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"Eine vorurteilsfreie Gesellschaft wäre echt cool"

Luca Martina Huber (24) im WANN & WO-Talk über Frauenrollen, Vorurteile, die 50 Köpfe von Morgen und ihren Podcast „Sunsch no was“.

WANN & WO: Du gehörst zu den „50 Köpfen von Morgen“. Was hast du gedacht, als du das erfahren hast?

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Luca Martina Huber: Ich hab mir gedacht: „Okay, krass!“ Damit hatte ich nicht gerechnet und ich hab mich gleich gefragt, wer mich da wohl nominiert hat. Es hat mich berührt und erfreut, eine solche Auszeichnung zu bekommen, weil man oft dazu neigt, das eigene Schaffen und Handeln als selbstverständlich zu betrachten, ohne sich der tatsächlichen Wirkung oder Wertschätzung bewusst zu sein. Diese Anerkennung hat mir gezeigt, dass viele da draußen mein Tun wertschätzen. Das motiviert mich enorm und macht mich sehr dankbar.

WANN & WO: Was hat dich motiviert, deinen Podcast „Sunsch no was!“ zu starten?

Luca Martina Huber: Es war die jährliche Diskussion rund um den Weltfrauentag, Gender-Pay-Gap, Gleichstellung, etc. Da hat mich gestört, dass das nur um den Weltfrauentag herum passiert und nicht dauerhaft vor den Vorhang geholt wird. Ich mache Frauen in verschiedenen Rollen sichtbar, was in der medialen Welt nicht regelmäßig passiert. Ein Podcast erschien mir dafür als das perfekte Format, weil man lange Gespräche führen und in die Tiefe gehen kann. Bei mir geht es um Themen, die in der klassischen Medienwelt oft nur von einem männlichen Blickwinkel aus beleuchtet werden. Hier ist mir die Expertise von Frauen wichtig.

WANN & WO: Wie findest du deine Gesprächspartnerinnen?

Luca Martina Huber: Ich finde diese Frauen meistens über Social Media. Oft ist auch ein aktuelles Thema der Auslöser und ich suche mir in Vorarl­berg eine Frau, die das aus ihrem Blickwinkel erklären kann. Also entweder finde ich eine Frau inspirierend oder es ist ein Thema, zu dem ich eine passende Gesprächspartnerin finde. Manchmal sind es auch Empfehlungen oder Wünsche von Hörerinnen und Hörern.

WANN & WO: Warum steht so oft der Beruf im Vordergrund?

Luca Martina Huber: Beim Thema Gleichstellung kommt oft auch die Care-Arbeit mit. Frauen scheiden oft aus dem Berufsleben aus und haben einen schwierigen Wiedereinstieg. Man definiert sich oft über den Job. Karrieredenken und im Berufsleben zu stehen, wird vorwiegend Männern zugeschrieben. Ich halte es für wichtig, dass Frauen sehen, was im Berufsleben alles möglich ist.

WANN & WO: Warum wird das Thema Kinder und Familie immer als Grund dafür genannt, dass mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Österreich in Teilzeit arbeiten?

Luca Martina Huber: Es sind patriarchale Strukturen, in denen wir aufwachsen. So sind wir sozialisiert und wir reproduzieren, was wir kennen. Wenn ein Paar Kinder bekommt, ist es „logisch“, dass man macht, was man kennt. Das kommt aus einer patriarchalen Welt und es ist wichtig, diese Rahmenbedingungen zu erkennen. Die Arbeitswelt ist was das angeht noch so, wie vor vielen Jahrzehnten. Diese Rahmenbedingungen sollten angepasst werden, dass beide in einer Partnerschaft sowohl im Erwerbsleben stehen als auch in der Care-Arbeit ihren Beitrag leisten können. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollte nicht auf ein Geschlecht reduziert werden. Den Menschen muss bewusst sein, dass es eine gemeinsame Entscheidung ist.

WANN & WO: Wie bewertest du die Unterscheidung von Männer- oder Frauenberufen?

Luca Martina Huber: Wenn Frauen mehr in sogenannten Männerberufen arbeiten sollen, ist das ja wieder eine gesellschaftliche Erwartung, die das Grundproblem nicht ändert. Da geht es um die Bewertung, die Bezahlung und die Wertschätzung in diesen Jobs. Jede Person sollte das arbeiten, was sie möchte. Ich bin auch nicht dafür, dass manche in gewisse Berufsgruppen gedrängt werden sollten. Das ist auch eine Chance für Männer, sich in andere Berufe zu trauen.

