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VOL.AT beim Apotheken-Notdienst: "Viele scheinen nicht zu verstehen, was ein Notfall ist"

Der Apotheken-Notdienst steht für dringende Fälle bereit.
Der Apotheken-Notdienst steht für dringende Fälle bereit. ©VOL.AT/Meusburger
Der Apotheken-Notdienst ist für medizinische Notfälle eingerichtet, doch immer wieder sorgen kuriose Anfragen und unnötige Besuche dafür, dass Pharmazeuten mitten in der Nacht aus dem Bett geholt werden. VOL.AT hat einen Apotheker im Notdienst begleitet.

Als wir um 20 Uhr bei der Apotheke im Messepark ankommen, steht bereits eine Frau am Notdienstschalter, um Medikamente abzuholen. Keine fünf Minuten später klingelt es erneut - es werden Medikamente gegen Erkältungssymptome benötigt. Kaum ist der Apotheker wieder zurück, klingelt das Telefon. "Habt ihr einen Nasenspray? Mit Menthol? Ja, super, dann komme ich später vorbei!" - der Anrufer kam dann allerdings erst um zwei Uhr nachts vorbei, um das Nasenspray zu holen. So viel zum Thema Dringlichkeit. Ein "Klassiker" im Notdienst, so Purin.

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Der Apotheken-Notdienst wurde eigentlich eingerichtet, um Patienten in dringenden Situationen schnell mit wichtigen Medikamenten zu versorgen, wenn reguläre Apotheken geschlossen sind. Doch nicht jede Anfrage, die an den Apotheken-Notdienst gerichtet wird, gehört tatsächlich zu einem solchen Notfall, wie VOL.AT beim Besuch eines Notdienstes in der Apotheke im Messepark bei Dietmar Purin hautnah miterleben darf.

Mag. pharm. Dietmar Purin
Mag. pharm. Dietmar Purin ©handout/Apotheke im Messepark

Häufige Anliegen und unnötige Besuche

Schon klingelt es erneut am Notdienstschalter. Der Kunde kommt mit einem Rezept aus der Notfall-Ambulanz. Er benötigt Medikamente wegen eines grippalen Infektes. "Vor allem mit Erkältungs- oder Grippesymptomen kommen viele Patienten mit einem Rezept aus der Notfall-Ambulanz zum Apotheken-Notdienst,“ berichtet Purin. Doch auch die Notfallambulanz ist nachts eigentlich nur für echte Notfälle gedacht. "Es wäre besser, tagsüber den diensthabenden Arzt aufzusuchen, statt die Notfallambulanz bei weniger dringenden Fällen zu belasten." Wer trotzdem fiebersenkende Medikamente braucht, muss keinen Umweg über die Notfallambulanz machen. Diese können bei Bedarf auch direkt im Apotheken-Notdienst abgeholt werden, erklärt uns der Pharmazeut.

Immer wieder wird das Gespräch mit dem Apotheker unterbrochen. Alle paar Minuten klingelt das Telefon oder jemand steht beim Notdienstschalter. VOL.AT will wissen, ob das immer so ist: "An Schlaf ist meistens nicht zu denken. Oft lohnt es sich nicht einmal, sich kurz hinzulegen", sagt uns Purin.

Der Apothekennotdienst bietet eine wichtige Anlaufstelle, bei akuten Erkrankungen oder dringenden Verschreibungen, die nicht bis zum nächsten Werktag warten können.
Der Apothekennotdienst bietet eine wichtige Anlaufstelle, bei akuten Erkrankungen oder dringenden Verschreibungen, die nicht bis zum nächsten Werktag warten können. ©VOL.AT/Meusburger

Die Gründe für die Besuche scheinen in dieser Nacht nicht immer lebensbedrohlich zu sein, die Menschen, die zum Notdienst kommen, benötigen meist nur Medikamente wegen Erkältungs- und Grippe-Symptomen.

