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Wahlkampf-Finale: So sicher fühlen sich Politiker und Bürger im Ländle

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Während sich politisch motivierte Gewalt deutschlandweit häuft, scheinen die Parteien in Vorarlberg eine ruhigere Wahlkampfphase zu erleben – doch wie sicher fühlen sich Politiker und Bürger wirklich?
Von Hannah Swozilek und Katharina Schad
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Wahlkampf im Ländle: Sicherheitsbedenken oder Business as usual?

Es ist Freitagvormittag. Wahlkampf-Finale in Bregenz. Viele Leute tummeln sich auf den Straßen der Innenstadt, denn die Sonne scheint und es ist Wochenmarkt. Neben den Marktständen findet sich auch ein Stand der Grünen Vorarlberg. Sie betreiben noch einmal Wahlkampf. Noch einmal versuchen sie alle Wählerinnen und Wähler zu motivieren, am Sonntag den Gang zur Wahlurne zu beschreiten. Parallel dazu sind die deutschen Medien seit vergangener Woche voll mit Meldungen, die politisch motivierte Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker thematisieren - wie zuletzt in Mannheim. Dort wurde der AFD-Politiker Heinrich Koch von einem Angreifer mit einem Messer verletzt. Wie aber ist die Lage im Ländle? Haben Aktive aus der Politik in Vorarlberg ähnliche Befürchtungen? Bereiten sie sich seither anders auf Wahlkampfveranstaltungen vor? Und was sagt die Bevölkerung? VOL.AT war vor Ort und hat sich umgehört.

VOL.AT im Gespräch mit Roswitha Steger. ©Swozilek

Obwohl die Innenstadt gut besucht ist, stehen am Freitag um 12 Uhr nur die Grünen draußen auf der Straße. Ob die anderen Parteien auf den Straßenwahlkampf verzichten, oder zu anderen Zeiten oder an anderen Orten anzutreffen sind, ist unklar. Große Ankündigungen gibt es auf keinem der Social-Media-Auftritte. Roswitha Steger geht seit 30 Jahren für die Grünen auf die Straße. Auch, wenn die Angriffe auf ihre deutschen Kollegen zunehmen, hat sie keine Angst. "Ich glaube, wir sind da in Vorarlberg noch recht gesegnet. Wir werden wohl blöd angesprochen oder beleidigt, aber Gewalttaten sind hier zum Glück noch nicht an der Tagesordnung", so Steger. "Einer hat zum Beispiel gesagt: 'Ihr scheiß Grünen, Euch sollte man umbringen.' Da bekomme ich dann wirklich einen Zorn. Aber ansonsten hilft es einfach freundlich zu bleiben und den Menschen einen schönen Tag zu wünschen", berichtet sie aus 30 Jahren Wahlkampf-Erfahrung.

Roswitha Steger geht seit 30 Jahren für die Grünen in den Wahlkampf. ©Schad/VOL.AT

Politische Gewalt: So reagieren Vorarlbergs Parteien

Dem stimmen auch Michael Sochor und Julian Bitsche von der ÖVP Vorarlberg zu. Sie trifft VOL.AT beim Spontanbesuch in ihrem Parteibüro an. "Angst nach draußen zu gehen, haben wir nicht und es gibt bislang noch keine gröberen Sicherheitsvorkehrungen", meint Sochor. Genau wie die Grünen sehen die beiden die Gefahr eher in Wien als im beschaulichen Vorarlberg. Mit Anfeindungen und Beleidigungen müssen aber auch sie umgehen. "Es gibt Situationen, in denen kann man über Themen diskutieren. In anderen kommt man nicht zusammen und wünscht dann einfach freundlich einen schönen Tag. Das Wichtigste ist aber, es nicht an sich selbst heranzulassen", verdeutlichen beide einstimmig. Insgesamt hätten Anfeindungen jeglicher Art in der Coronazeit zugenommen.

