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Vorarlberger E-Sport-Verein kämpft gegen Milliardenkonzern um Existenz: "Das ist reine Schikane"

In Vorarlberg kämpft der kleine eSport Verein West Austria Gaming gegen den milliardenschweren Konzern A1 Telekom ums Überleben: Ein Rechtsstreit um vermeintlich gestohlenen Strom bedroht seine Existenz.

Was 2018 als vielversprechende Zusammenarbeit im Rahmen der Initiative A1eSports begann, ist inzwischen zum Albtraum für den kleinen gemeinnützigen Verein aus Vorarlberg geworden. Nachdem die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder sich 5 Jahre lang liebevoll um den A1eSports Hub in Dornbirn gekümmert haben, bedroht jetzt eine Stromrechnung in Höhe von 9.000 € die Existenz des Vereins. Für West Austria Gaming beginnt ein Rechtsstreit, der beinah humoristischen Charakter annimmt.

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Kooperation der West Austria Gaming mit der A1

Um den bevorstehenden Ruin zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Chronologie der Ereignisse. West Austria Gaming wird 2016 von einer Freundesgruppe gegründet, mit dem Ziel, "das coolste League of Legends Turnier in Vorarlberg zu veranstalten." 2017 fand dann zum ersten Mal die „WAG Championship“ im Alten Hallenbad in Feldkirch statt, die 2018 in die nächste Runde geht. Einer der dortigen Besucher ist Hauptinitiator der A1eSports Initiative. Er ist so begeistert vom Engagement des Vereins, dass er die Mitglieder fragt, ob sie sich vorstellen könnten, einen A1eSports Hub in Vorarlberg zu betreuen. Hanno Loacker, der kurz zuvor die Rolle des Vereinsobmann übernommen hat, sagt damals gerne zu.

Felix Salcher zeigt die Kommunikation des Konzerns mit dem Verein. ©Schad/VOL.AT

Schnell war im Anschluss ein passender Standort für den A1eSports Hub gefunden. Im alten A1 Gebäude gegenüber des Dornbirner Rathauses gab es rund 270 Quadratmeter Fläche, die dem Verein übergeben wurden. Die Rahmenbedingungen dessen werden in einem sogenannten Bittleihvertrag geregelt. Darin wurde unter anderem bestimmt, dass West Austria Gaming keine Miete, sondern lediglich die „verbrauchsabhängigen Kosten“ der Räumlichkeiten zu zahlen hat. Nach intensiven Umbauarbeiten konnte der Verein dann Anfang 2019 sein neues Zuhause beziehen.

Über die nächste 5 Jahre nutzt West Austria Gaming die Räumlichkeiten der A1 Telekom für die Durchführung diverser eSport Veranstaltungen. Von Super Smash Bros. Ultimate Turnieren mit Teilnahme von internationalen Top-Spielern, über die League of Legends Vorarlberg Liga bis zum Mario Kart und Rocket League Turnier für Lehrlinge aus dem ganzen Land waren viele coole Events dabei, die reichlich Zuspruch fanden. Auch Weiterbildungsprogramme wurden im A1eSports Hub des Vereins durchgeführt. So durften Obmann Hanno Loacker und Vorstandsmitglied Felix Salcher im Rahmen eines Schlosshofen Lehrgangs Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern die Welt des eSport näher bringen.

Hanno Loacker und Felix Salcher sind entsetzt über den Umgang mit dem Verein. ©Schad/VOL.AT

Am 21. März 2024 erreichte die West Austria Gaming dann inmitten der Vorbereitung für ein großes eSport Event die Hiobsbotschaft: Sie müssen bis Monatsende das Gebäude der A1 Telekom verlassen. Im Bittleihvertrag waren eigentlich 4 Wochen Ausziehfrist vorgesehen, die A1 Telekom wirft dem Verein aber „widerrechtlichen Strombezug“ und „Verstoß gegen Auflagen“ vor, und rechtfertigt so die kürzere Frist.

Auch, wenn der Vereinsvorstand zu diesem Zeitpunkt verwirrt von den Vorwürfen ist, werden alle Mitglieder mobilisiert, um das Gebäude schnellstmöglich zu räumen. Am 15. April 2024 folgt dann die offizielle Schlüsselübergabe, die vor allem dadurch verzögert wurde, dass die A1 Telekom selbst nicht wusste, was mit PCs, Monitoren und Stühlen passieren soll, die West Austria Gaming für A1eSports verwaltet hatte. Nach drei stressigen Auszugswochen war der Verein bereit in die Zukunft zu schauen und ein neues Zuhause für den eSport in Vorarlberg zu finden. Nichts ahnend, was dann folgen sollte. Der große Schock. Noch am selben Tag erhielt West Austria Gaming per E-Mail eine Rechnung in Höhe von 9.000 €. Der Grund: eine Stromnachverrechnung für die letzten drei Jahre. Ohne, dass Obmann Hanno Loacker bis dato je eine Stromkostenabrechnung für die vergangenen fünf Jahre erhalten hatte.