Möbelpolitur, Kamm und Tattoo-Salbe

Der Apotheker macht uns zwischendurch eine Kanne Tee und wir haben etwas Zeit zu plaudern - auch wenn nur ganz kurz. "Immer wieder kommt es auch zu kuriosen Fällen im Notdienst", erinnert sich Purin. "Ein Urlauber, der seine Zahnbürste und seinen Kamm verloren hatte, klingelte mitten in der Nacht an der Apothekentür, um diese zu ersetzen. Ein anderer Anrufer wollte um zwei Uhr morgens eine Möbelpolitur in der Apotheke kaufen (Anm. d. Red.: In der Apotheke gibt es das natürlich nicht zu kaufen). Es passiert auch hin und wieder, dass ältere Menschen um zwei Uhr nachts in der Apotheke anrufen – nicht weil sie Medikamente brauchen, sondern weil sie einfach jemanden zum Reden benötigen. Ein anderes Mal wollte ein Kunde nachts Bepanthen-Salbe für sein neues Tattoo abholen."

"Viele scheinen nicht zu verstehen, was einen Notfall ausmacht"

Dass viele Menschen nicht wissen, was wirklich einen Notfall darstellt, zeigt sich in dieser Nacht auch immer wieder. Denn schon wieder klingelt es am Schalter. Eine Frau möchte Husten-Bonbons kaufen. Aber warum kommen scheinbar viele Kunden und möchten mitten in der Nacht Medikamente abholen, die nicht wirklich sofort benötigt werden? "Viele Patienten scheinen nicht zu verstehen, was einen Notfall ausmacht. Viele Anfragen könnten leicht bis zum nächsten Werktag warten", sagt Purin. Stattdessen werden die Pharmazeuten mitten in der Nacht für Bagatellen geweckt, was auf Dauer für die Pharmazeuten belastend ist, so der Apotheker. "Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand ein vermeintlich dringendes Medikament dann doch erst am Montagmorgen abgeholt und mitgenommen hat - denn 3,80 Euro für die Notdienstgebühr waren dem Herrn zu teuer", erinnert sich Purin.

Pro Notdienstbesuch fallen nämlich Gebühren an - diese sind in Österreich jedoch sehr gering, wenn man es mit dem Aufwand des diensthabenden Pharmazeuten vergleicht. Diese Gebühr wird zusätzlich zu den Kosten des Medikaments fällig, wenn man außerhalb der regulären Öffnungszeiten Medikamente benötigt. "In der Nacht zwischen 20 und 8 Uhr fällt zudem eine Gebühr von 3,80 Euro pro Besuch an, an Sonn- und Feiertagen tagsüber 1,30 Euro." Im Vergleich: In der Schweiz beträgt die Notdienstgebühr in der Apotheke etwa 17 CHF.

Humorvoller Klartext aus dem Bregenzerwald

Eine Apotheke im Bregenzerwald hat sich auf ihrer Homepage humorvoll mit dem Thema auseinandergesetzt und erklärt, was ein echter Notfall ist – und was nicht (Text im Wortlaut):

  • Wenn Sie oder Ihre Angehörigen gerade beim Arzt waren, und dieser verschreibt ein Medikament, das Sie am selben Tag noch benötigen, dann ist das ein NOTFALL. (Wird jedem einleuchten).
  • Wenn Sie mitten in der Nacht von starken Schmerzen geplagt werden, dann ist das ein NOTFALL. Auch logisch. Wobei dann auch zu überlegen ist, ob der erste Weg nicht zum Arzt oder Krankenhaus erfolgen sollte.
  • Wenn Ihr Kind zu Hause nicht schlafen kann, weil die Nase verstopft ist, dann ist das ein NOTFALL.
  • Ihr Arzt hat Sie telefonisch darauf aufmerksam gemacht, sich umgehend ein bestimmtes Medikament zu holen. Das ist ein NOTFALL.
  • Ihr Dosieraerosol hat seinen Geist aufgegeben und Sie brauchen zur Therapie umgehend ein Neues. Das ist ein NOTFALL !!
  • Beim „Schnaxxeln“ ein kleines Hoppala passiert ist und Sie benötigen die „Pille danach“ , dann ist das ein NOTFALL.

Doch die Apotheke macht klar: „Der Apotheker steht nicht 24 Stunden hinter dem Tresen.“ Es kann also durchaus 5 bis 10 Minuten dauern, bis jemand zur Tür kommt.

Man sollte sich also gut überlegen, was wirklich ein Notfall ist, bevor man den Apotheken-Notdienst in Anspruch nimmt. Am Sonntag, als VOL.AT vor Ort war, nahmen innerhalb von 24 Stunden 150 Personen den Apothekennotdienst in Anspruch.

(VOL.AT)

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