Schweizer Bergdorf vor Katastrophe: Geologen warnen vor Felssturz – Evakuierung läuft!

Die Lage im Bergdorf Brienz in der Schweiz spitzt sich zu: Wegen akuter Erdrutschgefahr müssen die rund 90 Bewohner des Ortes im Kanton Graubünden erneut ihre Häuser verlassen. Eine mögliche Sprengung zur Stabilisierung der Schutthalde erweist sich als technisch riskant und könnte eine unkontrollierte Katastrophe auslösen.
Evakuierung im Eiltempo
Die rund 90 Bewohner des Dorfes Brienz im Kanton Graubünden wurden zur sofortigen Evakuierung aufgerufen. Die Gemeindeverwaltung hat entschieden, dass alle bis Sonntagmittag ihre Häuser verlassen müssen. Der Geologe Stefan Schneider, der die Bewegung der Schutthalde überwacht, erklärte, dass der Hang sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 Zentimetern pro Tag bewegt. Auch wenn die Geschwindigkeit durch den trockenen Herbst leicht abgenommen hat, bleibt die Gefahr bestehen. Die Behörden gehen davon aus, dass eine Rückkehr nach Brienz voraussichtlich erst im Frühjahr 2025 möglich ist.

Daniel Albertin, Gemeindepräsident von Albula/Alvra, betonte bei einer Informationsveranstaltung die Dringlichkeit der Evakuierung und forderte die Bewohner dazu auf, wichtige Dokumente mitzunehmen und Kühlschränke zu leeren, um Schäden zu vermeiden. Er unterstrich die beispiellose Herausforderung, vor der die Gemeinde stehe, und dankte der Bündner Regierung für die finanzielle Unterstützung von 500.000 Franken.
Geologisches Risiko: Eine Schuttlawine könnte Brienz zerstören
Geologe Stefan Schneider und sein Team von CSD Ingenieure AG in Thusis überwachen die geologische Situation und spielen eine entscheidende Rolle im Frühwarnsystem. Er informierte die Bevölkerung über die hohe Geschwindigkeit der abrutschenden Schutthalde und warnte, dass bis zu 1,2 Millionen Kubikmeter Felsmaterial in Richtung des Dorfs abgehen könnten. Dies würde nicht nur Brienz, sondern im schlimmsten Fall auch den tiefer gelegenen Ort Tiefencastel bedrohen.

Diskussion über eine mögliche Sprengung zur Stabilisierung
Um das Abrutschen der Schutthalde zu verhindern, prüfen die Behörden die Möglichkeit einer gezielten Sprengung. Andreas Huwiler vom Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden erklärte jedoch, dass dies aus technischen und sicherheitstechnischen Gründen kaum möglich sei. Eine effektive Sprengung würde 10.000 Bohrungen und etwa 360 Tonnen Sprengmittel erfordern – ein enormer logistischer und sicherheitstechnischer Aufwand, bei dem die Arbeitssicherheit kaum gewährleistet werden kann. „Es ist einfach zu gefährlich,“ erklärte Huwiler. Eine unkontrollierte Bewegung der Gesteinsmassen könnte Brienz unwiderruflich zerstören.
Sorgen und Unmut der betroffenen Bewohner
Viele Bewohner sind verzweifelt über die finanziellen und emotionalen Folgen der Evakuierung. Ein Hausbesitzer beklagte auf der Informationsveranstaltung: „Ich verliere auf meinem Haus 355.000 Franken“ und kritisierte die fehlende finanzielle Unterstützung. Die Unsicherheit über eine mögliche Entschädigung belastet die Betroffenen schwer. „Uns hilft niemand“, sagte der Mann, der sich an Regierungsmann Pascal Porchet wandte und erklärte, dass die finanziellen Probleme ungelöst blieben.
Fotos/Bildergalerie: APA/KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER
Absolutes Betretungsverbot
Porchet versprach, dass die Regierung die Umsiedlung vorantreiben und Lösungen für die Entschädigung finden werde. Gleichzeitig warnte er, dass ab Sonntag ein absolutes Betretungsverbot für das gesamte Dorf Brienz/Brienzauls gilt und Zuwiderhandlungen mit Bußgeldern von bis zu 5000 Franken geahndet werden.
Unterbringung und Vorsichtsmaßnahmen
Um die Evakuierung der Dorfbewohner zu erleichtern, bietet das Hotel Albula & Julier kurzfristig Unterkunftsmöglichkeiten an. Zudem hat die Gemeinde eine durchgehend besetzte Hotline eingerichtet. Christian Gartmann vom Führungsstab Albula/Alvra empfahl, die Heizungen eingeschaltet zu lassen, um Schäden durch Einfrieren zu vermeiden.
Schneider zeigte sich derweil vorsichtig optimistisch, dass das Plateau oberhalb des Dorfes stabil bleiben könnte, selbst wenn die Schutthalde weiter rutscht. Trotzdem müssen sich die Bewohner darauf einstellen, dass sie monatelang außerhalb ihrer Häuser leben werden.
Abtragen des gesamten Berges als letzte Option
Angesichts der anhaltenden Bedrohung durch die abrutschende Schutthalde wird die Möglichkeit eines umfangreichen Abtrags des Berges diskutiert. Andreas Huwiler vom Amt für Naturgefahren erklärte bei einer Informationsveranstaltung, dass es technisch kaum möglich sei, die Schutthalde isoliert abzutragen. "Aber den gesamten Berg könnten wir abtragen – das wäre machbar, aber es würde Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern," sagte Huwiler und betonte die gewaltige Dimension eines solchen Projekts. Ein so umfassender Eingriff in die Natur wäre ein langfristiges Großvorhaben, das jedoch in Anbetracht der akuten Gefahrenlage wenig kurzfristigen Nutzen bringen würde.
Weitere Risiken und Diskussionen
Die Kantonsstraße könnte bei einem größeren Abgang ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Sollte sich eine Gefährdung der Straße abzeichnen, so Pascal Porchet vom Amt für Militär und Zivilschutz, werde die sogenannte „Phase Blau“ ausgerufen, um den Schutz der Infrastruktur zu gewährleisten. Porchet und Christian Gartmann, Sprecher der Gemeinde, rieten den Bewohnern zudem, mit ihren Versicherungen Rücksprache zu halten und informierten darüber, dass Versicherungsexperten künftig in die Beratungsgespräche eingebunden werden sollen.
"Ihr geht nicht für uns, ihr geht für euch!"
Inmitten der Unsicherheit äußerten einige Bewohner Unmut über die wiederholten Evakuierungen. Ein Hausbesitzer deutete an, dass viele im Falle einer weiteren Evakuierung nicht mehr bereit wären, das Dorf zu verlassen. Gemeindepräsident Daniel Albertin versuchte zu beruhigen und appellierte an die Eigenverantwortung der Anwesenden: „Ihr geht nicht für uns, ihr geht für euch.“
(VOL.AT)