Selenskyj: Gebiete nur diplomatisch zurückzubekommen

Er gab demnach in einem Interview zu, dass es für sein Land schwierig sei, die besetzten Gebiete vollständig militärisch zurückzuerobern. "Unsere Armee ist dafür nicht stark genug. Das stimmt", zitierte die Agentur Selenskyj. "Wir müssen diplomatische Lösungen finden."
"Es wird keine Kapitulation geben"
Solche Schritte könnten aber nur in Erwägung gezogen werden, "wenn wir wissen, dass wir stark genug sind". Mit Blick auf die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus sagte er, der designierte US-Präsident und dessen Mitarbeiter würden den "Siegesplan" der ukrainischen Regierung prüfen. Sie wüssten, dass er darauf ausgerichtet sei, die Ukraine in eine "starke Position" zu bringen, damit Diplomatie stattfinden könne. Er gehe davon aus, dass es weitere Gespräche mit Trump geben werde, um "bestimmte Dinge detaillierter" zu erklären. "Aber es wird keine Kapitulation seitens der Ukraine geben. Das ist eine Tatsache, und ich denke, dass er das versteht."
Stoltenberg: Gebiete "nicht für immer aufgeben"
Auch der frühere NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hält vorübergehende Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland für eine Option, um ein schnelles Ende des Krieges zu erreichen. "Wenn die Waffenstillstandslinie bedeutet, dass Russland weiterhin alle besetzten Gebiete kontrolliert, heißt das nicht, dass die Ukraine das Gebiet für immer aufgeben muss", sagte der künftige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) dem Portal "Table.Briefings". Wichtig sei, dass die Regierung in Kiew im Gegenzug für vorübergehende Gebietsabtretungen Sicherheitsgarantien erhalte, sagte der Norweger. Das könnte die NATO-Mitgliedschaft sein, es gebe aber auch "andere Möglichkeiten, die Ukrainer zu bewaffnen und zu unterstützen".
Selenskyj-Forderung nach NATO-Schutzschirm
Stoltenberg unterstützte Selenskyjs Forderung, bei einem Waffenstillstand keine Gebiete an Russland abzutreten, hält dies aber mit Blick auf die militärische Lage in der Ukraine derzeit für wenig wahrscheinlich: "Wir brauchen eine Waffenstillstandslinie, und natürlich sollte diese Linie idealerweise alle Gebiete einschließen, die Russland derzeit kontrolliert. Wir sehen aber, dass das in naher Zukunft nicht unbedingt realistisch ist", sagte der ehemalige NATO-Generalsekretär.
NATO-Schutz für kontrollierte Teile des Landes gefordert
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Freitag von den westlichen Verbündeten NATO-Schutz für die von Kiew kontrollierten Teile des Landes gefordert - und Bereitschaft signalisiert, mit der Rückerlangung der russischen besetzten Gebiete zu warten. "Wenn wir die heiße Phase des Krieges beenden wollen, sollten wir das Gebiet der Ukraine, das wir kontrollieren, unter einen Nato-Schutzschirm stellen", sagte Selenskyj im britischen Fernsehsender "Sky News". "Das muss schnell passieren und dann kann die Ukraine die übrigen Teile ihres Territoriums auf diplomatische Art und Weise zurückerlangen", fügte der ukrainische Präsident hinzu.
"Vielleicht muss die Ukraine jemanden in Moskau überleben..."
Am 19. November hatte Selenskyj die Zukunft seines Landes mit der des russischen Präsidenten Wladimir Putin verknüpft und erstmals eingeräumt, dass sein Land "vielleicht" eine Zeit lang den Verlust von Gebieten akzeptieren müsse, die von Russland besetzt sind. "Vielleicht muss die Ukraine jemanden in Moskau überleben, um alle ihre Ziele zu erreichen", sagte Selenskyj, "vielleicht um die Gesamtheit des Staates wiederherzustellen".
(APA)