Michael Sochor und Julian Bitsche beim Spontanbesuch von VOL.AT im ÖVP-Parteibüro. ©Schad/VOL.AT

Bei SPÖ und NEOS sind keine Vertreter erreichbar. Und auch bei der FPÖ steht VOL.AT vor verschlossener Türe des Parteibüros. Auch wenn die Antworten der Vorarlberger Parteien vermutlich ähnlich aussähen, eine größere Bedrohungslage und eine Präsenz der Thematik stellen alle fest. "Aus dem Innenministerium heißt es dazu, dass sich die Lage nach den aufgeheizten Jahren während der Pandemie, in denen es einen merkbaren Anstieg an Drohungen gegen bestimmte politisch und öffentlich exponierte Personen gab, darunter auch Wissenschaftler und Journalisten, derzeit eigentlich beruhigt habe", schreibt die Kleine Zeitung. Dennoch ist das Innenministerium überzeugt, dass auch in Österreich die Zeiten des Aufruhrs schon bald zurückkehren könnten. Insbesondere wegen geopolitischer Streitigkeiten innerhalb Europas, sowie der hitzigen Debatte über Asylpolitik.

Bei der FPÖ ist am Freitagmittag niemand mehr anzutreffen. ©Schad/VOL.AT

Das sagen die Vorarlberger

Wie sehr das Thema polarisiert, wird am Freitag schnell klar, als sich kaum Menschen vor der Kamera zu "politisch motivierter Gewalt" äußern möchten. Die, die etwas sagen, sind aber mehrheitlich beruhigt. John, ein deutscher Tourist, findet: „Politische Gewalt nimmt auf jeden Fall zu, denke ich. Da hängt definitiv was in der Luft. Ich kann nicht verstehen, wie die Leute vergessen können, was vor 100 Jahren war. Angst habe ich aber nicht, wenn ich unterwegs bin.“ Er ist auch der Meinung, dass die Gewaltbereitschaft sowohl rechts als auch links zunehmen würde, auch wenn er hier den Hang nach rechts eher sieht.

John ist aus Tettnang und sieht die Gefahr politischer Gewalt eher in großen Städten. ©Schad/VOL.AT

Klaudia fühlt sich ebenfalls sicher in Vorarlberg und gibt der journalistischen Berichterstattung eine Mitschuld an den Entwicklungen und der Wahrnehmung der Menschen. „Ich glaube, dass man zu dem ganzen Thema schon eine etwas andere Haltung bekommt, wenn man sich durch die Medien nicht so sehr beeinflussen lässt. Themen, die polarisieren, werden ja immer sehr aufgebauscht. Das bleibt dann auch immer hängen.“ Sie ist froh, dass sie noch nie eine negative Begegnung in dieser Hinsicht hatte. Dennoch fordert sie klare Asylregelungen.

Franca und Elena äußern gegenüber VOL.AT, dass sie keine Angst in Bregenz haben. ©Schad/VOL.AT

Ähnlich sieht das auch Markus, ebenfalls aus Deutschland. Er hat nach wie vor keine Sorge, seine Meinung öffentlich zu äußern. „Wir haben auch schon per Briefwahl gewählt für den Sonntag“, erzählt er. Gleichzeitig berichtet der Düsseldorfer aber von Bekannten, die sich am Abend in der Düsseldorfer Altstadt weniger sicher fühlen als noch vor einigen Jahren.

Franca, Elena und Stella bei ihrer Mittagspause in der Innenstadt. ©Schad/VOL.AT

Auch jüngere Menschen haben von den Gewalttaten im Ausland mitbekommen. Vorarlberg aber sehen sie als eine Art "sichere Insel". So etwa drei Schülerinnen aus Bregenz: „Wir haben keine Angst vor politisch motivierter Gewalt. Zumindest hier bei uns in Vorarlberg nicht“, sagen Elena, Franca und Stella, die gerade ihre Mittagspause in der Stadt verbringen. "In Wien würde ich mich vielleicht schon weniger sicher fühlen. Da ist einfach mehr los", so Elena.

In 2023 haben politisch motivierte Straftaten in Österreich, insbesondere mit einem rechtsextremistischen Hintergrund, um 30 Prozent zugenommen. Das geht aus der Antwort von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf eine parlamentarische Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz hervor. Vorarlberg bildet, was das angeht, bislang wohl eher eine Ausnahme. Wie sich die Lage weiterentwickelt, werden vermutlich die anstehenden Wahlen und deren Ergebnisse zeigen. Bis jetzt aber fühlen sich Vorarlberger wohl weiterhin sicher auf den Straßen des Landes.

(VOL.AT)

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