Nach Nationalratswahl: SPÖ startete mit Aufarbeitung des Ergebnisses

Präsidium und Vorstand sollen die Weichen für die nächsten Wochen stellen. An einer neuerlichen Führungsdebatte wollte von den Funktionären niemand anstreifen, die Parteigranden waren größtenteils um Einigkeit bemüht. Geeinigt hat man sich auf das fünfköpfige Team, das in etwaige Sondierungsgespräche gehen soll.
Diesem gehören neben Babler selbst die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Klubobmann Philip Kucher, Frauensprecherin Eva Maria Holzleitner und ein hochrangiger Vertreter der Gewerkschaft an, sagte Babler nach dem Zusammentreffen des Parteipräsidiums. Bei letzterem dürfte es sich aller Voraussicht nach um ÖGB-Chef Wolfgang Katzian oder FSG-Chef Josef Muchitsch handeln. Darüber hinaus habe man einen Entschluss gefasst, "ab Tag eins" strukturell in jenen Gemeinden die Arbeit aufzunehmen, wo die SPÖ besonders schwach und die FPÖ stark war.
Am Vormittag zeigten sich jene Funktionäre, die am Weg in den roten Klub im Parlament an zahlreichen Medienvertretern vorbei mussten (Niederösterreich-Chef Sven Hergovich, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und die dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures kamen durch den Hintereingang), aber eher wortkarg. Katzian "war schon immer Team Wohnzimmer und nicht Team Balkon", und wolle seinem Parteichef darum nichts über die Medien ausrichten. Für eine Personaldebatte sei jetzt aber nicht der richtige Zeitpunkt. "Könn'ma bitte über Inhalte reden und nicht über Personen?", war er schon leicht verärgert.
Nationalratswahl: Schönreden wollte sich das Ergebnis niemand
Schönreden wollte das Ergebnis der Nationalratsawahl, praktisch dasselbe wie beim Minusrekord vor fünf Jahren, aber niemand. Frauensprecherin Eva Maria Holzleitner, die in Begleitung eines neuen Präsidiumsmitgliedes, dem FSG-Bundesjugendvorsitzenden Fabian Edlinger ins Parlament kam, sagte: "Mit Platz drei kann man nicht zufrieden sein". Der Tiroler Parteichef Georg Dornauer sah "ein sehr bitteres Ergebnis". Gewerkschafter Josef Muchitsch: "Der dritte Platz tut weh". Allesamt betonten die Präsidiumsmitglieder, dieses in den Gremien genau analysieren zu wollen.
Mit einer Regierungsbeteiligung liebäugelte am Tag nach der Wahl sowohl der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser - "Die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen, ist bei den Sozialdemokraten sehr stark ausgeprägt" - als auch der Leiter der Delegation im EU-Parlament Andreas Schieder. "Für die SPÖ war es immer kein Fehler zu regieren". Auch betonte Schieder die Rolle von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Regierungsbildung. GPA-Vorsitzende Barbara Teiber sah nach dem "nicht erfreulichen Ergebnis" die ÖVP am Zug. "Wir sind bereit, Blau-Schwarz zu verhindern", betonte sie.
Wer Teil des Verhandlungsteams für Sondierungsgespräche ist, an dem Babler schon basteln dürfte, war am Montagvormittag noch nicht zu erfahren. Mit einer Regierungsbeteiligung liebäugelte am Tag nach der Wahl sowohl der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser - "Die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen, ist bei den Sozialdemokraten sehr stark ausgeprägt" - als auch der Leiter der Delegation im EU-Parlament Andreas Schieder. "Für die SPÖ war es immer kein Fehler zu regieren". Auch betonte Schieder die Rolle von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Regierungsbildung.
Der Nationalratsabgeordnete Jörg Leichtfried sah die Regierung "abgestraft", die SPÖ konnte davon aber nicht profitieren. "Die Regierung anzustreben ist sicher der richtige Weg", schloss er sich dem Gros der Parteikollegen und -Kolleginnen - den Burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ausgenommen - an. Der scheidende Abgeordnete Andreas Kollross formulierte es so: "Wir sind als Zweiter gestartet, wollten Erster werden und sind Dritter geworden". Der Partei empfahl er, eine "Antwort auf das Stadt-Land-Gefälle" zu finden.
