Das passiert mit Ihrem Geld, wenn die EZB am Donnerstag die Zinsen senkt

Erstmals seit Herbst 2019 dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag (6. Juni) die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte senken. Das erwarten nahezu alle der rund 60 von Bloomberg befragten EZB-Experten. Die EZB hält den Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, seit September 2023 auf dem Rekordniveau von 4,0 Prozent. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, beträgt 4,5 Prozent.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur bevorstehenden Zinssenkung.
Weniger Zinsen für Sparer?
EZB-Senkung beeinflusst Tages- und Festgeld
"Beim Tagesgeld und Festgeld wird sich die EZB-Senkung sofort auswirken", sagt Max Herbst von der Finanzberatung FMH. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte nicht nur den Leitzins, sondern auch den Einlagenzins senken. Dieser bestimmt, wie viel Geld die Kreditinstitute für ihr bei der EZB geparktes Geld erhalten. Einen Großteil dieses Zinses haben viele Banken in den vergangenen zwei Jahren an ihre Kunden weitergegeben. Nun dürfte der Einlagezins von 4,0 auf 3,75 Prozent erstmals wieder herabgesetzt werden. Einige Banken haben im Vorgriff darauf bereits ihre Zinsangebote für Tages- und Festgeld gesenkt. "Es besteht zwar nur bei ganz wenigen Banken mit Top-Zinsen die Veranlassung, die Senkung weiterzugeben", sagt Experte Herbst. "Aber dies werden auch sehr viele andere Banken nutzen und ihre geringen Zinsangebote im Anlagebereich weiter senken."
Ratenkredite werden günstiger
Sinkende Anlagezinsen beeinflussen Konsumentenkredite
"Auch die Ratenkredite werden sich dann im Laufe der nächsten Wochen abschwächen - aber nicht sofort", sagt Finanzberater Herbst. "Sinken die Anlagezinsen, sinken auch die Konsumentenkredite, wenn die Banken fair arbeiten, da der Einkauf des Finanzierungsgeldes billiger wird."
Auswirkungen auf den Aktienmarkt
Niedrigere Zinsen und ihre Folgen
Niedrigere Zinsen sind meist gut für die Aktienkurse. Zum einen werden die Firmen bei Kreditkosten entlastet, was deren Profitabilität tendenziell steigert. Zum anderen werden Zinspapiere wie Anleihen oder Festgeld unattraktiver, weil sie weniger abwerfen - Aktien wiederum werden dadurch beliebter. "Anleger sollten allerdings nicht davon ausgehen, dass diese Zinssenkung per se ein positiver Impuls für den Aktienmarkt sein wird", betont Thomas Altmann von der Investmentboutique QC Partners. "Die Börsen haben einen ersten Zinsschritt im Juni schon vor Monaten eingepreist."
Bauzinsen steigen
Inflationsrate beeinflusst Bauzinsen
Die Bauzinsen sind in den vergangenen Wochen trotz der Aussicht auf den sinkenden EZB-Leitzins wieder gestiegen. Im Juni lag der durchschnittliche Zinssatz bei einer Sollzinsbindung von zehn Jahren bei 3,72 Prozent, so die Online-Plattform Statista. Zu Jahresbeginn waren es nur 3,42 Prozent. "Wer wissen möchte, wie sich die Bauzinsen entwickeln, sollte nicht auf den Leitzins schauen, sondern auf die Inflationsrate", so Finanzberater Herbst. Die ist zuletzt in der Eurozone wieder gestiegen, und zwar auf 2,6 Prozent. Eine Folge: Investoren verlangen mehr Geld, wenn sie die in Europa maßgebliche Bundesanleihe kaufen sollen. "Steigt die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, weil Investoren höhere Zinsen fordern, steigen auch die Pfandbriefrenditen - und damit am Ende auch die Bauzinsen", erklärt Herbst.
Konjunktur in Schwung
Niedrigere Kreditzinsen fördern die Wirtschaft
Niedrigere Kreditzinsen können der Wirtschaft auf die Sprünge helfen. "Die damit verbesserten Finanzierungsbedingungen für Unternehmen werden die privaten Investitionen ankurbeln", erwartet die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier. Allerdings: Die Zinssenkung dürfte frühestens 2025 stützen, erwartet etwa der Sachverständigenrat in seiner Frühjahrsprognose für die deutsche Regierung. "Zinssenkungen wirken sich mit einer unterschiedlich langen Verzögerung auf die Konjunktur aus", sagt auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Im Durchschnitt vergeht gut ein Jahr, bis die Konjunktur von niedrigeren Zinsen profitiert."
Profiteure niedriger Zinsen
Unternehmen und Immobilienwirtschaft
"Grundsätzlich profitieren alle Branchen von niedrigen Zinsen, weil die Unternehmen günstiger an Fremdkapital kommen und mehr investieren", erklärt Commerzbank-Experte Krämer. "Die Zinssensitivität ist aber in der Immobilienwirtschaft sicherlich am größten, weil Bauherren in der Regel sehr viel Fremdkapital benötigen." Gesehen habe man das mit umgekehrtem Vorzeichen nach den massiven Zinserhöhungen der EZB, als die Nachfrage im Wohnungsbau um rund ein Drittel eingebrochen sei.
Einfluss auf den Euro und Reisen
Kaum größere Folgen für Urlauber
Experten rechnen hier nicht mit größeren Folgen. "Zinssenkungen machen Währungen im Vergleich zu anderen Währungsräumen relativ gesehen weniger attraktiv, also tendenziell schwächer", sagt der Leiter Strategische Vermögensplanung beim Assetmanager HQ Trust, Thomas Neukirch. "Da es sich hier aber nur um einen kleinen Schritt handelt und viele andere Faktoren die Wechselkurse ebenfalls beeinflussen, rechnen wir kurzfristig nicht mit größeren Folgen für Urlauber."

(APA/VOL.AT)