WANN & WO: Helfen Frauenquoten?

Luca Martina Huber: Eine Quote kann dazu beitragen, Ungleichheiten und Diskriminierungen gegenüber marginalisierten Gruppen am Arbeitsmarkt, wie Frauen, ethnischen Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen zu verringern, indem sie den Zugang zu Chancen und Ressourcen verbessert. Wenn unterrepräsentierte Gruppen erst einmal in Positionen vertreten sind, wird ihre Präsenz eher als „Normalität“ akzeptiert, was dazu führt, dass bei zukünftigen Auswahlverfahren auch an sie gedacht wird. Eine Quote sendet außerdem oft ein Signal an die Gesellschaft, dass die Gleichstellung und Inklusion bestimmter Gruppen ein wichtiges Anliegen ist. Dies kann dazu beitragen, Bewusstsein zu schaffen und den Druck auf Organisationen und Institutionen zu erhöhen, sich für Vielfalt und Gleichberechtigung einzusetzen. Ich verstehe die Kritik an der Quote, doch als vorübergehende Maßnahme kann sie langfristig dazu beitragen, Strukturen und Kulturen zu verändern. Ohne Quoten besteht die Gefahr, dass bestehende Ungleichheiten und Diskriminierungen fortbestehen und sich sogar verstärken könnten. Eine Quote kann aber nur ein Teil des Ganzen sein. Sie ändert nicht die Gesellschaft, mit ihren Stigmatisierungen und Vorurteilen. Ich finde so eine Quotenregelung aber gut und halte ihre negative Konnotation für vollkommen unberechtigt.

WANN & WO: Was denkst du über anonymisierte Bewerbungen?

Luca Martina Huber: Aus Expertinnenkreisen höre ich immer wieder, dass sie es befürworten würden, wenn man wirklich nur auf die Fähigkeiten schaut und erst nachträglich aufdeckt, wer dahintersteckt. Das wäre nicht nur für Frauen wertvoll, sondern würde auch zu mehr Inklusion und Integration beitragen.

WANN & WO: Hast du manche Gesprächspartnerinnen als besonders wertvoll in Erinnerung?

Luca Martina Huber: Das hört sich an, als würde ich lügen: Jedes Gespräch hat auf seine eigene Art etwas bei mir ausgelöst. Ich reflektiere nach den Podcasts auch zu Hause immer sehr viel und nehme daraus etwas für mein Leben mit. Ich habe auch zu jeder dieser Frauen noch Kontakt und wir machen regelmäßige Netzwerktreffen.

WANN & WO: Wie wichtig ist es, das in Vorarlberg zu machen?

Luca Martina Huber: Das war mir von Anfang an ein großes Anliegen. Darum rede ich im Podcast auch Dialekt. Es gibt in diesem Bereich viele Angebote im DACH-Raum und ich habe mich gefragt, warum das die Leute in Vorarlberg nicht erreicht. Darum wollte ich zeigen, dass das etwas Regionales ist. Bei uns gibt es den größten Gender-Pay-Gap und darum ist es mir wichtig, hier so etwas zu machen.

WANN & WO: Bekommst du negatives Feedback auf Social-Media?

Luca Martina Huber: Es kommen Fragen oder Vorschläge für einen nächsten Podcast. Ich werde oft gefragt, ob ich da auch Hate bekomme. Das frage ich mich auch selbst, weil ich das noch nie erlebt habe. Einmal wurde ich gefragt, warum ich eine Frau als „Powerfrau“ bezeichnet habe. Man sagt ja auch nicht „Powermann“. Da habe ich mir gedacht: „Ach ja, das stimmt.“ Richtig böse Nachrichten oder Kommentare bekomme ich nie. Auch mein Freund wird das oft gefragt und wir finden das sehr spannend, weil wir beide damit sehr positive Erlebnisse haben. Vielleicht ist das aber auch einfach meine Art. Ich möchte keine Negativität verbreiten, sondern Lust auf das Thema machen.

WANN & WO: Wie stehst du zum Gendern?