SPÖ-Vorstand trifft sich nach Präsidiumssitzung
"Keinen Rückenwind" durch dieses Ergebnis sieht der steirische SPÖ-Chef Anton Lang bei der Landtagswahl in knapp zwei Monaten. Er betonte aber auch, dass seine Landespartei oft einen anderen Weg gehe als die Bundespartei. In welcher Rolle er die SPÖ künftig sieht, da war er noch deutlicher: "Die SPÖ ist keine typische Oppositionspartei. Wenn es geht, sollten wir in die Regierung." Für ihn stehe aber auch außer Frage: "Mit einer FPÖ unter der Führung von Herbert Kickl ist es nicht möglich, Gespräche zu führen."
Nach dem Statement von Babler
Die SPÖ ist bereit, in eine Regierung einzutreten. Das machte Bundesparteichef Andreas Babler nach den Parteigremien am Montag klar. Nominiert wurde ein Sondierungsteam, dem neben dem Parteivorsitzenden unter anderem die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und ein hochrangiger Gewerkschaftsvertreter angehören wird. Während der Großteil der Parteigranden die Regierungsoption offen halten will, empfiehlt Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die Opposition.
Die SPÖ war beim gestrigen Urnengang nach derzeitigem Stand bei 21,1 Prozent gelandet. Das wäre ein Minus von 0,1 Prozentpunkten gegenüber 2019, als man das bis dahin schlechteste Ergebnis bei einer Nationalratswahl erreicht hatte. Erstmals waren die Sozialdemokraten nur drittstärkste Kraft. Dennoch sah Babler auch am Montag keinerlei Anlass, seine Position zur Verfügung zu stellen. Dies gelte ebenso für das Bundesgeschäftsführer-Duo, hätten Sandra Breiteneder und Klaus Seltenheim doch "einen guten Job" gemacht.
An Personalrochaden oder eine neuerliche Führungsdebatte wollte dabei niemand denken, die Parteigranden waren größtenteils um Einigkeit bemüht. Einige bekundeten den Wunsch nach einer Regierung mit SPÖ-Beteiligung. Geeinigt hat man sich auf das fünfköpfige Team, das in etwaige Sondierungsgespräche gehen soll.
Diesem gehören neben Parteichef Andreas Babler selbst die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Klubobmann Philip Kucher, Frauensprecherin Eva Maria Holzleitner und ein hochrangiger Vertreter der Gewerkschaft an, sagte Babler nach dem Zusammentreffen des Parteipräsidiums. Beim Gewerkschaftsvertreter wird erst entschieden, ob es sich dabei um ÖGB-Chef Wolfgang Katzian oder FSG-Chef Josef Muchitsch handelt. Dass dieses Team stehe, "heißt nicht, dass wir in Regierungsverhandlungen drängen. Aber wir sind jedenfalls aufgestellt sondieren zu können. Wir sind ready, diese Gespräche zu führen", sagte Babler am Ende eines langen Gremientages. Darüber hinaus habe man einen Entschluss gefasst, "ab Tag eins" strukturell in jenen Gemeinden die Arbeit aufzunehmen, wo die SPÖ besonders schwach und die FPÖ stark war.
Babler: "Ich hätte mir mehr erwartet"
Nicht nur stand Babler als Parteichef - zumindest öffentlich - am Montag nicht in Frage, auch seine beiden Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim und Sandra Breiteneder ernteten von ihm Lob: "Sie haben einen guten Job gemacht", dennoch "bin ich sehr unglücklich mit dem Ergebnis. Ich hätte mir mehr erwartet", so Babler.
Das Gros der Parteifunktionäre bekundete im Laufe des Tages, eine Regierung mit roter Beteiligung gutzuheißen. Lediglich Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hält dies für keine gute Idee. "Das ist seine Meinung, ich kann nur die Meinung der Bundespartei wiedergeben", wies ihn Babler in die Schranken. Auch Doskozils Vorstoß, der Nationalratspräsident müsse ein Blauer sein, sahen die Wiener anders. Das hänge ganz von den vorgeschlagenen Personen ab, so Kucher.
