"Wir haben das Gefühl, dass immer mehr Kinder in die Schule kommen, ohne gefrühstückt zu haben", sagt Gabriele Jäger, Volksschullehrerin an der Volksschule Schendlingen. "Jetzt gerade ist außerdem Ramadan. Dann kommen die Kinder mit vollen Mägen in die Schule und fühlen sich deshalb nicht gut", kritisiert die Lehrerin das Fasten der noch kleinen Kinder. Immer häufiger scheint das Essverhalten von Kindern, insbesondere das Frühstücksverhalten, auf die Leistungsfähigkeit in der Schule negativen Einfluss zu nehmen. Kinderärzte schlagen daher Alarm. Auch eine VOL.AT-Umfrage an der Volksschule Schendlingen unter Eltern macht deutlich: Das Problem ist längst Alltag.
"Ich habe morgens auch keinen Hunger"
"Ich habe vier Kinder. Die frühstücken alle nicht. Nie. Warum auch?", antwortet eine Mutter vollkommen entrüstet auf die Nachfrage. Vor der Kamera möchte sie sich nicht äußern. Sie steht am Donnerstagmittag vor der Volksschule und wartet, wie auch andere Eltern, auf den Schulschluss ihrer Tochter.

Auch Manuelas Sohn frühstückt nicht. "Er hat morgens keinen Hunger. Ich nehme mal an, dass ihm dann noch schlecht ist oder so", sagt die Volksschulmutter. Auch sie selbst frühstücke nie und kenne das Gefühl, morgens nichts essen zu wollen. Eine Jause hat ihr Sohn immer dabei - meist bringt er sie am Mittag aber wieder mit heim.

Kein neuer Trend in Schendlingen
Vincent Lang, Lehrer an der Mittelschule Schendlingen merkt, dass das mangelnde Frühstücken ein Thema ist. Allerdings kein Neues, wie er betont. "Bei uns an der Schule gab es das schon immer. Wir merken einfach deutlich, dass einige Kinder am Morgen auf sich allein gestellt sind und keine Unterstützung durch die Eltern erfahren." Dem stimmt auch Gabriele Jäger zu. "Wir befürchten, dass einige Eltern morgens im Bett liegen und schlafen, während die Kleinen sich für die Schule fertig machen." Bestätigen würden das die Eltern logischerweise nie. "Wenn wir nachfragen, werden solche Vermutungen natürlich verneint und uns wird gesagt, zu Hause laufe alles, wie aus dem Bilderbuch." Dass das nicht die Realität sein kann, ist allerdings schwer zu übersehen.

Das sagen die Fachleute dazu
Dr. Bernhard Jochum ist Kinderarzt in Bludenz. Er ist der Meinung, Frühstück sei zwar wichtig, ob ihm aber wirklich die Bedeutung beigemessen werden sollte, wie lange angenommen, stellt er infrage. "Für mich stellt sich insbesondere bei Kindern klar die Frage: Passt das Frühstück in den Tagesablauf?" Wenn das nicht der Fall sei, ist er der Meinung, dass es gar besser sei auf ein Frühstück zu verzichten, damit durch das Herunterschlingen keine Bauchschmerzen entstehen. Er sagt aber auch, aktuellen Empfehlungen zufolge sollten Kinder fünf Mahlzeiten zu sich nehmen: ein Frühstück, ein Mittag- und ein Abendessen. Hinzu kommen außerdem zwei Zwischenmahlzeiten: eine am Vor- und eine am Nachmittag. Die Diätologin Priska Feurstein vom LKH Rankweil meint, das Frühstück sei nach wie vor eine bedeutsame Mahlzeit. "Wichtig ist vor allem, dass Kinder innerhalb von zwei Stunden nach dem Aufstehen etwas frühstücken." In der Nacht komme der Körper in die sogenannte Nahrungskarenz, sprich in ein Defizit. "Ich vergleiche das mit dem Auto, da sorgt man auch immer dafür, dass es ausreichend getankt ist", lacht sie im VOL.AT-Gespräch. Ebenso müsse auch der Nährstoffhaushalt aufgefüllt werden.

Die Leistungskurve, sowohl physisch als auch psychisch, steigt, wenn der Körper ein Frühstück erhalten halt. "Ich würde Kindern, die morgens partout nicht frühstücken möchten, Smoothies oder Joghurt angereichert mit komplexen Kohlenhydraten anbieten. Das wären beispielsweise Haferflocken. Auch gute Fette, die in Nüssen enthalten sind, sind wichtig. Ein optimaler Smoothie-Mix wären also Obst, Haferflocken und Nüsse." Feurstein verdeutlicht, ein gutes Frühstück besteht aus vier Komponenten: komplexe Kohlenhydrate, Obst, einem Milchprodukt und Flüssigkeit, wie etwa Wasser oder ungesüßte Früchte- bzw. Kräutertees.
Bei der Familie Alkilani hat das Frühstück deshalb eine besondere Bedeutung. Auch, wenn die Kinder mal nicht wollen "ein bisschen Gemüse oder Obst essen sie jeden Tag." Das ist dem Vater wichtig, denn er ist überzeugt: "Ohne Frühstück können sich die Kinder nicht konzentrieren. Das Frühstück zu Hause hilft ihnen zumindest bis mittags um 12 Uhr."
Warum der Ramadan für Kinder besonders problematisch ist

Der noch bis am Dienstag, 9. April, andauernde Ramadan stellt eine besondere Schwierigkeit dar. Kinder, die daran teilnehmen, essen und trinken von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nichts. "Das führt zu Problemen im Unterricht, weil der Kreislauf der Kinder zusammenbricht", berichtet Jäger aus ihren Erfahrungen. Auch sie kennt Kinder, die im Volksschulalter bereits fasten. "Ob sie das wollen, oder, ob sie teilweise gezwungen werden, weiß ich nicht", ist die Lehrerin skeptisch. Der Zentral der Muslime in Deutschland hat eine klare Meinung dazu und bezieht Stellung: „Kinder fasten nicht! Es heißt immer, die Kinder müssen nicht fasten. Richtigerweise muss es jedoch lauten, dass sie gar nicht fasten dürfen.“ Freiwillig für ein bis drei Stunden zu fasten, sei möglich, „aber es ist keineswegs eine Pflicht.“ Bedauerlicherweise gebe aber im Ramadan immer wieder Eltern, „die ihr Kind zum Fasten zwingen“, so der Zentralrat.
(VOL.AT)