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„Es geht nicht um Sex“

Andreas Tomaschek, Besitzer des Palladiums in Au, gibt Auskunft, wie sich der Sex- und Saunaclub seit Jahren um die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen kümmert.

Der Vorarlberger Landtag plant offenbar eine Lockerung des Prostitutionsverbotes, um Sexualassistenz für Menschen mit Behinderung zu legalisieren. Andreas Tomaschek gewährt Einblick, wie diese in seinem Schweizer Club in der Praxis seit Jahren aussieht.

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Gute Erfahrungen

Der Inhaber berichtet, dass diese Gäste ein bis zu zwei Mal im Monat zu Besuch kommen würden. „Generell haben wir bisher gute Erfahrungen mit Gästen mit Behinderungen. Natürlich gibt es auch Einzelfälle, die ein spezielles Handling benötigen, wofür wir allerdings leider nicht eingerichtet sind.“ Die Rede ist von körperlich behinderten Personen, die nicht mehr laufen und nicht mehr im Rollstuhl fahren können. Für sie existieren jedoch Heim­services, die in der Schweiz von ausgebildeten Pflegeschwestern angeboten werden.

„Einmal berührt werden“

Andreas spricht einen wichtigen Punkt an: „Es geht bei vielen Menschen nicht um Sex, sondern eher darum, wieder einmal von jemandem berührt zu werden oder auch nur mit jemand Neutralem zu sprechen.“ Bezahlte Dienstleistungen dieser Art waren bisher nur in Vorarlberg verboten, was sich jetzt aber ändern soll. In Ländern wie der Schweiz, Deutschland und auch Liechtenstein sei dies längst kein Thema mehr. „Immerhin werden auch in Vorarlberg sexuelle Dienstleistungen angeboten, siehe Pop-up Fenster mit ,Kauf-mich‘ Anzeigen auf diversen Internetportalen, Massage-Salons mit ,Happy End‘, Table-Dance-Bars nach Ladenschluss im separaten Hotel, usw.“, so Andreas über die aktuelle Situation im Ländle.

„Auch sie führen ein intimes Leben“
Die Leute sind geschockt, wenn sie hören, dass ich mit einem Behinderten verheiratet bin. Aber wenn der Partner in so einen Zustand gerät, verlässt man ihn nicht, sondern unterstützt ihn. Man denkt, dass Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, kein intimes Leben haben können, aber das stimmt nicht! Das muss die Gesellschaft lernen. Gülbin Kurt, 60

„Sie stecken uns in Schubladen“
Körperlich Behinderte können oft nicht mehr selbst raus. Deswegen fällt es ihnen schwer, einen Partner zu finden. Aber das bedeutet nicht gleich, dass sie kein Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung haben. Auch wir können ein intimes Leben führen. Menschen stecken uns in Schubladen, weil sie sich das nicht vorstellen können. Aber durch Organisationen wie Reiz ist auch für uns ein selbstbestimmtes Leben möglich. Süleyman Kurt, 58

„Ein Blick durchs Schlüsselloch“
Die Legalisierung hätte viel früher stattfinden sollen. Aber leider ist es so ein Tabu-Thema für die Gesellschaft. Es ist wie der Blick durch ein Schlüsselloch, weil es so ein intimes Thema ist. Auch wir haben das Recht auf ein Sexleben! Mein Wunsch wäre es, dass man normal über Sexualität von Menschen mit Behinderung sprechen kann und es nicht mehr tabuisiert wird. Patrick, 35, seit seiner Geburt im Rollstuhl

Fragen an Reinhard Zischg, Reiz - Selbstbestimmt Leben

Welches Ziel verfolgt das Reiz Dornbirn?

„Seit 2003 ist es unser Ziel, Angebote für Behinderte zu schaffen, damit auch sie Selbstbestimmtheit erfahren und in einem Umfeld leben können, in dem sie die gleichen Rechte und Chancen haben, wie alle anderen.“

Wie unterstützt ihr körperlich Beeinträchtigte und Betroffene?

„Wir bieten Auskunft an jene, die auf uns zu kommen, stellen Beratung für Betroffene zur Verfügung und vermitteln auch Sexualberatung für körperlich Beeinträchtigte.“

Wieso ist das Thema Sexualität in eurer Arbeit so wichtig?

„Es findet bereits ein Umdenken statt. Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Gerade der älteren Generation fällt es schwer, darüber zu sprechen oder hinzuhören. Dabei wäre es so wichtig. Junge Menschen sprechen ganz offen darüber, sodass man das Thema mittlerweile gut besprechen kann.“

Wie können wir dieses Tabu-Thema normalisieren?

„Indem wir offen darüber sprechen. Denn auch Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Sexualassistenz. Gerade für sie ist es eine Möglichkeit, diese vollkommen normalen Gefühle zu erfahren. Es geht hierbei nicht ,nur‘ um Sex, sondern um Nähe, Berührungen und das Recht, wirkliche Sexualität zu erleben.“

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