Zwar sei die Hand der SPÖ ausgestreckt, nicht aber in Richtung der FPÖ. "Es ist für uns ganz klar, dass die FPÖ in dieser radikalen Form kein Koalitionspartner ist", sagte Kucher. Den 71 Prozent die nicht die Freiheitlichen gewählt hätten, könne man das auch "sehr gut erklären", antwortete Babler, danach gefragt ob nicht die stimmenstärkste Kraft Teil der Regierung sein sollte.
Babler konstatierte "strukturell-politische Probleme" in ländlichen Regionen
Immerhin gestand der Parteichef am Montagnachmittag nach den Sitzungen von Präsidium und Vorstand ein, dass man sich ein besseres Ergebnis erhofft und erwartet hätte. Babler konstatierte "strukturell-politische Probleme" in ländlichen Regionen, die schon länger bestünden. Zudem wären "offene Zurufe" aus der eigenen Partei nicht hilfreich gewesen.
An Bablers Sessel sägte zumindest am Montag niemand, wenngleich öfter ausweichende Antworten der Parteigranden kamen. So meinte etwa Frauenvorsitzende Eva Maria Holzleitner auf die Frage, ob Babler fest im Sattel sitze, dass dieser jedenfalls gewählter Bundesparteivorsitzender sei. Niederösterreichs SP-Klubobmann Hannes Weninger war der einzige, der auch öffentlich eine Personaldebatte erwartete.
Die wollte hingegen Doskozil nicht anstoßen. Babler sei ja keine Wundertüte. Man habe gewusst, was man mit ihm bekomme. Wichtig sei für die Sozialdemokratie in Zukunft, vom "Wähleraustausch mit den Grünen" wegzukommen, meinte der Landeshauptmann, der ja aus eigenem Wunsch nicht in den Bundesgremien vertreten ist.
Jetzt in eine Regierung einzutreten wäre für Doskozil der falsche Zeitpunkt, schon gar nicht in einer Dreier-Koalition, sehe man doch in Deutschland die Herausforderungen solch einer Konstellation. Die Opposition wäre aus seiner Sicht der richtige Ort, um Machtblöcke und Entscheidungsprozesse innerhalb der Partei zu hinterfragen. Babler sagte dazu, dass sei Doskozils Meinung, er selbst könne nur die der Bundespartei wiedergeben.
Ohnehin ganz anders sieht die Stoßrichtung der Wiener SPÖ aus, die gestern klar stärkste Landesorganisation geworden war. Abgesehen von der Festlegung in den Gremien, keine Personaldiskussion führen zu wollen, berichtete Bürgermeister Michael Ludwig, dass man prinzipiell bereit sei, in Regierungsverhandlungen einzutreten - wenngleich nicht um jeden Preis. Es sei jedoch notwendig, sich um Themen zu kümmern, für die die Sozialdemokratie stehe, etwa die Situation am Arbeitsmarkt, die Sicherung des Gesundheitswesens und der Pensionen oder auch Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Pro-Regierung positionierte sich auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ): "Die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen, ist bei den Sozialdemokraten sehr stark ausgeprägt". Noch deutlicher wurde der Steirer Anton Lang, der ja in seinem Bundesland mit der Volkspartei koaliert: "Die SPÖ ist keine typische Oppositionspartei. Wenn es geht, sollten wir in die Regierung."
Das Verhandlungsteam ist bei der SPÖ wohl bewusst klein gehalten. Die Wiener Partei ist mit Bures prominent vertreten. Dazu wird Parteichef Babler von Holzleitner, Klubobmann Philip Kucher und einem Vertreter der Gewerkschaft unterstützt. Hier wird erst entschieden, ob das ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian oder FSG-Chef Josef Muchitsch sein wird.
Offen ließ die SPÖ am Montag, ob sie einen freiheitlichen Nationalratspräsidenten akzeptieren würde. Doskozil empfahl eine Unterstützung, Klubobmann Philip Kucher meinte, das werde von der nominierten Person abhängen.
(APA/Red)