Schweizer Polizei setzt bei Verbrecherjagd auf Super-Recognizer

Super-Recognizer erfassen Gesichter teils zuverlässiger als eine Software. Sechs von ihnen arbeiten bei den St. Galler Korps.
Diesen Mann hat er bereits früher einmal gesehen, ist ein Polizist der Stadtpolizei St. Gallen bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt überzeugt. Noch läuft der Einsatz und der Polizist ist sich nicht sicher, weshalb ihm der Mann bekannt ist.
Fähigkeiten als Super-Recognizer
Später stellt sich heraus, dass der Stadtpolizist einen Straftäter erkannt hat, den er bei früheren Ermittlungen auf Bildern von Überwachungskameras gesehen hatte. Geholfen haben ihm dabei seine Fähigkeiten als Super-Recognizer.
Nur zwei Prozent der Menschen haben diese Fähigkeit
"Super-Recognizer sind Menschen, die ausgeprägte Fähigkeiten haben, Gesichter wiederzuerkennen und sich Gesichter besonders gut merken können", sagte Stefan Helfenberger, Leiter Ermittlungsunterstützung bei der Kantonspolizei St. Gallen, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Wissenschaft gehe davon aus, dass nur zwei Prozent der Menschen diese Fähigkeiten haben.
Helfenberger leitet ein Pilotprojekt der Kantons- und Stadtpolizei St. Gallen. Dabei testen die Polizeien den Einsatz von Super-Recognizern. Sechs Polizisten können sich gemäß wissenschaftlichen Tests der Universität Lausanne Gesichter außergewöhnlich gut einprägen und sie wiedererkennen. Somit sind sie in der Lage - im Prinzip wie eine Gesichtserkennungssoftware - verschiedene Gesichter miteinander zu vergleichen und Aussagen darüber zu treffen, ob es sich um die gleichen Personen handelt.
Stefan Helfenberger nannte als aktuellen Schwerpunkt für die Super-Recognizer die Bildfahndung. Konkret: Die Polizei verfügt beispielsweise über Überwachungsbilder von verschiedenen Raubüberfällen. Super-Recognizer schauen sich die Bilder an, vergleichen sie und können anhand ihrer Fähigkeiten eine Einschätzung abgeben, ob es sich um dieselben Täter handelt.
In der eingangs erwähnten Episode ist dem Super-Recognizer der Stadtpolizei St. Gallen, der anonym bleiben möchte, primär das Gesicht des Mannes bekannt vorgekommen. Auch wenn Super-Recognizer auf Gesichter spezialisiert sind und wissenschaftliche Tests ausschließlich die Fähigkeiten zur Wiedererkennung von Gesichtern eruieren, können auch andere Merkmale Hinweise geben.
Nagelbett wiedererkannt und Täter ermittelt
Im oben genannten Beispiel waren auf weiteren Aufnahmen die Hände des Täters zu sehen. Auf diesen Bildern sei ihm aufgefallen, dass der Täter bei einem Daumen ein spezielles Nagelbett hat. Auf dem Polizeiposten sah sich der Super-Recognizer dessen Hände an. Er erkannte das Nagelbett wieder. "Da war ich mir sicher, vor mir war die Person, die ich auf den Bildern der Überwachungskamera gesehen habe." Ermittlungen hätten seinen Verdacht bestätigt und dem Mann konnten mehrere Delikte nachgewiesen werden.
Die besonderen Fähigkeiten eines Super-Recognizers
Der Super-Recognizer der Stadtpolizei achtet nicht nur auf Gesichter. "Mir ist aufgefallen, dass ich Körperhaltungen, den Gang oder die Gestik einer Person gut wiedererkenne", führte er weiter aus. Wenn er Bilder am Computer vergleiche, genügten wenige Sekunden, um zu entscheiden, ob er ein Gesicht bereits einmal gesehen habe. Der Super-Recognizer muss aber eine Person bewusst wahrgenommen haben. "Ich kann nicht am Samstag durch die Stadt St. Gallen laufen und erkenne im Anschluss jedes Gesicht wieder."
Die Super-Recognizer bei der Kantons- und Stadtpolizei mussten ihre Fähigkeiten in einem mehrstufigen wissenschaftlichen Test unter Beweis stellen. Durchgeführt hat die Tests die Neurowissenschaftlerin Meike Ramon. Ramon ist Professorin an der Universität Lausanne und eine führende Expertin auf dem Gebiet der Super-Recognizer. Vom Nutzen dieser Fähigkeiten für die Polizei ist sie überzeugt. Das Pilotprojekt läuft voraussichtlich bis Ende des Jahres. Dann wollen Kantons- und Stadtpolizei entscheiden, ob die Super-Recognizer zum festen Bestandteil der Polizeiarbeit werden und ob diese in weiteren Bereichen eingesetzt werden.
(APA)