizehnte"
Im März 2024 hatte das Schweizer Stimmvolk überraschend deutlich für die Einführung einer zusätzlichen Altersrente gestimmt – der sogenannten 13. AHV-Rente. Bereits ab Dezember 2026 soll sie ausbezahlt werden. Die 13. AHV-Rente soll dann jährlich im Dezember ausgezahlt werden. Im Todesfall haben die Erben der Rentenberechtigten aber keinen Anspruch auf eine anteilsmäßige Auszahlung der 13. AHV-Rente.
Der politische Auftrag war klar, die Finanzierung jedoch völlig offen. Nun hat der Ständerat ein Modell verabschiedet, das auf zwei Säulen basiert: Konsumenten zahlen mehr beim Einkauf, und Erwerbstätige leisten höhere Beiträge zur Alters- und Hinterlassenenversicherung.
Konkret sollen die Beitragssätze ab dem 1. Jänner 2028 um 0,4 Prozentpunkte steigen. Gleichzeitig wird der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,2 Punkte gesenkt, wodurch sich die effektive Mehrbelastung für Beschäftigte auf 0,2 Prozentpunkte reduziert. Parallel dazu erhöht sich die Mehrwertsteuer um 0,5 Prozentpunkte. Diese Maßnahme betrifft alle Konsumenten – unabhängig vom Einkommen.
Auswirkungen auf Grenzgänger aus Vorarlberg
Für Grenzgänger aus Vorarlberg, die in der Schweiz arbeiten, wirkt sich die Erhöhung auf ihr Nettogehalt auswirken. Höhere Beitragssätze bedeuten ein geringeres Nettogehalt. Rentenberechtigt sind alle Grenzgänger, die zumindest 12 Monate in der Schweiz gearbeitet haben.
Factbox
-
Die AHV-Rente ist der bedeutendste Pfeiler der Alters- und Hinterlassenenversicherung in der Schweiz und soll den Existenzbedarf im Alter oder im Todesfall decken. Die Rente wird von den AHV-Beiträgen der Erwerbstätigen finanziert.
Rentenhöhe
- Minimalrente: Die minimale monatliche Altersrente beträgt 1.260 Franken.
- Maximalrente: Die maximale monatliche Altersrente beträgt 2.520 Franken.
- Rentenhöhe hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Anzahl der gezahlten AHV-Beiträge: Wer alle Beiträge gezahlt hat, erhält eine Vollrente.
- Durchschnittseinkommen: Je höher das Einkommen, desto höher die Beiträge und die Rente.
- Ehestand: Bei verheirateten Personen oder eingetragenen Partnern ist die Summe der Renten auf 150 % der Maximalrente für Einzelpersonen begrenzt.
- Beispiel: Um die Maximalrente zu erhalten, muss man durchschnittlich mindestens 88.200 Franken pro Jahr verdienen.
Referenzalter
- Männer: Das Referenzalter für Männer liegt bei 65 Jahren.
- Frauen: Das Referenzalter für Frauen liegt bei 64 Jahren und erhöht sich ab 2025 schrittweise um jeweils drei Monate pro Jahr.
Beitragssätze könnten weiter steigen
Das verabschiedete Finanzierungsmodell ist zweistufig angelegt. Die erste Stufe soll ausschließlich die 13. AHV-Rente absichern und jährlich rund 3,7 Milliarden Franken einbringen. Die zweite Stufe greift nur, wenn weitere Reformen beschlossen werden – etwa die Abschaffung des sogenannten Ehepaar-Plafonds, der heute die AHV-Renten für Ehepaare auf 150 Prozent einer Einzelrente begrenzt. Wird diese Grenze aufgehoben, ist eine zusätzliche Erhöhung der Mehrwertsteuer um weitere 0,5 Punkte sowie ein weiterer Anstieg der Beitragssätze vorgesehen. Dies könnte frühestens 2036 erfolgen, abhängig vom Stand des AHV-Fonds.
Politischer Kompromiss – aber tiefe Gräben
Zwar stimmten Mitte, SP und Grüne für das Modell, doch es gab deutliche Kritik, vor allem von SVP und FDP. „Wir wollen dem Bürger ans Portemonnaie, ohne zu wissen, wie die AHV langfristig stabilisiert werden soll“, kritisierte FDP-Ständerat Josef Dittli. Die Gegner fordern, die Finanzierung im Rahmen der nächsten großen AHV-Reform ab 2030 zu regeln – mit strukturellen Maßnahmen wie einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Doch diese Debatte wurde vom Volk bereits abgelehnt: Eine Anhebung auf 66 Jahre scheiterte deutlich.
Wirtschaft warnt, Gewerkschaften loben
Während Wirtschaftsvertreter vor einer Mehrbelastung der Unternehmen warnen, begrüßen Sozialpolitiker und Gewerkschaften den Kompromiss. Mitte-Ständerat Erich Ettlin betonte: „Wir stehen in der Verantwortung, die 13. AHV-Rente zu finanzieren.“ SP-Politiker Pierre-Yves Maillard sprach von einem „großen Kompromiss“, der auf breite Schultern verteilt sei.
Auch die Gewerkschaften zeigen sich zufrieden. Besonders positiv bewertet wird, dass nicht nur die Erwerbstätigen, sondern auch Pensionisten durch die Mehrwertsteuer zur Finanzierung beitragen.
Das Fazit
Die Schweiz schlägt einen politischen Mittelweg ein: Die 13. Rente kommt, die Finanzierung erfolgt breit verteilt. Doch der Umbau der Altersvorsorge wird damit nicht abgeschlossen sein. Die Frage, wie solidarisch die Finanzierung zwischen Generationen und sozialen Gruppen gestaltet sein soll, bleibt bestehen – ebenso wie die Herausforderung, das System langfristig abzusichern.
(VOL.AT)