"Mehr Loyalität erwartet": Elisabeth Sereda kritisiert "Kurier" nach Eastwood-Debakel
Nach der Aufregung um ein im "Kurier" erschienenes Interview mit Clint Eastwood, das der Hollywoodstar als "frei erfunden" bezeichnet hatte, hat sich nun die verantwortliche Journalistin Elisabeth Sereda zu Wort gemeldet. In der ORF-Sendung "Guten Morgen Österreich" verteidigte sie ihr Vorgehen und sagte, der "Kurier" habe gewusst, dass es sich um kein aktuelles Interview handelte. "Kurier"-Chefredakteur Martin Gebhart widersprach dem auf APA-Anfrage entschieden.
Erweckte fälschlicherweise den Eindruck eines aktuellen Interviews mit dem Hollywoodstar
Der Text ist anlässlich des 95. Geburtstags von Eastwood vor mehreren Tagen im "Kurier" erschienen - in Form eines Frage-Antwort-Interviews. Dass dadurch der Anschein eines aktuellen Gesprächs erweckt wurde, zeigt nicht zuletzt, dass zahlreiche Medien Zitate aus dem Interview übernahmen. Auch die international tätige Nachrichtenagentur Reuters übersetzte viele Auszüge aus dem "Kurier"-Artikel, wodurch die Aussagen sich schnell verbreiteten. Reuters hat die Meldung mittlerweile zurückgezogen. Eastwood selbst sagte, er habe in den vergangenen Wochen keine Interviews gegeben und ihm sei auch der "Kurier" nicht bekannt, was selbst die "New York Times" zu einem ausführlichen Artikel bewegte.
Clint Eastwood kennt den "Kurier" gar nicht
Dass Eastwood den "Kurier" nicht kenne, stimme, sagte Sereda nun im ORF. Sie habe im Laufe ihrer Karriere nämlich nicht als "Kurier"-Journalistin, sondern als Mitglied der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) zahlreiche Interviews mit dem Schauspieler und Regisseur geführt. Dabei seien üblicherweise auch andere Journalistinnen und Journalisten anwesend, die allesamt berechtigt seien, das Gesagte für Artikel zu verwenden.
Sereda veröffentlichte ein "Best-of" aus diversen Interviews im "Kurier"
Zu Anlässen wie Geburtstagen sei es üblich, ein "Best-of von mehreren Interviews" zu verwenden. "Und so war es auch hier. Ich habe die Zitate aus mehreren meiner Interviews genommen, um Eastwood und sein Leben zu feiern", so Sereda, die seit einem Jahrzehnt als freie Journalistin für den "Kurier" Interviews mit Stars führt und in der Vergangenheit etwa auch mit dem ORF oder der "Kronen Zeitung" zusammenarbeitete.
"Das wussten sie": Journalistin enttäuscht über abruptes Ende der Zusammenarbeit
Zuletzt habe sie "knapp vor der Pandemie" mit Eastwood in Person gesprochen. Danach habe es meist nur noch Online-Interviews gegeben. Sie hielt fest, dass weder sie noch der "Kurier" das Interview als exklusiv oder neu verkauft hätten. Die Tageszeitung habe auch gewusst, dass sie "das Interview mit Clint Eastwood nicht drei Tage vor Druckdatum bekommen" habe. "Das wussten sie", so Sereda. Daher tue es ihr auch sehr leid, dass der "Kurier" die Zusammenarbeit mit ihr als Reaktion auf die Vorwürfe Eastwoods beendet habe. "Ich hätte mir von einem Medium, für das ich so viele Jahre geschrieben habe, ein bisschen mehr Loyalität erwartet", sagte die Journalistin.
Chefredakteur Gebhart: Wurde "nie auch nur angedeutet"
Auf APA-Anfrage hielt "Kurier"-Chefredakteur Gebhart fest, dass Sereda im Mailverkehr zwischen ihr und dem zuständigen Ressort "nie auch nur angedeutet" habe, dass es sich um kein aktuelles Interview handle. "Der Text wurde als Interview abgeliefert", so Gebhart.
Nicht die letzte Unstimmigkeit in Seredas Texten
Die "ZiB1" ist indes auch in weiteren Texten Seredas auf Unstimmigkeiten gestoßen. So finden sich laut der ORF-Nachrichtensendung etwa in Interviews mit Jude Law, Mia Farrow oder auch Ben Affleck Aussagen, die anderswo wortgleich getätigt wurden. Der "Kurier" will auch das überprüfen. "Das müssen und werden wir uns anschauen", sagte Gebhart.
Sereda hielt damit in "Guten Morgen Österreich" konfrontiert fest, dass "Schauspieler und Regisseure von vielen Menschen die gleichen Fragen" gestellt bekämen. Auch wies sie erneut darauf hin, dass bei vielen Interviews Kolleginnen und Kollegen dabei seien, die das Gesagte in verschiedenen Ländern verwenden.
Österreichischer Presserat wird in der Causa Eastwood aktiv
Das Eastwood-Interview ist nun Sache des österreichischen Presserats. Mehrere Meldungen sind dazu bereits eingegangen, sagte Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek im APA-Gespräch. Entscheidend für die Bewertung, ob es sich um einen Ethikverstoß handle oder nicht, sei, inwieweit der Eindruck eines aktuellen Interviews erweckt wurde.
Für den vorliegenden Fall ist speziell Punkt 2 des Ehrenkodex für die österreichische Presse relevant. Dieser befasst sich mit Genauigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten. Ein erfundenes Interview wäre klar ein Ethikverstoß, sagte Warzilek. Jedoch gab Elisabeth Sereda an, dass alle Aussagen auch tatsächlich so von Eastwood getätigt worden seien.
Entscheidung des Presserats wohl im September
Einen derartigen Fall habe man beim Presserat so noch nicht behandelt, sagte Warzilek. Entscheidend werde sein, ob der Eindruck eines aktuellen Interviews erweckt wurde oder doch ausreichend erkennbar war, dass die Journalistin Eastwood nicht kürzlich zum Gespräch traf. Mit einer Entscheidung ist aufgrund der baldigen Sommerpause nicht vor September zu rechnen.
(APA/Red)