Ortsstellenleiter Rainer Märk nach Silvretta-Einsatz: "Moderne Technik verleitet zu mehr Risikobereitschaft"

Nach dem Einsatz der Bergrettung sowie drei Hubschraubern in der Silvretta am Sonntag (VOL.AT berichtete) spricht nun der Ortsstellen- und Einsatzleiter der Bergrettung Partenen Klartext. Der Einsatz sei für seine Bergretterinnen und Bergretter äußerst gefährlich gewesen. "Der Einsatz fand bei zeitweise starkem Schneesturm mit Neuschnee von bis zu 40 Zentimetern und bei rund -20 Grad statt", ordnet er die Situation ein. Es habe Lawinenstufe 3 geherrscht - durch den starken Schnee und die damit einhergehenden Verfrachtungen sei die Lage besonders ungünstig gewesen.
Einsatz der Bodenmannschaft heißt Lebensgefahr
"Immer, wenn die Bodenmannschaft ausrücken muss, bedeutet ein Einsatz enorme Gefahr für die Bergrettung", konkretisiert er seine Aussage. Das würde nämlich immer bedeuten, dass kein Flugwetter herrscht und "schlechte Sicht, starker Wind und häufig auch Dunkelheit" den Einsatz eines Helikopters verhindern.

Er selbst hätte bei dem Wetter am Samstag keine solche Bergtour geplant. "Der Wetterbericht hat von vornherein große Neuschneemengen gebracht. Außerdem ist es bei uns in Partenen um 10 Uhr morgens schon zugezogen." Insbesondere Menschen, die sich auf einer Hüttentour befinden, würden aber seinen Beobachtungen nach, ein immer größeres Risiko eingehen. "Vor allem die moderne Technik mit gut funktionierenden GPS-Geräten verleitet die Bergsteigerinnen und Bergsteiger zu waghalsigen Aktionen." Märkle kann das nicht nachvollziehen. "Als Tourengeher in einem fremden Gebiet kann ich die Situation vor Ort sowieso nur schwer einschätzen. Kommen dann noch solch schwierige Wetterbedingungen hinzu, wird es fahrlässig", gibt er zu bedenken. Wer auf einer Hütte übernachtet habe und eine Tour für den nächsten Tag geplant habe, solle die Tour allenfalls "anders organisieren, nur wenige Meter von der Hütte weg touren oder besser ganz auf der Hütte bleiben und lieber eine gute Flasche Wein genießen."
Vollkasko-Mentalität bei vielen Bergsteigerinnen und Bergsteigern
"Wir merken immer mehr eine Vollkasko-Mentalität bei den Urlaubern. Speziell durch die hohen Skipasspreise hat sich die Problematik noch einmal verschärft", ärgert er sich. Menschen, "die vom Tuten und Blasen keine Ahnung haben" wagen sich ins hochalpine Gelände und gehen Touren eines hohen Schwierigkeitsgrades. Schon mehrfach musste die Bergrettung Partenen deshalb heuer in die Silvretta ausrücken. Dabei ist ein Großeinsatz, wie er am Sonntag stattgefunden hat, kein Schnäppchen. "Es waren insgesamt vier Helikopter und zwei Ortsgruppen im Einsatz. Wie hoch die Kosten genau sind, ist noch schwer zu sagen. Ich gehe aber von 10.000 bis 20.000 Euro aus", so der Partener. Wer also nicht im Alpenverein ist, oder eine gute Unfallversicherung hat, die in solchen Fällen für den Einsatz aufkommt, muss tief in die Tasche greifen. "Auch auf der Piste stellen wir immer häufiger fest, dass Menschen nur unzureichend versichert sind. Die Kosten für den Einsatz müssen aber in jedem Fall durch die Opfer getragen werden."

Wann die Bergrettung zu Einsätzen ausrückt, und wann nicht
Im Falle des Samstagseinsatzes hätte das Unfallopfer Glück gehabt, "dass drei Ungarn vorbeigekommen sind, die ein Notbiwak gegraben haben." Ohne das, wären die Überlebenschancen aufgrund der Kälte und des Windes weitaus geringer gewesen - auch, wenn es sich bei einer Unterschenkelfraktur in der Regel um keine lebensbedrohliche Verletzung handelt. In diesem Fall wäre wohl eher die Kälte zum Verhängnis geworden. Auf die Frage, wie lange er seine Truppe einen solchen Einsatz durchführen lasse, entgegnet Märk: "Das ist schwer zu sagen und muss immer neu bewertet werden. Im Zweifelsfall muss ich aber klar betonen: Die Menschen haben sich selbst in die Gefahr gebracht. Dann muss ich nicht meine Bergrettung der gleichen Gefahr aussetzen. Wir haben alle Familie und riskieren hier unser Leben."

Auch, wenn der Einsatz eine Herausforderung war, freut sich Märk über das gute Funktionieren der Rettungskette bis nach Partenen ins Dorf, sowie die gute Zusammenarbeit mit der Ortsgruppe Gaschurn. "Wir arbeiten hervorragend zusammen und können uns auch in solch schwierigen Situationen aufeinander verlassen. Das ist großartig."
(VOL.AT)