Stromkosten-Kontroverse: Ein teurer Streitpunkt

Lange E-Mail-Verläufe dokumentieren den Rechtsstreit. ©Schad/VOL.AT

Da es in dem Gebäude nur einen Stromzähler gab, der die Gesamtkosten des Gebäudes betraf, sollten sogenannte Subzähler eingebaut werden, die den alleinigen Verbrauch des Vereins bemessen. So sollte eine laut Bittleihvertrag "verbrauchsabhängige Abrechnung" erfolgen. Wie die beiden Vereinsmitglieder im VOL.AT-Gespräch erklären, sei der Einbau der Zähler aber derart teuer gewesen - mehrere Tausend Euro hätten dafür anfallen sollen - dass es nicht rentabel gewesen sei. In der Detailplanung stellte sich nämlich heraus, dass die Installationskosten für den Zähler signifikant höher ausfallen würden als die anfallenden Stromkosten. Die A1 Telekom hat sich daraufhin gegen den Einbau eines Subzählers und gegen die Weiterverrechnung der verbrauchsabhängigen Kosten entschieden. Die Option, den Stromverbrauch stattdessen zu schätzen, wurde mit dem Verein laut der Mitglieder zu keinem Zeitpunkt diskutiert.

Umso verwirrter war der Vereinsvorstand, wie Salcher und Loacker im VOL.AT-Gespräch verdeutlichen, als dann am 15. April 2024 die Stromrechnung einging, die sowohl eine Angabe von verrechneten Kilowattstunden, als auch einen angesetzten Kilowattstundenpreis vermissen lässt. Stattdessen wird den Jungs von West Austria Gaming per E-Mail versichert, dass es sich bei den 9.000 € um eine "durchschnittliche Haushaltsverbrauchsberechnung" handelt, die als Entgegenkommen von Seiten der A1 Telekom zu verstehen sei, denn diese wäre „deutlich günstiger als der tatsächliche Verbrauch“.

Hanno Loacker ist Obmann des Klubs. ©Schad/VOL.AT

Der Verein erstellte daraufhin nach bestem Wissen und Gewissen eine eigene Aufstellung der Verbrauchsgeräte, die im Einsatz waren. Nach deren Schätzung kamen sie auf einen jährlichen Verbrauch von ca. 3.000 Kilowattstunden pro Jahr, was bei einem in Vorarlberg üblichen Gewerbekunden-Strompreis der illwerke vkw von 11,25 Cent pro Kilowattstunde einen Aufwand in Höhe von ca. 300 € pro Jahr bzw. 900 € für die letzten drei Jahre entsprechen würde. Diese Aufstellung wurde an die A1 Telekom übermittelt, von den zuständigen Personen aber als „unrealistisch“ abgetan.

Lösungsversuche und harte Fronten

Vereinsobmann Hanno Loacker war schnell bemüht, das Problem gemeinsam mit der A1 Telekom zu lösen. „Wir sind davon ausgegangen, dass irgendwo ein Kommunikationsfehler passiert sein muss“, meinte er im Gespräch mit der Redaktion. Über die kommenden Wochen gab es immer wieder E-Mails zwischen dem Verein und dem milliardenschweren Großkonzern. Dieser zeigte sich aber nicht einsichtig, und drohte stattdessen mit „rechtlichen Folgen“ sollte der Verein die geforderte Summe von 9.000 Euro nicht überweisen. Nachdem keine Klärung in Sicht schien, fühlte sich der Verein gezwungen, einen Anwalt zur Hilfe zu ziehen, um das Thema so aus der Welt zu schaffen. „Solange die Rechnung wie ein Damoklesschwert über unserem Verein schwebt, können wir nicht nach vorne schauen. Sollte die Rechnung greifend werden, ist es das Ende von West Austria Gaming“ erklärt Vereinskassier Felix Salcher.

Der Ausgang des Rechtsstreits ist ungewiss. Zwar ist der Anwalt des Vereins im Austausch mit der A1 Telekom. Fest steht trotzdem, dass der kleine ehrenamtliche Verein aus Vorarlberg gegen die A1 Telekom mit einem Jahresumsatz von fast 3 Milliarden Euro am kürzeren Hebel sitz. „Wir wollen die Zeit, die wir ehrenamtlich opfern, dazu verwenden, eSport in Vorarlberg unter die Leute zu bringen. Wir wollen coole Events veranstalten und nicht mit der A1 streiten. Wir können nur hoffen, dass sich das Thema schnell klärt und wir endlich unseren Vereinsmitgliedern einen positiven Ausblick in die Zukunft geben können“ meint Vereinsobmann Hanno Loacker.

Hinweis: Die Unterlagen über die Chronologie der Ereignisse, sowie sämtliche Kommunikation zwischen den beiden Parteien, wurden der Redaktion im Gespräch vorgelegt. Zum Schutz beider Parteien werden sie jedoch nicht veröffentlicht.

(VOL.AT)

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