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Essstörungen bei Mädchen steigen um 50 Prozent

Die Influencerin Hannah Muehi macht immer wieder auf die Realität aufmerksam.
Die Influencerin Hannah Muehi macht immer wieder auf die Realität aufmerksam. ©Canva (Symbolbild), @hannah.muehi/Instagram
Harte Daten zu Magersucht, Bulimie und Binge Eating einer landesweiten deutschen Krankenkasse beweisen den Zusammenhang zwischen Selbstoptimierungszwängen, Social-Media-Plattformen und Gesundheitsproblemen.

Zwischen 2019 und 2023 stieg die Häufigkeit der schwerwiegenden Essstörungen bei zwölf- bis 17-jährigen Mädchen um beinahe 50 Prozent.

Am heutigen Welttag der Essstörungen wird weltweit auf die Gefahren und Folgen von Essstörungen aufmerksam gemacht. Der Aktionstag soll Betroffene, Angehörige und die Gesellschaft für das Thema sensibilisieren und die oft unsichtbaren Krankheitsverläufe in den Fokus rücken. Ziel ist es, über Ursachen, Warnsignale und Hilfsangebote zu informieren und damit auch einem steigenden gesellschaftlichen Druck auf junge Menschen entgegenzuwirken.

Besonders junge Betroffene

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), eine in Deutschland landesweit mit rund 1,5 Millionen Versicherten tätige Krankenversicherung, hat sich die eigenen Zahlen genau angesehen und einen mehr als beunruhigenden Trend herausgefunden: Unter den 90.300 Mädchen und Burschen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren ihrer Versicherten wurde in den vergangenen Jahren bei den jungen Frauen eine drastische Zunahme der ärztlichen Diagnosen bezüglich Magersucht, Bulimie und Binge Eating mit exzessiven Essattacken festgestellt.

Zunehmende Fälle

Laut den Daten der deutschen Krankenkasse haben die Fälle von Magersucht, Bulimie und Binge Eating bei den zwölf- bis 17-jährigen Mädchen besonders stark zugenommen. "Vom Vor-Corona-Jahr 2019 bis 2023 von 101 auf 150 Fälle pro 10.000 Versicherte. Das entspricht einem Plus von fast 50 Prozent", schrieb die Krankenversicherung vor wenigen Tagen.

"In einer Lebensphase, in der die eigene Identität noch nicht gefestigt und das Selbstwertgefühl oft nur schwach ausgeprägt ist, können übersteigerte Ansprüche an das eigene Aussehen zu einer großen Belastung werden. Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Essstörungen", sagte dazu die KKH-Psychologin Franziska Klemm.

Virtuelle "Beauty-Polizei"

In keiner anderen Alters- und Geschlechtergruppe sei der Anstieg innerhalb des Beobachtungszeitraums derart groß gewesen. "Zum Vergleich: Bei den gleichaltrigen Burschen stagnierte die Zahl der Betroffenen im selben Zeitraum nahezu (plus etwas mehr als vier Prozent; Anm.)", stellte die Krankenkasse fest.

Für die Psychologin sind die auf Social-Media-Plattformen propagierten Bilder und Videos ein wesentlicher Faktor, welcher die Entwicklung anheizt. "In den zahllosen TikTok- und YouTube-Videos erzählen schlanke, schöne Frauen von ihrer 'Reise zum Idealkörper', dokumentieren, wie sie ihre Morgen- und Abendroutinen mit gesunder Ernährung, Achtsamkeitspraktiken und viel Sport optimieren, um zur perfekten Version ihrer selbst zu werden. Außerdem prangert die virtuelle Beauty-Polizei immer wieder neue Schönheitsmakel an – etwa zu runde, volle Gesichter ('Cortisol Face') oder gar 'übergewichtige große Zehen' ('Toebesity')", schrieb die deutsche Krankenversicherung.

Selbst eventuell nicht davon betroffen zu sein, bedeute keinesfalls, dass diese Phänomene unterschätzt werden sollten. "Was für viele Menschen völlig absurd klingt, setzt vor allem pubertierende Mädchen unter Druck. Das gilt vor allem für das vermeintlich ideale Frauenbild: dünn, normschön und erfolgreich. Die dafür notwendige Selbstkasteiung befeuert das Streben nach Perfektion und vermittelt letztendlich das Gefühl, nie gut genug zu sein", hieß es in der Aussendung.

Mädchen und junge Frauen als Opfer

Die Gesundheitspsychologin führte für die enorme Rolle der Social-Media-Szene plausible Faktoren an: "Während Stars wie Supermodels oder Hollywood-Schauspieler ohnehin unerreichbar scheinen, herrscht in sozialen Medien eine gewisse Nahbarkeit. Das erweckt den Eindruck, als sei es durchaus möglich, denselben Lifestyle zu leben wie viele Influencerinnen."

Besonders anfällig seien Mädchen, denn sie würden durch solche Videos nicht nur direkt angesprochen, sondern beschäftigten sich auch mehr mit sich selbst als Burschen. Sie verglichen sich viel häufiger in sozialen Medien, spürten einen höheren Druck, Schönheitsidealen zu entsprechen. Die jungen Frauen seien auch empfindsamer für Kontrollverluste. Vielen Heranwachsenden sei auch gar nicht bewusst, dass das Leben auf Social Media in der Regel inszeniert und somit alles andere als alltagstauglich sei.

Mythen von Essstörungen

  • Essstörungen sind eine bewusste Entscheidung
    Fakt: Essstörungen sind ernsthafte psychische Erkrankungen mit komplexen Ursachen
  • Nur Mädchen oder Frauen haben Essstörungen
    Fakt: Auch Jungen und Männer haben Esstörungen, allerdings bleiben sie häufiger unerkannt
  • Man erkennt Essstörungen immer am Aussehen
    Fakt: Nicht alle Betroffene sind stark untergewichtig, viele Menschen haben ein "normales" Körpergewicht, es ist eine psychische Krankheit
  • Essstörungen gehen "von selbst" wieder weg
    Fakt: Ohne professionelle Hilfe verlaufen Essstörungen häufig chronisch
  • Wer isst, hat keine Essstörung
    Fakt: Auch Menschen mit Essstörungen essen – aber das Verhältnis zum Essen ist gestört
  • Es geht bei Essstörungen nur ums Essen
    Fakt: Essen ist oft nur das sichtbare Symptom. Die Ursachen liegen meist tiefer – etwa in einem gestörten Selbstwertgefühl, psychischen Belastungen oder traumatischen Erfahrungen.
  • Social Media ist schuld an Essstörungen
    Fakt: Social Media kann durchaus ein Risikofaktor sein, doch auch vor der Social-Media-Zeit gab es die Krankheit bereits

Beratungsstellen für Essstörungen

  • Take care – Fachstelle für Essstörungen
    +43 5522 200 1700
    essstoerungen@caritas.at
  • femail – Informationen von Frauen für Frauen
    +43 5522 31 002
    info@femail.at
  • Clean Bludenz
    +43 5552 65040
    clean.bludenz@mariaebene.at

(APA, VOL.AT)

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