Hier essen Vorarlbergs Senioren besonders gerne - zum Ärger der Wirtshäuser?

"Unsere Restaurants erfreuen sich zunehmender Beliebtheit", erklärt XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger. Besonders das Frühstücksangebot und Klassiker wie Schnitzel und Schweinsbraten seien gefragt. INTERSPAR bestätigt die steigende Zahlen ebenfalls. „An manchen Standorten gibt es sogar regelmäßige Senior-Stammtische“, so Sprecherin Nicole Berkmann. VOL.AT war vor Ort und hat sich sein Bild gemacht von der Mittags-Situation in den Restaurants.
„Das ist kein fairer Wettbewerb“ – Kritik von Vorarlbergs Gastronomen
Doch während Möbelhäuser und Handelsketten mit Restaurantkonzepten florieren, wächst in der Gastronomiebranche die Sorge um die Zukunft:
Für Mike Pansi, Sprecher der Vorarlberger Gastronomen, ist der Erfolg der Möbelhaus-Restaurants ein zweischneidiges Schwert. „Diese Betriebe nutzen eine völlig andere Kalkulationsbasis: Der Möbelverkauf querfinanziert die Gastronomie, sodass Dumpingpreise angeboten werden können. Ein traditionelles Wirtshaus kann da wirtschaftlich nicht mithalten.“ Während klassische Gasthäuser hohe Wareneinsätze, Energiekosten und Löhne tragen müssen, läuft die Handelsgastronomie oft nach dem Prinzip „billig, schnell, standardisiert“. Fertigprodukte, minimaler Personaleinsatz und aggressive Preisstrategien schaffen eine Verzerrung, die den Markt beeinflusst.
Noch gravierender seien die langfristigen Auswirkungen: „Gäste gewöhnen sich an unrealistisch niedrige Preise und verlieren den Bezug zum tatsächlichen Wert einer Mahlzeit“, warnt Pansi. Er sieht die Gefahr einer „Geiz-ist-geil-Mentalität“, die Gasthäuser in Bedrängnis bringt.

Konsumverhalten hat sich verändert
Neben dem angesprochene Preis-Leistungs-Verhältnis dürfte auch die Verweildauer eine Rolle spielen. XXXLutz berichtet, dass viele Gäste inzwischen länger bleiben – Kaffee und Kuchen sind längst nicht nur ein Dessert, sondern eine zusätzliche Tagesbeschäftigung. Für Senioren wird das Mittagessen so schnell zu einem ausgedehnten Nachmittagstreffpunkt.
Dazu kommt, dass sich das Essverhalten zwar langsam verändert, aber bewährte Klassiker immer noch dominieren. Während INTERSPAR bei Jüngeren einen klaren Trend zu vegetarischen und veganen Gerichten erkennt – rund 30 % der Gäste wählen mittlerweile fleischlose Optionen –, bleibt XXXLutz bei seinen Bestsellern: "Die Österreicher lieben ihr Schnitzel – daran wird sich so schnell nichts ändern."

Gastronomie als Kultur – Möbelhäuser als Gefahr?
Besonders problematisch findet Pansi den Effekt auf den Arbeitsmarkt: „Möbelhaus-Restaurants bilden keine Köche aus, sondern arbeiten mit angelernten Kräften in standardisierten Abläufen. Das verstärkt den Fachkräftemangel in der Branche und nimmt dem Beruf des Kochs oder Kellners weiter an Attraktivität.“
Doch gibt es eine Lösung? Pansi ist überzeugt: Die klassische Gastronomie muss sich bewusst abgrenzen. Handwerk, Regionalität und persönliche Gastfreundschaft seien die Stärken, die Möbelhäuser nicht bieten könnten. „Ein echtes Wirtshaus lebt von Atmosphäre, Qualität und Bindung – das ist kein Marketinginstrument, sondern gelebte Kultur.“

Soziale und wirtschaftliche Hintergründe
Neben den günstigen Preisen scheinen auch soziale und wirtschaftliche Faktoren eine entscheidende Rolle zu spielen, warum ältere Menschen zunehmend auf Restaurants in Möbelhäusern oder der Handelsgastronomie ausweichen. Viele Seniorinnen und Senioren leben heute nicht mehr in traditionellen Großfamilienstrukturen, sondern oft allein oder in kleinen Haushalten. Der demografische Wandel und gesellschaftliche Veränderungen haben dazu geführt, dass für viele ältere Menschen gemeinsame Mahlzeiten seltener geworden sind – sei es durch den Verlust von Angehörigen oder eine generell veränderte Lebensweise. Gleichzeitig setzen Inflation und steigende Lebenshaltungskosten vor allem Menschen mit niedrigen Pensionen unter Druck. Für sie sind preiswerte Angebote in Handelsketten eine Möglichkeit, mit begrenzten finanziellen Mitteln trotzdem regelmäßig warm zu essen und soziale Kontakte zu pflegen. Diese Restaurants bieten nicht nur günstige Mahlzeiten, sondern offensichtlich auch einen Treffpunkt, an dem sich viele ältere Menschen willkommen fühlen.
Hinzu kommt, dass für viele Seniorinnen und Senioren das tägliche Kochen eine Herausforderung darstellt. Manche sind gesundheitlich nicht mehr in der Lage, regelmäßig selbst zu kochen, andere haben es vielleicht nie gelernt oder schlicht nicht die Mittel, sich vollwertige Mahlzeiten selbst zuzubereiten. In diesem Kontext bieten Möbelhaus-Restaurants und Handelsgastronomie eine niederschwellige Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand eine warme Mahlzeit zu gönnen – eine Option, die für viele essenziell geworden ist.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Erreichbarkeit: Nicht alle älteren Menschen haben ein Auto oder können lange Wege zu einem Gasthaus zurücklegen. Möbelhäuser und Handelsketten sind oft gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar und barrierefrei gestaltet, was sie besonders attraktiv macht. Gerade für mobilitätseingeschränkte Personen kann dies den entscheidenden Unterschied ausmachen.
Dazu kommt der gesellschaftliche Austausch: Viele ältere Menschen suchen gezielt Orte, an denen sie in einem belebten Umfeld essen können, ohne sich einsam zu fühlen.
Was vor Jahren noch als "Mitnahme-Gastronomie" oder "Schnelle Mittagsmahlzeit" galt, hat sich längst zu einem eigenen sozialen Phänomen entwickelt. Während in traditionellen Gasthäusern vielerorts Mittags ruht, brummen die Restaurants der Handelsketten. Und besonders Senioren wissen: Hier gibt’s nicht nur Essen, sondern auch Gesellschaft.
Fazit
Traditionelle Wirtshäuser und die Gastronomie in Handelsketten bedienen unterschiedliche Zielgruppen und Bedürfnisse. Während Möbelhaus-Restaurants eine preiswerte und leicht zugängliche Möglichkeit für viele Menschen darstellen, bieten klassische Gasthäuser handwerkliche Qualität, Regionalität und persönliche Gastfreundschaft. Beide Konzepte stehen in einem Spannungsverhältnis, das die Gastronomielandschaft verändert. Ob und wie eine langfristige Koexistenz möglich ist, wird davon abhängen, inwieweit sich die klassische Gastronomie mit ihren Alleinstellungsmerkmalen positionieren kann.
(VOL.AT)