Rechtsruck bei EU-Wahl: Was das für die FPÖ-Fraktion ID bedeutet

Davon besonders betroffen ist die Fraktion Identität und Demokratie (ID) rund um Österreichs Wahlsieger FPÖ. Diese konnte vorläufig auf 58 Mandate (+9) zulegen, doch ist dies erdrutschartigen Erfolgen in Frankreich und den Niederlanden zu verdanken. In mehreren Ländern mussten Rechtsparteien Federn lassen oder flogen sogar aus dem EU-Parlament.
Massive Verschiebungen in FPÖ-Fraktion ID
So wird die Partei der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen künftig 30 statt 18 Europaabgeordnete haben, also mehr als die Hälfte aller ID-Mandatare. Ein spektakuläres Comeback legte bei der Europawahl auch die neue niederländische Regierungspartei PVV (Freiheitspartei) von Geert Wilders hin, die mit sechs Mandaten neu ins Europaparlament einzieht.
Die in der ID-Fraktion bisher dominierende italienische Lega stürzte auf acht Mandate (bisher 22) ab, und die tschechische Partei der direkten Demokratie (SPD, bisher zwei Mandate, verfehlte überhaupt den Wiedereinzug. Dafür bekommt die Fraktion mit der portugiesischen Chega (zwei Mandate) eine neue nationale Delegation. Während sich die FPÖ auf sechs Mandate verdoppeln konnte, blieben die ID-Parteien aus Belgien (Vlaams Belang, drei Mandate), Dänemark (Dänische Volkspartei DF, ein Mandat) und Estland (Volkspartei EKRE, ein Mandat) stabil.

Eine deutliche Verschiebung innerhalb der ID-Fraktion hatte es schon im Wahlkampffinale gegeben, als die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) nach umstrittenen Aussagen ihres Spitzenkandidaten Maximilian Krah ausgeschlossen wurde. Die AfD konnte sich bei der Wahl am Sonntag auf 15 Abgeordnete fast verdoppeln.
Vilimsky ließ Tür für AfD offen
FPÖ-Wahlsieger Harald Vilimsky hatte am Sonntagabend im APA-Gespräch die Tür gegenüber der AfD explizit offen gelassen und eine lose Zusammenarbeit mit der zweiten europaskeptischen Fraktion EKR (Europäische Reformer und Konservative) ins Spiel gebracht. Ziel sei eine dreistellige Abgeordnetenzahl, wobei man sich auf "Kernpunkte" wie die Rückholung von EU-Kompetenzen, Migration oder Wirtschaftspolitik konzentrieren wolle. Das neuralgische Thema Ukraine soll also ausgeklammert werden. Er wolle "ein großes freiheitliches Reformbündnis" schmieden und dafür bereits am Mittwoch mit der RN-Galionsfigur Le Pen zusammentreffen, so Vilimsky.
Die EKR wurde schon vor der Wahl massiv von der nun siegreichen Europäischen Volkspartei (EVP) umworben. Die mehrheitlich aus pro-westlichen Parteien bestehende Fraktion konnte ebenfalls auf 73 (+4) zulegen, was aber einzig am massiven Erfolg der Fratelli d'Italia (FdI) der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni liegt, die von fünf auf 24 Mandate hinaufschoss. Die bisher dominierende rechtskonservative polnische Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) musste hingegen Federn lassen und bringt nur noch 20 Mandate (-7) auf die Waagschale.
EKR-Parteien legten in Frankreich und Spanien zu
Zulegen konnten die EKR-Parteien in Frankreich (Reconquete, fünf nach einem) und Spanien (Vox, sechs nach vier). Verluste gab es für die Mitgliedsparteien in Tschechien (Demokratische Bürgerpartei ODS, drei nach vier Mandaten), Finnland (Die Finnen, ein Mandat nach zwei) sowie den Niederlanden (SGP, eines nach fünf gemeinsam mit dem aus dem Parlament geflogenen FvD). Stabil blieb die EKR-Vertretung in Belgien (Neue Flämische Allianz, drei Mandate), Schweden (Schwedendemokraten, drei Mandate), Griechenland (EL, zwei Mandate), Lettland (LNNK, zwei Mandate), Litauen (Polen-Partei LLRA, ein Mandat) und Rumänien (PNCR, ein Mandat).
Neu auf die EKR-Landkarte kommt Luxemburg, wo die rechtspopulistische ADR erstmals den Einzug ins Europaparlament schaffte. Dagegen verloren die jeweiligen Mitgliedsparteien in der Slowakei (SaS), Kroatien (HKS) und Bulgarien (IMRO) ihre Europaabgeordneten.
Bemerkenswert ist, dass keine der beiden europaskeptischen Fraktionen im bevölkerungsreichsten EU-Land Deutschland präsent ist. Beobachter rechnen in der Zeit bis zur Konstituierung des Europaparlaments Mitte Juli mit intensiven Gesprächen, bei denen insbesondere auch die bisher und neu fraktionslosen Abgeordneten im Fokus stehen werden. Schon länger "auf dem Markt" ist etwa die rechtskonservative Fidesz des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán (zehn Mandate). Dazu kommen neue rechtspopulistische Parteien in Polen (Konfederacja, acht Mandate), Rumänien (AUR, sechs Mandate), Bulgarien (Wiedergeburt, vier Mandate), Slowakei (Republika, zwei Mandate) und Tschechien (Eid und Motoristen, zwei Mandate).
(APA/Red)