Bei der Nationalratswahl ist die FPÖ Erste geworden, hat die ÖVP aber „nur“ um zweieinhalb Prozentpunkte hinter sich gelassen. Im Übrigen konnte diese gerade noch eine knappe Mandatsmehrheit mit der SPÖ halten. Bei der Landtagswahl in der Steiermark ist die FPÖ jetzt nicht nur Erste geworden, sondern hat die ÖVP um acht, neun Prozentpunkte hinter sich gelassen. Im Übrigen hat diese die Mandatsmehrheit mit der SPÖ verloren. Besser für die Freiheitlichen: Anders als auf Bundesebene wird es kaum eine Koalition gegen sie geben können. Mario Kunasek wird nach Jörg Haider (in Kärnten) wohl der zweite Mann aus ihren Reihen, der es schafft, Landeshauptmann zu werden (sofern man Haider-Nachfolger Gerhard Dörfler als BZÖ-Vertreter nicht dazu zählt).
Für Herbert Kickl ist das der größere Wahlsieg als bei der Nationalratswahl: Mag schon sein, dass er vorerst in Opposition bleiben muss, weil Karl Nehammer (ÖVP) mit Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) an einer „Kein Weiter wie bisher“-Koalition bastelt. Nehammer legt es aber derart stümperhaft an, dass nicht wenige Menschen in der Steiermark „jetzt erst recht“ blau gewählt haben dürften.
Laut einer Wahltagsbefragung, die das Sozialforschungsinstitut „Foresight“ für den ORF erstellt hat, blicken gerade einmal 27 Prozent der Steirerinnen und Steirer dieser Koalition, die sich selbst noch nicht einmal einen Namen gegeben hat, und daher abfällig als „Zuckerl“-Bündnis oder „Ömpel“ bezeichnet wird, mit Zuversicht entgegen. 32 Prozent tun es mit Sorge, 31 Prozent mit Verärgerung – wohl weil Kickl aus ihrer Sicht ausgegrenzt wird.
Karl Nehammer hat sich so unfreiwillig zu einem Wahlhelfer der Freiheitlichen gemacht. Es hätte nicht sein müssen. Bei der Landtagswahl in Vorarlberg, die zwei Wochen nach der Nationalratswahl stattgefunden hat, hat die ÖVP auch verloren, ein großer Absturz ist ihr jedoch erspart geblieben. These: Das hat nicht nur damit zu tun, dass sie dort besser aufgestellt ist als in der Steiermark, dass Markus Wallner als Landeshauptmann im äußersten Westen im Unterschied zu seinem Amtskollegen Christopher Drexler in der grünen Mark über einen Amtsinhaberbonus verfügt. Es ist eben auch darauf zurückzuführen, dass mit jedem Tag, an dem auf Bundesebene so kraft- und saftlos an einer Koalition herumgefuhrwerkt wird, der Unmut in der Bevölkerung wächst; dass der Zuspruch zur FPÖ von Herbert Kickl zunimmt.
In der Steiermark hat der FPÖ nicht einmal eine Finanzaffäre geschadet. Sie spielte keine Rolle. Es geht schlicht darum, dass eine Masse schwarz sieht für die Zukunft und ÖVP, aber auch SPÖ, alles in allem nicht mehr zutraut, die Dinge zum Besseren zu wenden. Und dass es Herbert Kickl nicht nur glückt, das wirkungsvoll anzusprechen, sondern dass es ihm durch Eigenbezeichnungen wie „Volkskanzler“ außerdem gelingt, den Eindruck zu vermitteln, ganz auf der Seite der Leute zu sein.
Es wird spannend, wie das jetzt weitergeht. In der ÖVP werden die Sebastian Kurz-Fans wohl noch lauter nach einem Comeback ihres Idols rufen. Ihre Erfolgsaussichten sollte man nicht unterschätzen: In Summe ist die Partei so kaputt, dass Kurz für einige der Letzte ist, der sie retten kann. Zweitens: In Niederösterreich bricht Panik aus. Bei der Gemeinderatswahl am 26. Jänner drohen ihr schwere Verluste, wenn es so weitergeht.
Das heißt zum einen, dass Karl Nehammer als Bundesparteichef angezählt ist. Dass für ihn sehr vieles davon abhängt, ob er die Stimmung in Österreich in den nächsten Wochen zugunsten der türkis-rot-pinken Koalition drehen kann. Zum anderen kann Herbert Kickl unter diesen Umständen davon ausgehen, doch eher früher als später ins Kanzleramt einzuziehen. Muss Nehammer als ÖVP-Chef gehen, ist die Partei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereit, mit ihm (Kickl) zusammenzuarbeiten.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik