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"Es ist nicht sexy, aber sinnerfüllend!"

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Corinne Stadelmann (52) hat nach 15 Jahren im Musikbusiness ein Second-Hand-Geschäft eröffnet.

WANN & WO: Wie hat sich dein Leben durch den Umstieg von der Musik zu einem Second-Hand-Modegeschäft verändert?

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Corinne Stadelmann: Ich bin immer eine Macherin gewesen, von Klein auf, und habe erkannt, dass es bei Second-Hand noch viel Luft nach oben gibt. Von der Musik bin ich weg, als ich mich von meinem Mann getrennt habe. Es ist alles gut, aber wir haben da einfach auch einen Schnitt machen müssen. Ich wollte nicht mein Leben lang in dem Business bleiben. Es ist wunderschön, aber auch sehr intensiv. Wir hatten schöne Momente, haben das gelebt und zelebriert. Danach bin ich dagestanden und habe mich gefragt: „Was mache ich jetzt mit dem Rest?“ So habe ich beschlossen, in die Zukunft zu investieren. Mir ist aber auch immer wichtig, dass ich etwas Sinnerfülltes mache. Bei meinem 50er habe ich mir ganz spontan gesagt: „Das mit Second-Hand probiere ich jetzt einfach!“

WANN & WO: Wie war es, während der Pandemie zu eröffnen?

Corinne Stadelmann: Ich habe mich da gar nicht großartig verkopft. Ich habe gesehen, dass in dem Haus wo ich wohne das Geschäftslokal frei wird. Dann hab ich einfach die Vermieterin gefragt und sie hat gemeint, ich solle es mir doch mal ansehen. Davor war ich nie drinnen! Als ich dann zum ersten Mal das Geschäft angesehen habe, dachte ich, die Fee von Aschenputtel hat hier eine Nuss für mich geworfen.

WANN & WO: Warum Second Hand?

Corinne Stadelmann: Ich mag ge­brauchte Sachen und habe mich dann über Facebook mit der Dame kurzgeschlossen, die das Pinocchio Kinderparadies in Lustenau aufgebaut hat. Sie hat mir gezeigt, dass da sehr viel Arbeit dahinter steckt, was ich mir davor überhaupt nicht gedacht hatte. Der logistische Aufwand ist enorm. Insbesondere, weil im Endeffekt nicht viel übrigbleibt. Die Hälfte des Verkaufserlöses bekommen diejenigen, die ihre Kleidung bei mir abgeben. Es ist nicht sexy, aber sinnerfüllend.

WANN & WO: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit für dich?

Corinne Stadelmann: Das ist mir sehr wichtig, weil es beim Kauf schon losgeht. Wenn die Qualität stimmt, kann ich etwas auch weitergeben, wenn es mir selbst nicht mehr so viel Freude macht. Ich habe Verantwortung für alles, was ich mir anschaffe. Wenn ich viele Sachen horte und im Endeffekt viel wegwerfen muss, ist das ja furchtbar.

WANN & WO: Ist Second-Hand in Vorarlberg populär?

Corinne Stadelmann: Wir müssen dankbar sein, dass wir nach wie vor eigentlich wohlhabend sind. Wir haben auch keine Studenten hier, bei denen das irgendwie dazugehört. Ich bin nicht in einer Großstadt und habe auch kein Vintage-Geschäft. Jetzt nach eineinhalb Jahren bin ich aber da, wo ich hin wollte. Ich habe ganz tolle Frauen, die wunderbare, hochwertige Kleidung haben und mitmachen. Die Sachen hängen bei ihnen nur im Schrank und sie geben diese nicht ab, um noch großartig daran zu verdienen, sondern damit jemand anders noch eine Freude daran hat. Wenn es nur darum geht, zu profitieren, bist du bei mir an der falschen Adresse.

WANN & WO: Was für Menschen kommen zu dir in den Laden?

Corinne Stadelmann: Alles, querbeet. Ich habe in Hard etwas Glück, weil hier viele Damen sehr schöne Garderoben haben, nicht zuletzt wegen Luger Mode auch in hervorragender Qualität. Da kommen mir auch sehr viele entgegen, die richtig hochwertige Marken haben.

WANN & WO: Wie wichtig ist dir die Balance von Arbeit und Leben?

Corinne Stadelmann: Das Leben, Zeit und Qualität, sind mir sehr wichtig. Ich bin über 50 und sicher nicht nur zum Arbeiten hier. Mir ist wichtig, dass ich für meine Kinder genug Zeit habe und für alles andere nebenbei, für das Menschliche.

WANN & WO: Welche Rolle spielt die Musik heute noch für dich?

Corinne Stadelmann: Ich höre sie gern und ich erfreue mich daran. Es war eine coole Zeit! Mein Mann war Musiker und über die Moderation bin ich da irgendwie hineingewachsen. Selbst hatte ich keinen musikalischen Hintergrund. Mein Ding war die Interaktion mit den Leuten, aber ich habe mich nie wirklich als Sängerin gefühlt. Ich nehme schöne Erinnerungen mit, aber es war Zeit für etwas Neues.

WANN & WO: Was ist dir besonders im Gedächtnis geblieben?

Corinne Stadelmann: Die tollen Menschen und alles, was wir mit ihnen erleben durften. Gerade die Musikreisen waren oft wunderschön. Wir haben jedes Jahr zwei Wochen auf einem Phoenix-Kreuzfahrtschiff gespielt. Am Vormittag durften wir die Ausflüge mitmachen und am Abend waren wir auf der Bühne. Das war richtig familiär.

WANN & WO: Was hast du vor deiner Musikkarriere gemacht?

Corinne Stadelmann: Gelernt habe ich Kauffrau. Ich war Kindermädchen in Davos, weil ich gerne Ski gefahren bin. Später bin ich zurück ins Solothurnische, wo ich aufgewachsen bin. Dort habe ich in einem Reisebüro Last-Minute-Reisen verkauft, als erst ganz Wenige schon Internet hatten. Am Wochenende habe ich in an der Bar ausgeholfen. Da war ich unter Leuten und habe mit vielen reden können. So habe ich dann auch meinen Exmann kennengelernt.

WANN & WO: Machen Kleider Leute?

Corinne Stadelmann: Das sagt man nicht umsonst. Es muss aber nicht von einem Designer oder weißgottwas sein. In Hollywood sind auch nicht alle Supermodels, aber haben die besten Berater, die ihnen sagen, mit welchen Proportionen welches Teil Dinge kaschiert oder betont. Das sind auch Sachen, die ich meinen Kundinnen gerne mitgebe.

WANN & WO: Braucht es mehr Second-Hand-Geschäfte in Vorarlberg?

Corinne Stadelmann: Ja, unbedingt. Mir ist es ein großes Anliegen, dass diese Szene weiter belebt wird. Nicht nur im Kinder-Bereich, wo es sehr gut funktioniert. In Hohenems hat eine ganz junge Mama mit Pipilottas Lieblingsstücke in kürzester Zeit etwas ganz Tolles auf die Beine gestellt, Hut ab! Ich würde mir wünschen, dass es mehr gibt, auch im Erwachsenen-Bereich, weil die Leute dann offener dafür werden.

WANN & WO: Wirkt sich die Teuerung auf dein Geschäft aus?

Corinne Stadelmann: Nachdem ich ja erst seit 2022 geöffnet habe, fehlt mir da wohl ein bisschen der Vergleichswert. Ich merke aber schon, dass die Leute insbesondere dann mehr zu mir kommen, wenn es um die Garderobe für nur einen Abend geht. Für ein Dirndl und Lederhosen für ein Oktoberfest oder auch für ein Ballkleid wollen viele nicht mehr ein paar Hundert Euro ausgeben.

Zur Person: Corinne Stadelmann

  • Alter, Wohnort: 52, Hard
  • Ausbildung, Beruf: Berufskauffrau, Gastronomie, Musikerin, Eigentümerin Schatzkammer Hard
  • Familie: Geschieden, 3 Töchter, in einer Partnerschaft
  • Hobbys: Zeit mit lieben Menschen, Skifahren, Sport, Natur, Radfahren, Kochen

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