Luca Martina Huber: Ich fühle mich nicht angesprochen, wenn Teilnehmer, Schüler oder Studenten adressiert werden. Das kommt nicht aus irgendeiner Sturheit heraus, sondern ich fühle mich wirklich nicht gemeint. Sprache erzeugt Bilder und wenn man mir als Kind immer nur sagt, es gibt den Piloten und die Assistentin, dann glaube ich irgendwann, dass ich nur Assistentin werden kann. Gendern vereinfacht viel, aber die Welt ist nicht einfach, sie ist dynamisch, bunt und verändert sich laufend. Sprache zeigt auch immer, wie eine Gesellschaft denkt und wo sie aktuell steht. Mit Sprache drückt man das eigene Denken aus. Es ist eine Respektsache, inklusiv zu sprechen, weil es zeigt, dass man die individuellen Identitäten aller Menschen anerkennt. Indem man gendergerechte Sprache verwendet, signalisiert man seine Wertschätzung und trägt dazu bei, dass sich alle Menschen gleichermaßen angesprochen und respektiert fühlen.

WANN & WO: Was sagst du zum Genderverbot in Bayern?

Luca Martina Huber: Wie unnötig ist es bitte, dass da jetzt Unsummen an Steuergeldern draufgehen, um so ein Sprachverbot durchzusetzen? Wie sehr muss man denn Angst haben, vor Diversität und Veränderung, dass man weiterhin für die Unsichtbarkeit von so großen Menschengruppen sorgt? Die aktuelle Lösung mag zwar nicht perfekt sein, aber das bedeutet nicht, dass wir einfach auf das Altbewährte zurückgreifen müssen. Auch wenn es manchmal kompliziert erscheint, sollten wir uns weiterentwickeln und anpassen, anstatt uns auf veraltete Konventionen zu beschränken. Ich kann mir gut vorstellen, dass gerade jüngere Menschen dadurch sogar grad extra gendern, weil es verboten ist.

WANN & WO: Was war das wertvollste Feedback, das du zu deinem Podcast bekommen hast?

Luca Martina Huber: Mir wurde gesagt: „Luca, es ist dein Podcast und im Endeffekt entscheidest du, ob es passt oder nicht.“ Ich merke immer wieder, dass mir schwerfällt, authentisch zu sein, wenn ich zu stark darauf bedacht bin, was dem Publikum gefallen könnte. Da mache ich mir oft selbst einen Stress, weil ich zu sehr hinterfrage, ob das die Leute überhaupt interessiert. Da ist es immer wieder wichtig, gesagt zu bekommen, dass ich auf mich selbst vertrauen soll.

WANN & WO: Wie definierst du Erfolg?

Luca Martina Huber: Erfolg ist, wenn man zufrieden ist. Der muss nicht an den Beruf, viel Geld oder einen Lebensstandard gekoppelt sein. Man ist richtig erfolgreich, wenn man glücklich ist in dem, was man tut.

WANN & WO: Wie sollte sich die Rolle der Frau in den Medien und der Gesellschaft ändern?

Luca Martina Huber: Ich würde mir wünschen, dass die Rolle der Frau nicht irgendetwas Vorgegebenes ist. Frauen sollten frei entscheiden können, welche Rolle sie einnehmen möchten. Es braucht nicht immer irgendwelche Idole oder Vorgaben, wie man sein sollte. Darum ist es wichtig, auch in den Medien die Vielfalt aufzuzeigen. Man darf es aber nicht überformen, sondern sollte eher weggehen von diesen Stereotypen. Das gilt für alle Menschen, nicht nur für Frauen. Wenn man vorgibt, wie eine moderne Frau zu sein hat, erzeugt das wieder Druck, in dieses Schema hineinzupassen. Darum ist es mein Wunsch, dass die Möglichkeiten aufgezeigt werden und auch das Fachwissen von Frauen vor den Vorhang geholt wird. Eine vorurteilsfreie Gesellschaft wäre echt cool!

Zur Person: Luca Martina Huber

  • Alter, Wohnort: 24, Lochau
  • Laufbahn: Podcasterin & Moderatorin (Anfänge als Nachrichtenredakteurin-und Sprecherin bei Antenne Vorarlberg, selbständig und mittlerweile auch zu 40% beim ORF), InterMedia-Studentin
  • Hobbys: Klettern, Skifahren- und Touren, Wandern, Schwimmen, Joggen, Yoga, ins Kino gehen, Spieleabende mit Freund:innen, Kochabende mit meinem Partner

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