"Die Leute arbeiten sich kaputt" – Postgewerkschaft kritisiert neues Zustellsystem

Mit scharfer Kritik reagiert Franz Mähr, Landesvorsitzender der Postgewerkschaft Vorarlberg, auf das neue Zustellsystem der Österreichischen Post. Im Gespräch mit VOL.AT zeigt er sich besorgt über das Projekt "Fidelio", das seit März schrittweise in ganz Vorarlberg eingeführt wird – mit drastischen Folgen für Personal und Kundschaft.
Video: "Fidelio" sei enorme Belastung für Mitarbeiter
Projekt "Fidelio" – Schrittweise Umstellung mit weitreichenden Folgen
Begonnen hat die Umstellung im März in den drei größten Städten des Landes: Bregenz, Dornbirn und Feldkirch. Im April folgt Lustenau, im Mai dann weitere Regionen. Nur der Bregenzerwald bleibt laut Mähr derzeit noch ausgenommen. Das neue Zustellsystem sieht vor, dass an bestimmten Tagen – insbesondere freitags – nur noch ein Teil der Post ausgeliefert wird. Der Rest bleibt liegen, bis frühestens Dienstag – oder später, je nach Personallage.
"Das heißt konkret: Am Freitag liegt die Hälfte der Sendungen in der Zustellbasis und wird gar nicht erst zugestellt. Am Montag bleibt ein großer Teil davon weiterhin liegen, denn es werden nur E+1-Sendungen, Rückscheinbriefe und Pakete zugestellt. Am Dienstag oder gegebenenfalls am Mittwoch müssen die Zusteller dann doppelt so viel Post verteilen wie üblich. Und das in einem ohnehin schon belasteten Beruf", so Mähr gegenüber VOL.AT.

"Kein Mitarbeiter unter zehn Stunden nach Hause"
Die Folgen sind für die Beschäftigten gravierend. Während die Post laut eigenen Angaben durch "Fidelio" flexibler und effizienter werden will, spricht der Gewerkschafter von einer enormen Mehrbelastung: "Da geht kein Mitarbeiter mehr unter zehn Stunden nach Hause. Am Dienstag und Mittwoch können sich viele eine Stirnlampe mitnehmen, weil sie bis tief in den Abend zustellen müssen. Ein Kollege hat mir heute früh geschrieben, dass er bis 21 Uhr unterwegs sein wird – das ist die Realität."
Gerade an Tagen mit Pensionsauszahlungen, großen Mengen an Sendungen oder bei Engpässen durch Krankenstände droht das System zu kippen. "Die Leute arbeiten sich kaputt. Aber statt mehr Personal zu holen, wird die Zustellung ausgedünnt", sagt Mähr.
Kritik an wirtschaftlichem Nutzen: "Es bringt keinen Gewinn"
Besonders ärgert den Landesvorsitzenden, dass selbst auf Management-Ebene keine wirtschaftlichen Vorteile von "Fidelio" genannt werden können. "Ich habe mit meinem Bereichsleiter gesprochen – das Modell schlägt sich in den Bilanzen nicht positiv nieder. Im Gegenteil: Es bringt keinen Gewinn. Der einzige Effekt: Man kann Arbeitsplätze abbauen."

Mähr sieht darin eine klare Strategie der Post, Stellen zu streichen und Personalkosten zu senken – auf dem Rücken der Beschäftigten und Kundinnen. "Die Servicequalität wird schlechter, das Vertrauen sinkt –
"Kein wahlfreundliches System" – Post Schuld an niedriger Wahlbeteiligung?
Dass das neue System nicht nur den Alltag erschwert, sondern auch demokratische Prozesse beeinträchtigen kann, zeigte sich laut Mähr rund um die jüngste Stichwahl in Dornbirn. "Die Stadt hat die Wahlinformationen am 20. März zur Zustellbasis gebracht. Am 21. März, einem Freitag, wurde nur die Hälfte zugestellt. Die andere Hälfte kam erst am Dienstag – teils sogar am Mittwoch. Und am Sonntag war bereits die Wahl."
Der Landesvorsitzende vermutet schwer, dass "Fidelio" Auswirkungen auf die äußerst niedrige Wahlbeteiligung in Vorarlberg gehabt hat. "Es ist definitiv kein wahlfreundliches System. Wenn das so weitergeht, wird das in Zukunft bei jeder Wahl zum Problem."
"Unsere Stimmen werden ignoriert" – Postführung höre nicht auf Mitarbeiter
Neben der grundsätzlichen Kritik am System beklagt Mähr auch die mangelnde Einbindung der Personalvertretung: "Die Führung der Post hört nicht auf die Menschen, die jeden Tag draußen unterwegs sind. Wir wissen, wo es hakt, wir reden mit den Leuten. Aber unsere Stimmen werden ignoriert."
Der Umgang mit Personalvertretern sei teilweise "respektlos" und von oben herab. "Ich kann da aktuell nicht alles öffentlich machen, aber ich habe Fälle, die wirklich erschreckend sind", erzählt der Postgewerkschafter.
Mitarbeiter am Limit – "Auf Dauer nicht tragbar"

Bereits jetzt sei die Stimmung in vielen Zustellbasen angespannt. Einige Mitarbeiter hätten laut Mähr bereits angedeutet, die Post verlassen zu wollen. Die neue Arbeitsverteilung, die zusätzliche Belastung und die fehlende Wertschätzung seien für viele schlicht nicht mehr tragbar.
"Die Post rechnet damit, dass man am Montag um zehn Uhr fertig ist. Das ist die Theorie. Die Praxis sieht anders aus", erklärt Mähr. Und: "Wenn am Dienstag alles auf einmal kommt, dann reicht der Tag nicht aus. Dann arbeitet man bis spät in die Nacht. Und das ist auf Dauer nicht tragbar."
Gute wirtschaftliche Lage der Post – "Und trotzdem wird gespart"
Besonders unverständlich erscheint dem Gewerkschafter die Umstellung in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage der Post. "Die Post hat im letzten Jahr das beste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Während andere in der Krise waren, ging es der Post hervorragend. Und trotzdem wird gespart – und das auf Kosten derer, die den Erfolg überhaupt erst möglich machen."
(VOL.AT)